Eintracht Frankfurt - 1. FC Kaiserslautern

Bundesliga 1965/1966 - 5. Spieltag

6:0 (3:0)

Termin: Sa 11.09.1965, 16:00 Uhr
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Hans-Joachim Weyland (Oberhausen)
Tore: 1:0 Georg Lechner (19.), 2:0 Jürgen Grabowski (23.), 3:0 Horst Trimhold (28.), 4:0 Georg Lechner (51.), 5:0 Georg Lechner (64.), 6:0 Jürgen Grabowski (80.)

 

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Eintracht Frankfurt 1. FC Kaiserslautern

 


  • Wolfgang Schnarr
  • Willi Kostrewa
  • Uwe Klimaschefski
  • Roland Kiefaber
  • Dietmar Schwager
  • Wilhelm Wrenger
  • Gerd Schneider
  • Manfred Rummel
  • Otto Geisert
  • Willy Reitgaßl
  • Helmut Kapitulski

 

Trainer Trainer

 

 

Lechners Kurskorrektur

Manfred Rummel heißt der neue Schrecken der Bundesligatorhüter. Sechs Tore hat der im Sommer von Eintracht Duisburg an den Betzenberg gewechselte Mittelstürmer bereits erzielt, dabei alle Treffer beim 3:0-Sieg gegen den Titelfavoriten TSV 1860 München am letzten Wochenende. Diese Ausbeute hätte dem 27-Jährigen, der vor zwei Jahren für Preußen Münster in 27 Erstligaspielen nur 7 Mal traf, zu Saisonbeginn kaum einer zugetraut. Den Höhepunkt seiner Treffsicherheit schien der Angreifer, der 1959 mit Schwarz-Weiß Essen den DFB-Pokal errungen hat, in der Saison 1961/62 erreicht zu haben, als er sich in der Oberliga West mit 26 Treffern die Torschützenkrone sicherte.

Aber auch sein neuer Verein, der 1. FC Kaiserslautern, ist überraschend gut in die neue Runde gestartet. Lediglich beim spielerisch enttäuschenden Meister Werder Bremen gab es am 3. Spieltag eine dem Spielverlauf nicht entsprechende 1:4-Niederlage. Zum Auftakt drehte man unter Mithilfe des MSV-Keepers Manglitz in der Schlussphase einen 0:2-Rückstand in Duisburg noch in ein 2:2 und am Betzenberg gingen sowohl der 1. FC Köln als eben auch zuletzt die Münchner Löwen als Verlierer vom Platz.

Dass der 14. der letzten Saison plötzlich spielerisch zu überzeugen weiß, wird auch dem neuen Trainer Gyula Lorant gutgeschrieben. Es war übrigens der Trainer der Weltmeisterelf von 1954, Sepp Herberger, der Lorant ohne Aufnahmeprüfung zu einem Platz an der Deutschen Sporthochschule in Köln verhalf, nachdem Lorant im Dezember 1963 Ungarn verlassen hatte. Für diese Unterstützung auf dem Weg zum vom DFB lizenzierten Fußballlehrer ist Lorant dem ehemaligen Bundestrainer besonders dankbar. Der ehemalige Mittelläufer von Weltklasseformat, der 1954 im WM-Finale mit der Mannschaft Ungarns der Elf des DFB unterlag, ist beim FCK übrigens einem Kontrahenten aus jenem denkwürdigen Endspiel als Trainer gefolgt: Werner Liebrich. Der hatte seinen Heimatverein im Februar interimsweise übernommen, weil die nach zwei Heimniederlagen den Abstiegsrängen bedrohlich nahe kamen. Damals konnte man ja noch nicht ahnen, dass die Liga um zwei Vereine aufgestockt werden würde und es mit Hertha BSC nur einen (Zwangs-)Absteiger geben würde.

Lorants Mannschaft muss gegenüber der letzten Runde auf Jacobus Prins verzichten. Der niederländische Nationalspieler, der als erster Ausländer in der Bundesliga einen Platzverweis erhielt, ist nach zwei Jahren in Deutschland zu seinem früheren Verein Ajax Amsterdam zurückgekehrt. In die Niederlande ist auch Horst-Dieter Strich gewechselt. Gegen Ende der letzten Saison hatte Strich sich im Kampf um die Nr. 1 zwar gegen seinen Kontrahenten Wolfgang Schnarr durchsetzen können, doch eine Stammplatzgarantie bedeutete das nicht. Er sucht seinen festen Platz zwischen den Pfosten nun beim PSV Eindhoven. In Richtung Niederlande verlassen hat die Pfälzer nach drei Jahren auch Erich Meier, der sich zuvor bei der Frankfurter Eintracht einen Namen als „Flutlicht-Meier“ erworben hat. Meier, der in der letzten Runde nur noch auf 6 Punktspieleinsätze kam, geht jetzt beim VV Alkmaar '54 auf Torejagd.

Auf der anderen Seite haben die „Roten Teufel“ neben den eingangs erwähnten Rummel noch weitere Verstärkung erfahren. So ist Otto Geisert vom Karlsruher Wildparkstadion an den Betzenberg gewechselt. Geistert hat zwar in der vergangenen Spielzeit in 24 Ligaspielen nur 3 Tore erzielt, andererseits ist er der erste Spieler dem in der Bundesliga ein Hattrick gelang. Am 5.10.1963 erzielte er für den KSC im Spiel gegen den Club aus Nürnberg nach einem 1:2-Rückstand drei Treffer zum 4:2-Sieg. Als Verstärkung gilt auch Abwehrspieler Uwe Klimaschefski, der vor zwei Jahren von Bayer Leverkusen zu Hertha BSC wechselte, weil die Werkself es nicht in die neu gegründete Bundesliga schaffte. Durch den Zwangsabstieg der Berliner suchte er im Sommer einen neuen erstklassigen Arbeitgeber und fand diesen in der pfälzischen Provinz. Für die Eintracht vielleicht ein gutes Omen, denn mit der Hertha verlor Klimaschefski alle fünf Begegnungen gegen die Frankfurter.

Die Hessen, die gegen den HSV noch 52.000 und gegen die Nürnberger immerhin noch 40.000 Zuschauer begrüßen durften, bekommen vielleicht eine erste Quittung für die schlechten Leistungen der letzten Wochen: Heute sind 25.000 Menschen ins Waldstadion gepilgert. Ob das nur am Gegner liegt? Vor zwei Jahren waren – allerdings zum Auftakt der neu eingeführten Bundesliga – gegen die Pfälzer 30.000 und am letzten Spieltag der abgelaufenen Saison 35.000 Zuschauer. Dabei sollten die Eintrachtfans ahnen, dass ihrer Elf an guten Tagen alles zuzutrauen ist. Gyula Lorant weiß das und warnt seine nach dem Sieg gegen die Sechziger leicht euphorisierte Elf mit genau diesen Worten.

Seine Elf hat derweil Elek Schwartz, der noch auf der Suche nach der besten Formation für sein 4-4-2-System ist, erneut verändert. Dieter Stinka und Egon Loy, die am Mittwoch gegen die rumänische Nationalmannschaft ihr 300. bzw. 500. Spiel für die Eintracht absolvierten, gehören allerdings nicht dazu. Kunter erhält im Tor weiterhin den Vorzug vor Loy, während der gerade erst in die Elf zurückgekehrte Stinka seinen Platz wieder an Dieter Lindner abgeben muss. Auch Verteidiger Ludwig Landerer sowie die Stürmer Wolfgang Solz und Erwin Stein fehlen aus der Mannschaft, die in Hannover mit 1:4 verloren hat. Schwartz setzt dafür auf Wilhelm Huberts, Horst Trimhold und Istvan Sztani.

Sztani findet sich im Spiel dann zwar mehrmals in der Lauterer Abseitsfalle wieder, kommt gegen die ständig mit mindestens sechs Mann verteidigenden Gäste aber wie Huberts zu einem gefährlichen Abschluss, die beide durch das Holz des Lauterer Kastens am Einschlagen gehindert werden. Dem Frankfurter Sturmlauf haben die Pfälzer lediglich eine massive Abwehr entgegenzusetzen.

Georg Lechner findet in der 19. Minute das Mittel und den Weg durch das dichte Pfälzer Abwehrgestrüpp, das so aufmerksam auf die nächste Gelegenheit wartet, seine Abseitsfalle zuschnappen zu lassen. Manchem ist schon längst der Verdacht gekommen, die Gäste könnten glauben, diese Partie würde nicht nach den erzielten Toren, sondern nach der höheren Anzahl geglückter Abseitsfallen entschieden. Lechner macht die Probe aufs Exempel, startet einen unwiderstehlichen Sololauf durch die Pfälzer Reihen, lässt drei Gegner aussteigen und dann auch Torwart Schnarr keine Abwehrchance.

Die Lauterer vertrauen tatsächlich weiter auf ihre Taktik, als sei nichts geschehen. Ihre Raumdeckung kommt der Eintracht jedoch nun mit der Führung und dem Wind im Rücken sehr entgegen. Vor allem Lechner, aber auch Huberts und Sztani gelingen immer häufiger Kurzpasskombinationen, während Trimhold und Grabowski und später auch Lotz über die Flügel der gegnerischen Hintermannschaft zusetzen. So schickt Huberts in der 23. Minute Grabowski, der einen seiner brandgefährlichen Läufe auf dem rechten Flügel nicht mit einer Flanke, sondern überraschend mit einem Schuss aus spitzem Winkel abschließt und zum 2:0 ins kurze Eck trifft.


Huberts und Schnarr

Jetzt spielt die Eintracht so brillant, so bestechend und in nahezu blindem Verstehen direkt und schnell, dass den Pfälzern Hören und Sehen vergeht, während sich der Rausch auf dem Rasen auf die Ränge überträgt. Der Jubel gilt neben Lechner und Grabowski auch Trimhold, der sich großartig in das Sturmspiel einschaltet. Nach einem Pass von Huberts nach links ist es Trimhold, dem sich in der 28. Minute die nächste große Chance bietet. Wie zuvor Grabowski zieht er aus spitzem Winkel ab, Schnarr kann den Ball noch berühren, aber nicht verhindern, dass er vom Innenpfosten ins Netz geht. 3:0 – und es ist nicht einmal eine halbe Stunde gespielt.

Auf Entlastung durch die Offensive darf Schnarr nicht hoffen, obwohl die Positionswechsel von Geisert und Rummel das Einzige sind, was neben der Abseitsfalle funktioniert. Rummel, der überwiegend auf Linksaußen zu finden ist, kommt einfach nicht zum Abschluss. Eintracht-Trainer Schwartz ist ur Halbzeit aber dennoch nicht hundertprozentig zufrieden und bemängelt die Chancenverwertung: „6:0 hätten wir führen können.“

Auf Besserung im zweiten Durchgang hoffen die Lauterer ebenso – sechs Minuten lang. Dann führt die nächste Kombination von Huberts und Lechner zum dritten Saisontor des Schwaben und es steht 4:0. Schnarr kann einem leidtun: Lechner konnte freistehend vollenden.

Die Eintracht spielt wie aus einem Guss. Mit der Achse Lindner-Trimhold-Huberts könnte das Rückgrat des von Schwartz favorisierten 4-2-4-Systems gefunden sein. Sztani und Huberts sind es übrigens, die in der 64. Minute Lechner bedienen. Der ist wieder nicht zu halten und umspielt zuguterletzt noch Schnarr, bevor er zum 5:0 einschiebt.

Neben ihrer Ordnung verliert jetzt manches Mitglied der Lauterer Truppe zusätzlich die Nerven: Der frustrierte Wrenger foult zweimal schwer. Immerhin versuchen Reitgaßl und Kapitulski, der sich bei einem Schuss von Lotz die Hand verletzt hat, ihre Elf nach vorn zu treiben. Das erscheint sinnvoll, denn im Abwehrverbund erreicht allein Dietmar Schwager annähernd Normalform.


Grabowski erzielt den 6:0-Endstand

Sein bisher bestes Spiel für die Eintracht zeigt dagegen Sztani, der allerdings weiterhin auf sein erstes Bundesliga-Tor warten muss. Als Schütze ist er vom Pech verfolgt, denn neben seinem Postenschuss zu Beginn wehrt Schnarr seine beiden besten Schüsse jeweils im letzten Moment mit großer Mühe ab. Dafür kann sich Sztani aber neben Huberts, der mit seinen Vorlagen an vier Toren direkt beteiligt war, als Vorbereiter eintragen. Zehn Minuten vor dem Ende führt er einen Freistoß aus, in dem er einen Kurzpass auf Grabowski spielt. Dieser Schachzug überrascht die Lauterer ein weiteres Mal, so dass sich Grabowski allein vor Schnarr wiederfindet und den Ball am Schlussmann vorbei flach in die rechte Ecke schießt.

Beim Abpfiff des umsichtigen Schiedsrichters Weyland, dem lediglich seine Kollegen an den Seitenlinien mit ihren Hinweisen bei angeblichen Abseitsstellungen zuweilen auf die falsche Fährte brachten, stehen rund 20 gelungenen Abseitsfallen der Gäste sechs Tore der Frankfurter entgegen. 13:1 Ecken zeichnen ebenfalls das dem Spielverlauf entsprechende Bild der Überlegenheit der Eintracht.

„Wir wissen nicht, wo bei uns der Fehler liegt“, schüttelt Egon Piechaczek, Mitglied des Lauterer Trainerrates, den Kopf: „Die Jungs spinnen, weil sie 1860 geschlagen haben.“ „Ich bin mit allen Spielern sehr zufrieden“, freut sich dagegen Elek Schwartz. „Endlich ist einmal alles nach Plan verlaufen“, strahlt auch Rudi Gramlich, der Präsident der Frankfurter Eintracht: „Wenn alle noch ein wenig kürzer schalten würden, wenn wir weniger Zögerer hätten, dann hatten wir unser Idealspiel gefunden.“

„Es wird noch ein Weilchen dauern, bis der Kurs ganz genau stimmt“, ergänzt Schwartz, „aber ich merke doch schon, wie die Leute in ihre Aufgaben hineinwachsen. Wirth steigert sich von Spiel zu Spiel. Blusch hat wieder sein Selbstvertrauen. Die ganze Abwehr war heute konsequent und schaltete sich immer wieder ins Spiel ein. Und im Angriff brauchten wir gerade einen Mann wie Trimhold.“ „Das 4-2-4 scheint doch nicht schlecht zu sein“, schließt der Trainer süffisant in Richtung seiner Kritiker, schränkt jedoch sachlich ein: „Die Gäste waren aber auch schwach.“

„Nach so schweren Wochen ist das Nachlassen verständlich. Fünf schwere Spiele hintereinander, das ist zuviel für die Nerven“, verteidigt Lorant seine Elf und gibt auch dem Schiedsrichter überraschend eine Teilschuld: „Schade, dass zwei Abseitstore gegeben wurden.“ Lorant sieht für die Zukunft dennoch nicht schwarz: „Jetzt werden die Gegner leichter. In ein, zwei Wochen sind wir wieder die alten.“

Bis dahin muss der Ungar aber noch einiges einstecken: „Mein Kollege Lorant hat nach seinem 3:0 über 1860 München den Paprika seiner Lauterer gerühmt. Diesmal habe ich aber nichts davon gemerkt“, stichelt Schwartz unter dem Lachen seiner Zuhörer ein wenig.

Epilog

Die Dankbarkeit Gyula Lorants gegenüber Sepp Herberger hält bis zu Lorants Tod an, der ihn am 31.5.1981 während eines Punktspiels auf der Trainerbank von PAOK Saloniki ereilt. Noch vier Jahre zuvor zu Herbergers 80. Geburtstag, den der Hochbetagte nur knapp einen Monat überlebt, erinnert sich Lorant in seiner Laudatio im Spiegel an die dank Herberger erlassene Aufnahmeprüfung: „Das deutsche Trainerdiplom war soviel wert wie eine Empfehlung vom Papst.“

Selbst seine eigene internationale Spielerlaufbahn verknüpfte er mit Herberger, der wegen seiner Augenoperation „vielleicht zehn Prozent schlechter sehen (würde), aber das ist bei ihm noch zehnmal mehr als bei anderen.“ Entscheidend für seine Nominierung als Mittelläufer der ungarischen Auswahl sei die 3:5-Niederlage gewesen, die die Magyaren nach einer 3:1-Pausenführung am 3.5.1942 gegen die von Herberger trainierte deutsche Auswahl erlitten hat: „Von dem Tage an wurde ich Mittelläufer der ungarischen Nationalelf, spielte in 42 Länderspielen – ohne Herbergers Kraftmeier, die unsere Abwehr in den Ruhestand geschickt hatten, wäre ich vielleicht nie Nationalspieler geworden.“

Er sei der Einzige im ungarischen Lager gewesen, der den Titelgewinn 1954 nicht für eine ausgemachte Sache gehalten habe: „Ich wußte, dass Herberger den totalen Fußball erfunden hatte.“ Herberger habe vor dem Turnier nicht nur die geplante Unterkunft seiner Spieler in Augenschein genommen und dann den Ungarn überlassen – „Herberger zog mit seiner Mannschaft in ein weniger gutes, aber ruhigeres Quartier“ – , sondern die Ungarn ebenso täglich von Albert Sing beobachten lassen: „Herberger kannte unsere Stimmung, unsere Kondition, unsere Sorgen, unsere Zuversicht, unsere Stärken und unsere Schwächen. Wir hatten die Deutschen überhaupt nicht beobachtet, nur im letzten Spiel vor dem Finale.“

„Herberger war ein Mann, der von morgens bis abends nur an Fußball dachte, er hatte keine Kinder, war fast nie zu Hause, sah sich überall Fußballspiele an“, erinnert sich Lorant und zieht Parallelen zwischen sich und dem verehrten Trainer: „Ich kopierte zunächst Herberger, ich lobte nie Spieler, weil er es auch fast nie getan hatte. Ich trainierte den 1. FC Kaiserslautern und bekam den Ruf eines Schinders. Ich habe mich längst geändert, Herberger wäre heute auch anders. Er galt zwar als stur, was man als Trainer manchmal auch sein muss, aber er war auch flexibel, er stellte sich immer auf neue Umstände ein. Er wäre noch heute ein guter Bundesligatrainer, möglicherweise der beste.“ (rs)


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