Eintracht Braunschweig - Eintracht Frankfurt

Bundesliga 1964/1965 - 29. Spieltag

3:2 (1:1)

Termin: Sa 08.05.1965 16:00
Zuschauer: 14.000
Schiedsrichter: Willi Thier (Gelsenkirchen)
Tore: 1:0 Klaus Gerwien (33.), 1:1 Georg Lechner (37.), 2:1 Lothar Ulsaß (55., Foulelfmeter), 3:1 Jürgen Moll (76.), 3:2 Georg Lechner (88.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Braunschweig Eintracht Frankfurt

  • Horst Wolter
  • Wolfgang Brase
  • Klaus Meyer
  • Walter Schmidt
  • Peter Kaack
  • Hans-Georg Dulz
  • Joachim Bäse
  • Erich Maas
  • Lothar Ulsaß
  • Jürgen Moll
  • Klaus Gerwien

 


 

Trainer
  • Helmuth Johannsen
Trainer

 

 

Gewisse Mängel

Als die Eintracht am 23. Spieltag beim Tabellendritten in Köln einen 1:3-Rückstand aufholte und nach einem Eigentor von Hornig sowie drei Treffern von Georg Lechner am Ende mit 4:3 siegreich blieb, schien die zweite Bundesligasaison für den mit Titelambitionen gestarteten Vorjahresdritten noch einmal eine Wendung zum Guten zu nehmen. Nach dem dritten Sieg in Folge lagen die Frankfurter zwar immer noch auf Platz 6, doch Rang 2 war nur zwei Punkte entfernt und selbst der Spitzenreiter Werder Bremen war mit vier Zählern Vorsprung noch nicht gänzlich enteilt.

Doch im nächsten Spiel folgte die kalte Dusche mit einer 0:2-Heimniederlage gegen den BVB. Ein torloses Unentschieden in Nürnberg sowie ein 3:3 gegen Hannover warfen die Riederwälder noch nicht hoffnungslos zurück – das erledigte die 0:4-Pleite beim Aufsteiger Neunkirchen und die späte 2:3-Heimniederlage gegen den VfB Stuttgart am letzten Wochenende. So liegen die Frankfurter vor der Begegnung beim Namensvetter in Braunschweig zwar noch auf Platz sieben, doch bei einem Sieg heute können die Niedersachsen bis auf einen Punkt an die Gäste vom Main heranrücken.

Doch neben der nun doch enttäuschend verlaufenden Meisterschaftsrunde und dem Ausscheiden in der 1. Runde des Messepokals nach einem 1:5 beim schottischen Vertreter FC Kilmarnock hat der Deutsche Meister des Jahres 1959 noch ganz andere Sorgen. Vereinspräsident Rudolf Gramlich hat kürzlich einen schweren Autounfall und muss bis zur Genesung noch einige Zeit im Krankenhaus verbringen. Cheftrainer Paul Osswald, der auch heute von seinem Assistenten und 59er Meisterspieler Ivica Horvat vertreten wird, konnte nach seinem Herzinfarkt endlich das Hospital in Köppern verlassen, doch ob und wann er wieder seiner Arbeit als Fußballlehrer nachgehen kann, steht in den Sternen.

Endgültig zu Ende ist die Spielerkarriere von Hans-Walter Eigenbrodt, einem anderen Mitglied der Meistermannschaft. Nachdem er Mitte April des letzten Jahres beim 3:1-Sieg in Münster zum letzten Mal in einem Punktspiel das Trikot der Eintracht getragen hat, hat der Verein einen Invaliditätsantrag beim DFB gestellt und hofft, einen vierten neuen Spieler verpflichten zu können. Bei Stürmer Willi Huberts ist zudem die Beinverletzung noch immer nicht sicher diagnostiziert: Beim Trainingsversuch, den Huberts nach einer Pause von mehreren Wochen unternommen hat, verspürte er beim Schlagen der Bälle noch Schmerzen. Huberts wird in Braunschweig aber dabei sein, nachdem er Ende März sein letztes Pflichtspiel bestritten hat.

An Huberts, der nach der letzten Runde mit 19 Toren erfolgreichster Schütze der Eintracht vor Wolfgang Solz mit 14 Treffern war, kommt wie Solz, der allerdings auch nur 17 Partien bestritten hat, in dieser Saison bislang lediglich auf 9 Tore. Dass dennoch keiner der Mitspieler die beiden zu übertreffen vermochte, spiegelt ein Teil des Problems der Frankfurter in dieser Spielzeit wieder. Für Unruhe sorgen am Riederwald aber nach die Gerüchte, dass sich neben Ludwig Landerer auch Solz mit Abwanderungsgedanken beschäftigen soll.

Für einen neuen Klub empfehlen kann er sich im Spiel jedoch ebenso wenig wie die anderen 21 kickenden Akteure. Der Rasen ist regennass, tief und erschwert das Laufen wie das Kombinieren. Beide Teams lassen aber auch deutlich erkennen, dass sich in dieser Begegnung kein größerer sportlicher Ehrgeiz befriedigen lässt. Entsprechend ist der Umgang mit dem Gegner, so dass der neutrale und uninformierte Beobachter auch zu dem Schluss kommen könnte, es handele sich hier um einen freundschaftlichen Vergleich außerhalb einer Punktrunde.

Die Gastgeber können zu Beginn für sich in Anspruch nehmen, etwas engagierter als die Hessen zu agieren, was aber auch keine besondere Herausforderung darstellt. Nach einiger Zeit ändert sich das Bild, weil die Frankfurter eine Schippe drauflegen und etwas mehr bieten als zu Anfang der Partie. Damit wird das Spiel aber nicht zur Augenweide für die 14.000 Zuschauer, die sich mit Recht darüber beklagen dürfen, dass beide Mannschaften bisher auf Torschüsse verzichten. Stattdessen versuchen sich beide Truppen in Fehlpässen zu übertreffen oder testen mit geringem Erfolg die eigene Standfestigkeit auf dem rutschigen Rasen.

Mitten in das langweilige Kurzpassspiel hinein, das nur dazu dient, den Gegner nicht mit einem Fehler zum Kontern einzuladen, nimmt Maas am linken Flügel Fahrt auf. Kein Frankfurter Gegenspieler vermag ihn zu stoppen und an seiner präzisen Flanke in den Strafraum zu hindern, wo sich der bisher blass gebliebene Gerwien mit einem tollen Schuss bedankt. Er nimmt den Ball direkt und wuchtet ihn in Egon Loys Kasten.

Die Freude über die Führung währt aber nur vier Minuten, dann verfehlt Bäse vor dem eigenen Tor das Leder. Georg Lechner ist zur Stelle und nach 37 Minuten steht das Spiel wieder unentschieden - es ist Lechners sechster Treffer im 16. Punktspiel. Mit diesem 1:1 geht es auch in die Kabinen, wo die Spieler sich auf die Predigten ihren unzufriedenen Trainer freuen können …

Trainer Johannsen hat seinen Kickern möglicherweise etwas nachdrücklicher ins Gewissen geredet: Den Schlendrian des ersten Durchgangs wagen sich seine Schützlinge nicht fortzusetzen. Bäse verstärkt nun seinen offensiven Bemühungen und wird dabei von Schmidt unterstützt. Moll lässt sich von dem Druck aus der eigenen Defensive mitreißen und langsam kommt die Braunschweiger Combo in Schwung und beginnt aufzuspielen. Nicht zur Freude von Lothar Schämer, der im Laufduell mit Erich Maas öfter den Kürzeren zieht, als es ihm lieb sein kann.

Wie Stein auf Frankfurter Seite, der gegen Kaack kaum einen Stich machen kann, enttäuscht bei den Gastgebern trotz seines vierten Saisontreffers auch Gerwien, dem man anmerkt, dass er vor seinem ersten Saisoneinsatz im letzten November fast ein Jahr aussetzen musste. In der 55. Minute hat er jedoch ein weiteres Erfolgserlebnis, nachdem er am sonst so aufmerksamen Weilbächer vorbei gezogen ist, und der Frankfurter ihn mit einem langen Bein zu Fall bringt. Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Attacke nun im Strafraum oder nicht doch knapp vor der Linie des 16ers erfolgte, ein Dissens bei der Frage, ob es sich um ein Foul gehandelt hat, ist dagegen nicht möglich. Schiedsrichter Thier hat das Vergehen im Strafraum gesehen und so ist die Entscheidung klar, dass ein Strafstoß zu verhängen ist. Loy mag daran denken, dass es Radenkovic zum Rückrundenauftakt gelungen ist, einen Elfmeter von Ulsaß reaktionsschnell zu parieren, doch der Braunschweiger ist nervenstark und lässt sie diese Gelegenheit nicht entgehen. Während Loy sich für die linke Ecke entschieden hat, schießt Ulsaß die Kugel mit der Innenseite platziert in die rechte. Diesen Ball hätte Loy wohl auch dann nicht erreicht, wenn er eine bessere Wahl getroffen hätte.


Das 3:1 durch Moll

Eine knappe Viertelstunde ist noch zu spielen, die Braunschweiger drängen weiter und Gerwien hat den nächsten seiner raren guten Momente in diesem Spiel. Doch was verschlägt’s? Gerwien ist so auch am dritten Tor der seiner Elf beteiligt. Gerwiens Flanke findet Moll, der mit freundlicher Unterstützung vom nicht eingreifenden Torwart Loy sein siebtes Saisontor und das 3:1 erzielen kann. Frankfurt kam nun kaum noch zum Luftholen; Schämer muss auf der Linie retten. In der 82. Minute fehlt nicht viel und Loy muss zum vierten Mal das Leder aus seinem Kasten holen. Loy hat den Ball nicht festhalten können, aber Ulsaß kickt den Ball über die Latte - aus zwei Meter Entfernung.

Jetzt endlich wird es den Frankfurtern zu bunt und sie beginnen, sich energisch zu wehren. Doch dieser Endspurt kommt zu spät und so reicht es zwei Minuten vor dem Ende nur zum Anschlusstreffer durch Lechners zweitem Tor. Der Neuzugang von Schwaben Augsburg profitiert von der insgesamt zu sorglosen Braunschweiger Hintermannschaft, in der Bäse weiterhin seine offensiven Ausflüge pflegt. Den Ausgleichstreffer hat Lechner auch noch auf dem Kopf, doch der Ball verfehlt sein Ziel.

"Dass ich das 4:1 nicht geschossen habe, war ein ganz krummes Ding. Zwei Meter vor dem Tor zu stehen, und dann nicht zu treffen", ärgert sich Lothar Ulsaß über seinen Fauxpas, den er so zu erklären sucht: "Loy verlor den Ball. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich schoss dann einfach drauf los — und eben drüber!" "Gewisse Mängel zuerst bei beiden Mannschaften", hat sein Trainer Johannsen gesehen, der meint: "Gegen Frankfurt haben wir schon immer nicht gut ausgesehen. Allerdings bereitete der nasse Rasen sowohl uns als auch den Frankfurtern Schwierigkeiten. Gerwien hat mir nicht gefallen. Ich bin aber überzeugt, dass er doch noch in der nächsten Saison zu seiner früheren Form zurückfinden wird."

Die Frankfurter erweise sich als faire Verlierer, keiner stellt infrage, dass der Sieg der Braunschweiger verdient ist. "Beinahe hätten wir ja noch ein 3:3 erreicht - aber die Zeit reichte nicht ganz aus", findet Erwin Stein allerdings in der Kabine und meint entschuldigend: "Auch machte der schwere, regennasse Boden für unsere gewohnten fliegenden Kombinationen Schwierigkeiten." "Heute war nichts drin", stellt Trainer Horvat nüchtern fest und macht das auch an einem Grund fest: "Zu wenig Dampf! Im Endspurt wäre ein 3:3 noch möglich gewesen. Bei den Braunschweigern lief das Spiel nach dem 2:1 sehr gut." Bei seiner Eintracht leider nicht. (rs)

 

 

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