FSV Frankfurt - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1960/61 - 21. Spieltag

2:4 (1:3)

Termin: 05.03.1961
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 0:1 Erwin Stein (6.), 0:2 Dieter Stinka (13., Elfmeter), 1:2 Hofmann (24.), 1:3 Lothar Schämer (34.), 2:3 Helmut Geiger (46.), 2:4 Friedel Lutz (56., Elfmeter)

>> Spielbericht <<

FSV Frankfurt Eintracht Frankfurt

 


 

Trainer
  • Ludwig Janda
Trainer

 

Die Entscheidung reifte bei Dieter Stinka

Ludwig Dotzert und Horst Kickhefel berichten vom Derby

FSV Frankfurt — Eintracht Frankfurt 2:4 (1:3)

Eine von zwei imponierenden Erfolgsserien mußte in diesem Spiel reißen. Es riß die des FSV. Aber es riß noch mehr bei den Bornheimern. Nach einer Viertelstunde etwa huften die Schwarzblauen plötzlich zurück. Der verkehrte Knoten war geplatzt. Den Bornheimern fehlte plötzlich das Bornheimerische. Man unterfing sich, die Eintracht mit deren eigenen Mitteln schlagen zu wollen. Man brachte es auf dieser Tour sogar erstaunlich weit. Manche Kombinationen der Schwarzblauen wirkten wie die Volksausgabe der Kombinationen, wie sie die Riederwälder in ihren besten Minuten auf die Rasenbühne praktizierten. Aber während der Ball von Bornheimer Fuß zu Bornheimer Fuß wanderte, ging der Schneid verloren, der Schneid, mit dem die Schwarzblauen die Szymaniak- und die Nuber-Deckung aufschnitten. Nobel ging die Welt zugrunde für den FSV. Schlagowski war der einzige, der sich die stechende Gefährlichkeit bewahrte, mit der seine Mannschaft seit drei Wochen durch die Lande zieht.

Auch die Eintracht verfiel im Laufe der Spielzeit mehr und mehr in eine etwas monotone Schöntuerei; aber da sie sich immer noch auf einem Gebiet bewegte, auf dem sie sich auskennt, mußte sie nur selten ernsthaft um den Sieg fürchten. Außerdem lag sie stets in Führung. Das brachte den Vorteil mit sich, daß sie den Gegner kommen lassen konnte. Was tat's, daß sich die Spielhälfte der Riederwälder in der zweiten Halbzeit nach und nach an allen Ecken und Enden schwarzblau färbte? Mehr als einen kleinen Stein aus der Krone konnte man kaum verlieren. Indem sie weiter und weiter vordrangen, beschnitten sich die Schwarzblauen selbst die Flügel.

Für Nauheimer und Hofmann, die geborenen Konterstürmer, war in den stärksten Zeiten ihrer Mannschaft schon nach wenigen Schritten das Ende der Welt da. Wenn es doch einmal brannte im Bereich von Loy, dann hatte Höfer, dem der Kopf nach dem Wechsel gar nicht mehr nach harter Arbeit zu stehen schien, bestimmt mit dem Feuer gespielt. Es gab nur noch eine einzige andere Möglichkeit, dem FSV-Sturm zu helfen: Schlagowski. Der fahle Ballettmeister-Typ tanzte dem stolzen Lutz oft länger auf der Nase herum als einem Nationalspieler drei Tage vor einem Länderspiel zu behagen pflegt. Geiger legte zwischen seinen wilden fünf Minuten jeweils beiläufig zehn Minuten der Ruhe ein. Aber der Sprung nach oben, dem man dem FSV auch diesmal bescheinigen muß, ist ihm innerhalb seiner Grenzen nun auch geglückt. Zu beiden FSV-Toren lieferte er das Kernstück.

Dieser Bornheimer Sturm brauchte sich trotz aller Abstriche nicht hinter dem Eintrachtsturm zu verstecken; denn auch hier saßen die Schuhe nicht so stramm wie sonst. Richard Kreß ließ seinen Bewacher Schäfer zwar durchweg abblitzen, aber der zweite Mann, den Trainer Janda sicherheitshalber unter Schäfer autgebaut hatte (es handelte sich je nach Lage entweder um Hammann oder Niebel) wurde ihm oft zum Verhängnis. Dieter Lindner fielen durchweg nur olle Kamellen ein, die er freilich stets in bester Qualität feilhielt. Solz wußte nach einem brillanten Anfang nicht mehr recht weiter, und Schämer wartete oft vergebens auf Beschäftigung. Nur Erwin Stein war ganz jener Erwin Stein, den sich die Riederwälder erhofften und den Werner Niebel befürchtete. Der FSV-Stopper wagte seinem Gegner in dem weiten Feld, in dem dieser sich tummelte. nie zu folgen, und so konnte Erwin fast jeden Ball frei annehmen. Trotzdem fehlte er nie am Punkt der großen Chance. Seine beiden Tore fielen aus nächster Entfernung. Alles in allem jedoch blieb der Riederwälder Angriff unter der Leistung der letzten Wochen.

Die Entscheidung zugunsten der Eintracht reifte im Bereich des Dieter Stinka. Stinkas Spielweise erinnerte an das nervöse und dennoch präzise Gestrichel eines Schnellzeichners. Immer in Bewegung, immer zur Stelle, ohne die geringsten Konditionsschwierigkeiten kritzelte er eine Skizze auf das Parkett, die seine Gegenspieler nie recht zu deuten verstanden. Die Eintracht stieg mit Stinka und sie sank mit Stinka. Der Rest der Hintermannschaft war auch noch stark; aber er hatte diesmal nichts von einem Stahlnetz. Es gab Durchschlupfstellen, die nur deshalb ungenutzt blieben, weil sich die Bornheimer immer nur hindurchfädeln wollten statt es einmal mit dem Hindurchrammen zu versuchen.

Genau um das Format dieses Stinka stand die FSV-Hintermannschaft der Hintermannschaft der Riederwälder nach. Grutschs Effekte beruhten in erster Linie auf einem soliden Knochenbau. Hammann flickte und stoppelte an den Verbindungen nach vorn herum wie ein fleißig Lieschen: aber das Konstruktive im eigentlichen Sinne ging auch ihm ab. So blieben die Bornheimer, die noch dazu das Pech hatten, auf einen Loy zu stoßen, der Eisenhofer nicht im mindesten nachstand, in dem Bemühen, die Eintracht spielerisch zu überflügeln, auf halbem Wege stecken. Andererseits trug dieses Bemühen dazu bei, daß die Janda-Elf eher dem VfB Stuttgart oder Bayern München ähnelte als einem Abstiegskandidat. L.D.

Loy ahnte Buchenaus Richtung

Vom Spielverlauf ist eingangs zu sagen, daß seine Höhepunkte vor der Pause und in der ersten Viertelstunde nach der Pause lagen. Dann flaute das Tempo ab, die Kräfte der Spieler ließen auf beiden Seiten nach, und der Eintracht war es nur noch darum zu tun, ihren Gegner nicht mehr zur Entfaltung kommen zu lassen.

Die erste Ecke erzielte der FSV. Geiger spielte Buchenau an, dessen Schuß lenkte Loy neben das Tor (1.). Fast im Gegenzug wurde Eisenhofer geprüft. Zuerst wurde Weilbächers Schuß abgewehrt, dann zog Stein den Ball wieder vor das Tor und Eisenhofer konnte zur Ecke abwehren (4.).

Das 0:1: Solz verfolgte den Ball, es sah schon aus, als sei dieser schneller, da konnte der Eintracht-Halblinke ihn kurz vor der Torauslinie einholen. Seine hereingezogene Flanke köpfte Stein an Eisenhofers Fäusten vorbei ins Tor (6.).

Ein Fernschuß Hammanns springt Loy aus den Händen, er tupft das Leder auf — und das Publikum hinter seinem Tor will den Ball hinter der Linie gesehen haben (7). Schämer wird an der Seitenlinie verarztet (9.—11.), kommt mit bandagiertem Knöchel wieder ins Feld. Derweil jagte Geiger den Ball über die Latte (11.).

Das 0:2: Kreß läuft durch, wird von Grutsch und Schäfer in die Zange genommen und von Schäfer zu Fall gebracht. Elfmeter! Stinka verwandelt ihn sicher (14.).

Lindner wird hinter dem Tor verarztet (21.).


Loy klärt vor Schlagowski

Das 1:2: Eisenhofer rettet vor Kreß durch Fußabwehr, den Gegenstoß fädelt Geiger ein, spielt den Ball hinüber zu Hoffmann, dessen Schuß Loy aus den Händen und ins Tor springt (24.).

Stinka spielt Solz an, der lenkt den Ball zum freistehenden Stein weiter, doch dessen Schuß geht neben das Tor (26). Eisenhofer fängt einen Kreß-Schuß im Sprung, im Gegenzug hätte ein Mißverständnis zwischen Lutz und Loy fast zu einem Selbsttor geführt (27.). Buchenau zieht einen Freistoß über die Eintracht-Mauer, Loy kann den Ball neben den Pfosten drehen (29.).

Das 1:3: Kreß treibt den Ball bis fast an die Torauslinie, seine Flanke segelt über Steins Kopf hinweg, erreicht jedoch Schämer. Schämers Schuß prallt von Stein ins FSV-Tor (35.).

Das 2:3: Der FSV hat Anstoß, Geiger leitet den Ball zu Schlagowski, erhält auf Zuruf den Ball zurück und sieht seinen Schuß durch Loys Beine ins Tor fliegen (46.).

Höfer sperrt Schlagowski. Indirekter Freistoß. Buchenau zieht den Ball zu Hoffmann hinüber, dessen Schuß landet an der Außenseite des Pfostens (48.). Eisenhofer fängt einen Rückzieher von Solz (49.). Geiger wird von Lutz zu Fall gebracht. Elfmeter. Loy ahnt Buchenaus Richtung, löst sich rechtzeitig von der Linie und lenkt den Ball neben das Tor (53.). Grutsch stürzt über Solz, ist für einen Augenblick groggy (56.).

Das 2:4: Grutsch foult Stein. Wieder Elfmeter. Lutz schiebt den Ball für Eisenhofer unerreichbar ins Tor (57.).

Das Tempo läßt nach. Bei einer Rückgabe Höfers kommt Nauheimer an den Ball, Lutz rettet auf Kosten einer Ecke — und die Eintracht muß gleich noch einen zweiten Eckball überstehen (73.).

Schämer schießt mit aller Kraft. Eisenhofer muß nachgreifen (77.). H. K.


Rund ums Derby

Das Oval des Bornheimer Hangs lag in der Märzensonne wie ein Traumschiff, das bis an den Rand gefüllt den Ferienseligkeiten entgegensegelt. Unversehens verdunstete die Derby-Salzsäure, die sich in der Woche vorher angesammelt hatte und es blieb nichts als Friedfertigkeit und eitel Wohlgefallen. Die linden Lüfte waren erwacht. Selbst drei Elfmeter-Blitze aus heiterem Himmel konnten kein Feuer entfachen. Das Derby der harten Konsequenzen ging spätestens nach einer halben Stunde in das Derby des gutnachbarlichen Einvernehmens über.

*

Im Reservespiel erreichte die gegenseitige Toleranz ein derartiges Ausmaß, daß es die Bornheimer widerspruchslos über sich ergehen ließen, als ihnen die Riederwälder nach dem Wechsel vier Minuten lang mit zwölf Mann auf den Leib rückten. Erst dann merkte Linksaußen Meyer, daß er zuviel an Bord war und verkroch sich eilends unter der Brause.

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Die ersten Zuschauer kamen zwei Stunden vor Beginn. Die letzten entfernten sich zwei Stunden nach Schluß. Vor Beginn ging es um die guten Plätze. Der glänzende Besuch des Stehkonvents, der nach dem Abpfiff bis in die Dunkelheit hinein, hinter der Tribüne tagte, läßt sich nicht ganz so einfach erklären. Aber wer weiß, wenn man wieder einmal so gemütlich zusammenkommt. L. Dotzert


Die Geste

Es war eine Geste, die rauschenden Beifall fand: Als Werner Niebel von seinem Vereinspräsidenten für sein 500. Spiel einen Blumenstrauß mit einem blauschwarzen Band erhalten hatte, löste sich Eintracht-Kapitän Hans Weilbächer aus der Eintrachtreihe, klopfte dem Jubilar auf die Schulter und übergab ihm einen Nelkenstrauß. Mit rotweißem Band, wie konnte es anders sein.

Die Platzordner hatten eine Weile alle Hände voll zu tun, um die herandrängende Jugend — aus Begeisterung und wegen der Ueberfüllung — von der Auslinie fernzuhalten. Aber die Jugend ließ sich zurückdrängen und war manierlich. Es gibt nicht nur die sogenannten Halbstarken.

Während der Pause flanierte groß und klein wie auf dem Corso einer italienischen Stadt. Ein Teil der Jugend wechselte zum künftigen FSV-Tor hinüber, man traute der Eintracht mehr zu. Die Aufregung unter einigen Zuschauern war groß, doch der Aufgeregteste war Bubi Armbruster. Soo aufgeregt war er damals, als er selbst spielte, nie.

Das Bonmot des Derbys fiel kurz vor der Pause: Meinte ein Zuschauer erbost: „Warum spielt der Hammann nicht ab?" Erhielt der den Zuruf: „Geh runner und frag ihn!" hk (aus 'Der neue Sport' vom 06.03.1961)

 

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