Eintracht Frankfurt - Karlsruher SC

Süddeutscher Pokal 1960 - Finale

1:2 (0:1)

Termin: 30.07.1960 in Mannheim
Zuschauer: 22.000
Schiedsrichter: Fischer (Augsburg)
Tore: 1:0 Wischnowsky (30.), 2:0 Ruppenstein (74.), 2:1 Hans Weilbächer (80.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Karlsruher SC

 


  • Paul
  • Dimmel
  • Schwall
  • Ruppenstein
  • Witlatschil
  • Szymaniak
  • Reitgaßl
  • Herrmann
  • Wischnowsky
  • Späth
  • Schmitt

 

Trainer Trainer
  • Edmund Frühwirth

 

Die seltsamen Tore von Mannheim

Ludwig Dotzert berichtet vom süddeutschen Pokalspiel

Karlsruher SC — Eintracht Frankfurt 2:1 (1:0)

Wenn ein Lehrer den ersten Tag nach den großen Ferien mit einer Klassenarbeit in höherer Mathematik beginnen würde, dann wäre er höchstwahrscheinlich nicht recht bei Trost. Es liegt uns fern, ähnliches von denen anzunehmen, die der Frankfurter Eintracht und dem Karlsruher SC, noch ehe die Saison richtig anfing, eine Klassenarbeit in höherem Fußball zumuteten. Im Endeffekt jedoch kam's auf dasselbe heraus. Trotz redlichen Bemühens auf beiden Seiten wurde im wesentlichen nur halbgares Zeug produziert. Die Karlsruher gewannen nicht unverdient. Aber im umgekehrten Falle hätte man von der Eintracht mit dem gleichen guten Gewissen das gleiche behaupten können.

Die Karlsruher gewannen vor allem deshalb nicht unverdient, weil ihnen mit dem zweiten entscheidenden Treffer ein Tor gelang, das es eigentlich nur in der Theorie gibt. Ueber Stationen — wer hat mitgezählt? — flitzte die Lederkugel von einer Strafraumgrenze bis an die andere, wo Ruppenstein bereitstand, um einen seiner enormen Wuchtschüsse zwischen die Pfosten zu schmettern. Solche Tore fallen sonst nur in der Spielersitzung am Schwarzen Brett. Dafür war das 1:0 für den KSC freilich ein wahres Unikum. Torhüter Loy ließ den zu dieser Zeit noch pulvertrockenen Ball beim Versuch, eine Herrmann-Flanke abzufangen, durch die Hände rutschen, und Wyschnowski brauchte sich nur elegant zu verbeugen, um mit der Stirn die letzten Formalitäten zu erledigen.

So widersprüchlich wie diese beiden Tore war das ganze Karlsruher Spiel. In den meisten Fällen schlichen die KSC-Stürmer um die Eintrachtabwehr herum wie die Katze um den heißen Brei. Loy brauchte bisweilen zehn Minuten lang überhaupt nicht in Aktion zu treten; es sei denn, eine der lebensgefährlichen Rückgaben Eigenbrodts machte ihm zu schaffen. Plötzlich jedoch, für einige kurze Sekunden, lagen die Karlsruher Mann für Mann auf der gleichen Wellenlänge und schon funkte es auch, daß die Riederwälder stumm und starr in die Röhre sahen.

Ein anhaltendes Karlsruher Uebergewicht ließ sich allerdings nur erkennen, wenn man die Arbeit der Außenläufer verglich. Szymaniak täuschte zwar mehr vor, als er wirklich leistete, und Ruppenstein kam erst sehr spät in Schwung; aber die beiden befanden sich jedoch wenigstens stets in der Partie. Von den Außenläufern der Eintracht dagegen sah man vor der Pause nur dann etwas, wenn es im eigenen Strafraum irgendwelche Notsignale zu beseitigen galt. Alles übrige rauschte an Weilbächer und Schymik vorbei. Bis etwa zwanzig Minuten vor Schluß blieben sie Nebenfiguren, gleichgültig ob die Eintracht oder ob ihr Gegner marschierte. Daß Lindner seinen mißmutigen Tag hatte und nach dem Wechsel vor den rauhen Sliding Tacklings des Szymaniak nach Linksaußen flüchtete, hatte gerade noch gefehlt. Selbst wenn die Riederwälder auf der Siegerstraße schienen, und das war mindestens eine halbe Stunde lang nach dem Anpfiff, selbst dann hatte ihr Spiel etwas Unordentliches. Es fehlte an Konzentration. Es fehlte an Alfred Pfaff, an einem austrainierten Alfred Pfaff freilich, den es im Augenblick noch nicht gibt. Es fehlten die großen Bögen, die das Eintrachtspiel bisweilen unwiderstehlich machen. Dennoch kein Wort des Vorwurfs! Der Kaltstart in die Saison konnte nicht ohne Stockungen abgehen.

Um so erstaunlicher unter diesen Umständen, daß mindestens drei, mit Einschränkungen sogar vier, fünf Riederwälder sofort auf vollen Touren liefen. Erwin Stein, offenbar fest entschlossen, sich durch nichts, aber gar nichts noch einmal kleinkriegen zu lassen, fegte los wie ein Oktoberwind, lieferte dem vielleicht stärksten Karlsruher, dem Stopper Witlatschil, dröhnende Zweikämpfe, drehte sich mehrmals an ihm vorbei, traf bei einer dieser Gelegenheiten schon im Anfangsstadium des Spiels den Pfosten und — kam vor lauter Tatendrang nur wenig zum Schuß. Aber das war auch das einzige, was den verheißungsvollen Eindruck schmälerte. Fast nur Gutes läßt sich auch von Linksaußen Schämer berichten, der in diesem Treffen der renommierten Außenstürmer Männern wie Kreß, Reitgaßl und Schmidt unverkennbar den Rang ablief. Schämer lief, dribbelte, paßte, flankte, schoß stets an der richtigen Stelle und entwickelte dabei eine Präzision, die ihn deutlich von seiner Umgebung abhob. Voll da war von der ersten Minute an auch Stift Höfer, der nur später auf nassem Rasen etwas in Schwierigkeiten geriet. Annähernd voll da waren Kreß und Eigenbrodt. (Nur, wenn ich Loy wäre, dann müßte mir das Hänschen Eigenbrodt mindestens drei Biere bezahlen. Hänschens Rückgaben muteten an wie Attentate auf den eigenen Tormann). Mehr kann man für den Anfang kaum verlangen.

Gegen Schluß kam dann sogar Weilbächer. Durch einen Kraftschuß unter den Dachstuhl aus gut zwanzig Metern brachte er die Eintracht noch einmal in die Nähe des Unentschiedens.

Das Unentschieden schien da, als kurz danach auch Lindner ein heftiges Lebenszeichen von sich gab und die durchnäßte, schwere Kugel mit ähnlicher Wucht auf die rechte untere Ecke schickte. Doch Karlsruhes neuer Tormann Paul klappte herunter wie ein Taschenmesser und hielt. Ueberhaupt, ein toller Fang, dieser Paul! Die Karlsruher haben wieder einmal prächtig eingekauft. (aus 'Der neue Sport' vom 01.08.1960)

 

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