Eintracht Frankfurt - FC Santos |
Freundschaftsspiel 1959/60
2:4 (2:1)
Termin: 14.06.1960, Flutlichtspiel im Stadion
Zuschauer: 45.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 1:0 Erwin Stein (22.), 2:0 Erwin Stein (24.), 2:1 Zito (35.), 2:2 Pele (63.), 2:3 Zito (71.), 2:4 Mengalvio (79.)
Eintracht Frankfurt | FC Santos |
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Trainer | Trainer
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Eine Niederlage und doch ein Sieg Santos besitzt Reals Klasse / Steins unnachahmliche Tore /
Pfaffs Stern strahlte eine Stunde Sonderbericht des „Neuen Sport" mit Beiträgen von Erich Wich, Bert Merz, Horst Kickhefel Mit 2:4 Toren unterlag die Frankfurter Eintracht in ihrem letzten Heimspiel, einem oft phantastisch schönen Spiel dem Santos FC vor 45.000 Menschen im Frankfurter Stadion. Es war eine Niederlage und doch ein Sieg. Ein Sieg über die Frankfurter Zuschauer, die sich schon lange nicht mehr für Freundschaftsspiele interessiert hatten und hier den Wagemut eines Vereins belohnten, der immerhin dem Vermittler Ukrainczyk bare 35.000 DM zugesagt hatte. Ein Sieg aber auch über die Meinung, daß die brasilianische Fußballkunst von einer deutschen Mannschaft weder aufgehalten noch kopiert werden könne. Es gab genug Eintrachtlerisches, was brasilianisch war. Die Tiraden von Kreß in der ersten Halbzeit, die Pfaffschen Vorlagen und sein traumhaft schöner Freistoß, die zwei Torschüsse Steins, die wie Pflastersteine ins Netz einbrachen, und mancher Kombinationsvorgang. Die Frage, die die schwierigste ist, zu beantworten, ist keine Kleinigkeit: Wie kam es, daß die Eintracht noch verlor, nachdem sie eine 2:0-Führung gehabt hatte? Ich sehe da zwei Ursachen; die eine lag vielleicht in der übertriebenen Vorsicht begründet, den anfangs so tatendurstigen Solz an die Deckung zu binden, so daß Richard Kreß plötzlich von den hinteren Verbindungen abgeschnitten war. Doch geben wir zu, daß es jetzt leicht ist, so zu reden. Wenn die Eintracht frei weiter gestürmt wäre und es ähnlich gekommen wäre, dann hätte man wahrscheinlich gefragt warum man nach dem 2:0 nicht „gesichert" hätte... Der andere Grund war der, daß die Eintracht, ich möchte sagen nach Monaten, zum erstenmal wieder eine genaue Manndeckung betrieb. Das verdarb den Brasilianern zunächst das Konzept, aber da sie auch die letzten Fertigkeiten und Täuschungsmanöver besitzen, zerrieben sie allmählich die Frankfurter Abwehr, nahmen ihr die Luft und mußten schließlich bei geringerem Widerstand auf ihre Torquote kommen. Paul Oßwald hat jetzt den umgekehrten Versuch gemacht wie in Glasgow, als er gegen die Ballkünstler von Real Madrid Raumdeckung vorschrieb. Beides mißlang — mußte mißlingen, weil Real Madrid durch seine zusammengekauften Stars und Santos durch seine Naturbegabungen immer noch ein Plus an Geschmeidigkeit, Leichtigkeit des Spiels und Improvisationskunst besitzen. Wir finden es eher erstaunlich, daß die Frankfurter wenigstens zeitweise an diese Supermannschaften herankommen. Was wir auch zu erwähnen haben, ist die Schlägerei in der zweiten Halbzeit. Santos, so erfuhren wir, fühlte sich vom Schiedsrichter benachteiligt, vor allem wegen eines nicht gegebenen Elfmeters, und in Südamerika schäumen die Leidenschaften schneller über als anderswo. So auch, wenn man im Frankfurter Stadion zu Gast ist. Nachher verdufteten die kaffeebraunen Gäste sehr schnell in ihr Hotel, weil es ihnen selber peinlich war. Sie finden das alles nicht so tragisch, aber sie wissen, daß man in Deutschland so eine „Eishockeyszene" leicht in die falsche Kehle bekommt. Deshalb der erlösende Satz eines ihrer Begleiter: „Die beste Entscheidung des Schiedsrichters war, daß er das Spiel nach dem Zusammenstoß nicht abbrach!" Erich Wick Beifall für den Gast Giesemann Irgendwann, irgendwo werden die Frankfurter später wieder von diesem Santos-Spiel sprechen. Es gehört zu jenen Spielen, die nach einer Zeit immer noch nicht weggewischt sind. Ich möchte sagen, daß diese Brasilianer-Truppe von der Klasse, aber nicht von der Art Real Madrids war. Ihre Stars waren Pele und Zito aus der 58er Weltmeisterelf, die sich nach über ihre kaum schwächeren Kollegen hinaushoben. Ein Linksaußen wie Pepe, ein Mittelstürmer wie Coutinho (17 Jahre) begegnet der Eintrachtelf nicht immer. Mauro war der große Mann in der Deckung, die auch hart einzusteigen verstand (Zecarlos), wenn die Riederwälder Stürmer anmarschierten. Bei der Eintracht waren die vier fehlenden Leute, Stinka, Weilbächer, Höfer und Lindner, keineswegs schlecht ersetzt. Zu den jungen Kräften Herbert, Solz und Schämer kam noch der Gastspieler Giesemann von Bayern München, der seine große Begabung als linker Läufer zeigte und viel Beifall erhielt. Vielleicht wäre auch nach der Pause das Angriffsspiel im Fluß geblieben, wenn man nicht für den spielverständigen Schämer Meier hereingeholt hätte, der nur auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Meier stand zu oft hinter dem Mann und verschoß einmal wieder eine dicke Chance, bei der wenige Meter daneben Stein viel günstiger stand. Der Eintracht-Mittelstürmer hatte vorher zwei Bälle in einer Art ins Netz gesetzt, die ihm eben niemand nachmacht. Solange er nicht als vorderste Spitze bei den Gegenstößen der Eintracht in der Uebermacht der Santos-Abwehr unterging, war Stein mit der Beste im Sturm. Alfred Pfaffs Stern strahlte eine Stunde, bis er dann durch eine Verletzung gehemmt war. Kreß bildete mit Solz ein Paar, das den Brasilianern zu schaffen machte. Die Eintracht-Abwehr spielte mit ihrer Mann-Deckung weit erfolgreicher als seinerzeit gegen Real und bremste die dunkelhäutigen Santos-Leute bis zum 2:2 ziemlich erfolgreich. Nur ein Zito-Weitschuß war ihr vorher durch die Lappen gegangen. Später ließen die Kräfte bei dem großen Laufpensum nach, und das Glück war beim dritten Treffer, Zitos Weitschuß, der abgelenkt wurde, eben mit den Gästen. So verdient die Brasilianer dieses großartige Fußballspiel gewannen, das Gefühl einer imponierenden Eintracht-Leistung verbleibt auch nach dieser Serenade in Kaffeebraun, die schließlich erst in den letzten 19 Minuten zugunsten der Männer aus dem fernen Erdteil entschieden \yurde. Wer weiß, wie es gekommen wäre, wenn Steins Schuß aus nächster Nähe nicht abgeprallt oder Pfaffs Freistoß eingeschlagen hätte. Eine Minute nach dem 2:0 traf Schämer die Latte! Wie schwer der Santos FC um diesen Sieg kämpfen mußte, gehört mit zu den Eindrücken, die man von dieser Partie so schnell nicht vergißt. Bert Merz
Auf der Pressetribüne Ein neuer Weltrekord wurde aufgestellt; aber nur die Gäste auf der Ehrentribüne erlebten ihn mit: ein Rundfunkkollege aus Santos sprach neunzig Minuten aufs Tonband. Sprach? Feuerte eine Maschinengewehrsalve von Vokalen und Konsonanten ins Mikrofon. Pausenlos. Nur zweimal verschlug es ihm die Sprache. Beim 1:0 der Eintracht für fünf Sekunden, beim 2:0 der Eintracht für zwölf Sekunden. Der Mund bildete nur noch ein riesiges O — kein Laut entfleuchte der Kehle. Aber nur für zwölf Sekunden. Dann setzte das Maschinengewehrfeuer wieder ein. Auf der zweiten Bankreihe der Ehrentribüne saß eine Katze. Eine brasilianische Katze. Dunkelhaarig, zweibeinig, hochhackig. Diese Katze miaute, daß man glaubte, man höre eine chinesische Oper. Sie miaute vor Freude — und allmählich wurde es mir klar, daß es sich um eine Dame handelte, die freudig erregt, „Hoi, Santos" rief. Eine Dame aus Santos. Aber der Radioreporter war unschlagbar. Als Zito einen Freistoß aufs Eintrachttor schlug, prasselte nur ein Brrrrrr aus der Rundfunkkabine. Gut, daß der Loy dieses Brrrrrr nicht gehört hatte, es hätte ihn glatt umgehauen. So erwischte er den Ball. Wachte in der Nacht schweißgebadet auf: hatte geträumt, ich sollte für Radio Santos ein Spiel übertragen. War nur ein Traum. Ich atmete auf — bei der Konkurrenz! Horst Kickhefel Schämers Schuß an die Latte Die erste Spielhälfte stand im Zeichen der Eintracht, die ihren ersten Sonderbeifall erhielt als Pfaff Pele den Ball abnahm (3.). Ein Zusammenspiel Pele—Pepe—Coutinho führte zu einem Tor, aber Coutinho war abseits gewesen, so daß Handwerker diesen Treffer nicht anerkannte (19,). Solz schickte eine Steilvorlage zu Stein, der sich freie Bahn schaffte und zum 1:0 einschoß (22.). Zwei Minuten später verwandelte Stein eine Flanke Schämers zum 2:0 (24.). Ein Flankenschuß Schämers tanzte auf der Querlatte, das hätte das 3:0 sein können (26.). Loy faustete einen Schuß Zitos über, die Latte, doch Handwerker hatte schon auf Abseits erkannt (28.). Mit Spreizschritt rettete Giesemann vor Pele zur Ecke (32.). Ein sagenhafter Flachschuß Zitos schlug unerreichbar für Loy im Eintrachttor ein (2:1, 35.). Irno fing einen Schuß Giesemanns (42.), und Handwerker pfiff die erste Spielhälfte drei Minuten zu früh ab. Die Eintracht hatte nach der Pause Meier für Schämer aufgestellt, bei Santos spielte von der 66. Minute an Sormani für Dorvat. Ein Zuspiel des Verteidigers Zecarios köpfte Pele über die Latte (48.). Pfaff hob von der Eckfahne her einen Freistoß vor das Tor, der Ball wurde abgewehrt, Herberts Nachschuß ging neben das Tor (51). Formiga köpfte einen Schuß Pfaffs weg, Meiers Nachschuß verfehlte das Tor (54.). Zito setzte Coutinho ein, dessen Schuß hielt Loy (61.). Und dann erlebte man ein echt südamerikanisches Tor: Loy wehrte einen Schuß ab, mit dem Rücken zum Tor stehend schlug Pele den Ball mit einem Fallrückzieher genau in die Torecke (2:2, 63.). Glückselig hingen drei Brasilianer im Tornetz. Meier spielte Stein an, dessen Kopfball nahm Zito wie ein Harlem Globetrotter mit der Hand, so blitzschnell, daß für einen Augenblick niemand wußte, wo der Ball war (67.). Zito schlug einen Freistoß aufs Tor, der Ball wurde abgelenkt, und Loy war geschlagen (2:3, 71.). Pfaff zog einen Freistoß an der Mauer und am Tor vorbei. (72.). Und wieder wurde es südamerikanisch. Zecarios foulte Kreß, Solz rächte Kreß, und Zecarios lag am Boden (76.). Wie ein Mann erhoben sich die zehn Ersatzspieler von der Santosbank und liefen über das Feld. Das verananlaßte Zuschauer, über die Barriere zu springen. Ein Menschenknäuel entstand, und in diesem Knäuel sah man, wie Sormani Lutz in den Allerwertesten trat. Handwerker hatte es auch gesehen: Platzverweis für Sormani. Nach drei Minuten hatten Ordner und Polizei die Ruhe wieder hergestellt; das Spiel konnte weitergehen. Zecarios humpelte vom Platz. Ein Zuspiel Peles erreichte den freistehenden Mengalvio, dessen Schrägschuß sprang vom Pfosten ins Tor (2:4, 79.). Horst Kickhefel (aus 'Der neue Sport' vom 20.06.1960)
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