Wetterfest müßte man sein
Eintracht Frankfurt - Wiener SC (um den Europacup) 2:1 (1:0)
Kritische Betrachtung für den „Neuen
Sport" von Ludwig Dotzert
Wer unter den verschärften und für
die Eintracht ungewohnten Bedingungen dieser internationalen Spitz-auf-Knopf-Entscheidung
bestehen wollte, durfte nicht zimperlich sein. Jeder einzelne Riederwälder
mußte sich hier auf erheblich erhöhte Härtegrade und
Durchschnittsgeschwindigkeiten umstellen, und daran vor allem lag es
wohl, daß sich die Rangordnung innerhalb des Eintrachtteams, wie
sie der Oberliga-Stammkunde kennt, alsbald seltsam verschob und verzerrte.
Die stoß- und wetterfesten Athleten führten das Kommando.
Ueber die sensiblen Männer mit dem Artistenblut rauschten die Ereignisse
dagegen mit zunehmender Zeit immer stürmischer hinweg.
Nicht
Pfaff, der sich zudem bald mit einer Zerrung plagte, und Lindner waren
also die großen Riederwälder, die das Angriffsspiel nach
ihrem Kopf aufziehen konnten, sondern alles Gute kam von den kernigen
Gestalten eines Meier, eines Weilbächer und eines Kress. Meiers
reißende Spurts und giftige Präzisionsschüsse waren
das Verblüffendste überhaupt an diesem fremdartig wirkenden
Eintrachtsturm. Kaum ein von Meier abgefeuerter Ball, den der sonst
so griffsichere Wiener Tormann Bogner festhielt. Meier lieferte für
die Eintracht die Linksaußen-Partie des Jahres.
Ihm am nächsten an Wirkung kam Weilbächer,
der allerdings nach einer Stunde unablässigen Umhertobens nicht
mehr die Frische und Ursprünglichkeit besaß, auf denen seine
Erfolge als Stürmer in erster Linie beruhen. Eine Stunde lang jedoch
rumorte, schleppte und stemmte er, daß seinen Gegnern bisweilen
Hören und Sehen zu vergehen schien. Nur war das, was er da vorführte,
eher ein saftiges Halbstürmerspiel a la Morlock als die Erfüllung
einer Mittelstürmer-Aufgabe. Die Explosionen des Richard Kress
verloren ihre Durchschlagskraft noch etwas früher; denn nach der
Pause kannte ihn sein Bewacher Hasenkopf in- und auswendig. Aber vorher
trieb Kress manchen verheißungsvollen Keil in die Wiener Abwehr.
Die Athletenfußballer machten auch in der Riederwälder
Abwehr den größten Eindruck. Per Dribbling war an Lutz und
Höfer , der sich die mangelnde Spielpraxis der letzten acht Wochen
nur selten anmerken ließ, kaum vorbeizukommen, höchstens
mit ellenlangen Kombinationstüfteleien, die beim geringsten Fehler
von selbst in sich zusammenfielen. In großem Stil hütete
Loy sein Tor. Die Robusten, Muskulösen und Unkomplizierten dominierten
an allen Ecken und Kanten.
Aber auch diese Regel hatte ihre Ausnahmen. Zwischen
den Erzengeln der Riederwälder feierte einer von der Sorte der
Milchgesichter die Nacht seiner Nächte: Dieter Stinka. Er konnte
am Ball mindestens so viel wie der gewandteste Wiener, tänzelte
leichtfüßig über den halben Platz, nahm jeden Zweikampf
an und blieb bis zum Schlußpfiff ohne jede Ermüdungserscheinung.
Bei der anderen Ausnahme handelt es sich um Bechtold, der sein Pensum
abermals mit der Gewissenhaftigkeit eines langjährigen Beamten
erledigte. Seit Horvat hatte die Eintracht keinen solideren Stopper.
Die
Wiener ließen die Kugel eine volle Halbzeit lang im Kreis herumlaufen,
als führten sie ein historisches Fußballfestspiel auf. Nur
der Stürmerhüne Hamerl suchte im Siebenmeilenstiefel-Laufstil
bisweilen den graden Weg zum Tor und verbreitete um so mehr Angst und
Schrecken, als Schymik neunzig Minuten lang keine Einstellung zu diesem
Gegner fand. Nach dem Wechsel straffte sich zwar der Zuschnitt des Wiener
Angriffspiels erheblich; aber zu früh mauerte sich dann der österreichische
Meister in der 1:2-Stellung ein. Nur noch undeutlich hoben sich Knoll,
der den angeschlagenen Oslansky als Außenläufer ablöste,
Stopper Büllwatsch, Hasenkopf und Tormann Bogner von der stoisch
verteidigenden Masse ab. Erst das Rückspiel in Wien kann zeigen,
was wirklich in dieser Mannschaft steckt.
Hinter den Toren hergerannt
Eine Gesamtwürdigung des Stadionspiels
von Bert Mertz
Die Eintracht geht mit einem Ein-Tor-Vorsprung in das
Wiener Rückspiel am 16. März. Sie hätte nach der Partie
am Donnerstagabend im Frankfurter Stadion gut drei Tore voraus haben
können. Was sich vor den 45.000 Zuschauern unter Flutlicht im strömenden
Regen abspielte, war ein dramatisches Schauspiel, ein verzweifeltes
Bemühen um einen klaren Sieg des deutschen Meisters, der dem österreichischen
Meister der vergangenen Jahre viel überlegener war, als dieses
knappe 2:1 überhaupt ausdrücken kann.
Die Zuschauer gingen nachdenklich vom Platz. Die einen
geben der Eintracht für das Wiener Spiel gute Chancen, die anderen
aber heben warnend den Finger. Der Wiener SC im eigenen Land kann ein
ganz anderer sein. Kann! Als wir am Vorabend mit dem WSC-Präsidenten
Rautenstrauch zusammensaßen und seine „Wiener G'schichten"
hörten, wurde einem angst und bange. Angst vor allem um Adolf Bechtold,
den Eintrachtstopper, der schließlich erst wieder durch Höfers
Sperre zu Amt und würden gekommen war. Hof, den direkten Gegner
Bechtolds, bezeichnete Rautenstrauch als den derzeit besten Fußballer
Oesterreichs. Wenn er es sein sollte, dann noch einmal: Bravo, Bechtold.
Nach
dem Spiel bezeichnete der Präsident aus Wien das Resultat als das
günstigste für den Rückkampf. Dabei dachte er aber wohl
mehr an den finanziellen Erfolg, der damit gesichert ist. Die Wiener
in seiner Begleitung glauben, daß zu Hause alles viel besser läuft.
Daß es schwer werden dürfte, mit zwei Toren Differenz zu
siegen und in die nächste Runde des Pokals zu schlüpfen, gaben
sie aber unumwunden zu. Die Eintracht-Deckung hätte den Gästen
doch Respekt abgerungen.
Die Hintermannschaft der Eintracht war in diesem Spiel
der Teil, der die Richtung bestimmte. Diese führte fast ausschließlich
zum Wiener Tor. Die Abwehr war der Garant, daß sich dem Angriff
Chancen in Hülle und Fülle boten. Ein guter „Abstauber"
hätte vermutlich ein Fest gefeiert wie nur alle paar Jahre einmal.
Was waren da noch Möglichkeiten, dem Kopfball von Lindner und dem
Tor von Meier, das zudem noch aus abseitsverdächtiger Situation
fiel, weitere Erfolge anzuhängen. Ein Schuß, der den tollen
Bogner (Ersatzhüter für Szanwald) schon passiert hatte, wurde
von Büllwatsch noch aus dem Tor geschlagen, ein Ball Meiers flog
vom Kopf eines Wieners an die Querlatte, ein halbes Dutzendmal lag der
Ball zwischen Elfmeterpunkt und Torlinie. Aber die Eintrachtstürmer
waren keine Zauberer. Sie kämpften gegen die Minuten und gegen
eine Mannschaft, die sich einigelte. Es schien, als ob die Frankfurter
Elf zeitweise mit Fortuna auf dem Kriegsfuß stände.
Die Wiener hatten mehr Glück. Sogar das Glück,
daß ein Eckball von Skerlan unberührt ins Netz schlug. Für
sie war das 1:2 fast ein Sieg. Wenigstens bis zum 16. März abends
scheint das so. (aus 'Der neue Sport' vom 07.03.1960)
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