Stuttgarter Kickers - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1959/60 - 22. Spiel
0:2 (0:0)
Termin: 14.02.1960
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Kandelbinder (Regensburg)
Tore: 0:1 Dieter Lindner (73.), 0:2 Richard Kreß (88.)
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintracht-Kraft bis zum Führungstor Ludwig Dotzert berichtet vom Neckar-Stadion Kickers Stuttgart—Eintracht Frankfurt 0:2 (0:0) Die Kraft der Eintracht reichte in diesem Spiel fast auf die Sekunde genau bis zu dem Augenblick, in dem ihr Führungstreffer fiel. Dieser Führungstreffer fiel in der 73. Minute und war der Schlußeffekt der einzigen Szene des ganzen Spiels, in der die Eintracht die gegnerische Hälfte ohne Energieaufwand überbrückte. Schymik schickte die entscheidende Steilvorlage über gut 30 Meter zu Lindner, der am Elfmeterpunkt genug Zeit fand, um den Ball gestochen scharf in die leere Ecke zu zielen. Kaum war dieses vollbracht, da klappten die Riederwälder zusammen wie eine Wandkarte und sahen sich eine volle Viertelstunde lang in reinen Abwehrkampf verstrickt. Bis zu 20 Spieler ballten sich im Vorfeld ihres Strafraums zusammen. Taumelnde, ausgelaugte, dreckverkrustete Gestalten holten die eisernen Kalorienrationen aus sich heraus, um den heiß erstrittenen Vorsprung zu halten. Schon schien alle Mühe vergebens, als Wahler in unmittelbarer Nähe des Tors mit dem Kopf in Richtung ungedecktes Luftloch visierte, aber der Ball blieb am Pfosten hängen, und der Nachschuß wurde verschlafen. Erst knapp zwei Minuten vor Torschluß war der Sieg endgültig perfekt. Endlich hatten sich die Riederwälder aus der Umklammerung herausgestemmt und wollten eigentlich weiter nichts mehr, als den Ball bis zum Pfiff in Verwahrung halten. Im Verlauf dieser Bemühungen geriet man unversehens in die Nähe der gegenüberliegenden Strafraumgrenze, und plötzlich stupfte sich Kreß an vier Gegnern vorbei in gerader Richtung zu einem Punkt vor, an dem das Torschießen nur noch eine Bagatellsache war. 2:0! Für die Stuttgarter lautete das Gebot der Stunde zum x-ten Male, mindestens einen Punkt holen oder umkommen. Genauso legten sie sich ins Geschirr. Eine eigenwillige Taktik, mit der man die Abwehr verstärkt, ohne den Sturm erheblich zu schwächen, trug das ihre dazu bei, die Situation für die Gegner heillos zu komplizieren. Es war die Taktik mit dem Gummiriegel. Im Normalfall hielt der Kickershalblinke Herr bei dem Eintrachthalbrechten Lindner Wache, so daß Stuttgarts linker Läufer Dünnwald nach eigenem Ermessen schalten und walten durfte. Die Folge davon, daß sich die Riederwälder Stürmer mit vier Läufern herumzukappeln hatten. Folge davon auch, daß sich die Riederwälder Abwehr bei Gegenangriffen stets von einer unheimlichen Gefahr bedroht sah. Herr war nämlich weit mehr als nur ein stupider Deckungsknecht. Sich mit Dünnwald abwechselnd, schnellte er mit langen Schritten immer wieder nach vorn und stiftete Verwirrung. Diese Ueberfälle gelangen zwar nur in geraumen Abständen, aber sie hatten etwas an sich, das den Riederwäldern jedesmal die Haare zu Berge stellte. Nur Loy und Bechtold ließen sich durch nichts ins Boxhorn jagen. Eigenbrodt dagegen wurde von dem schmalen Kellenbenz zunächst fast mühelos passiert, und Lutz goß mit seinen kleinen Leichtsinnsfehlern bisweilen noch Oel ins Feuer. Aber die Riederwälder Verteidiger mußten auch verflixt aufpassen. Beide Außenläufer, Schymik und Stinka, warfen sich von Anfang an mit allem, was in ihnen steckte, auf die Offensive. Mit geradezu selbstmörderischem Eifer ließen sie ihre Hintermänner im Stich und hatten nichts anderes im Kopf, als ihrem Sturm auf die Sprünge zu helfen. Sie kannten keine Bedenken. Diese Unberührtheit hätte anderswo schon zum Untergang der Riederwälder führen können, hier war sie der entscheidende Beitrag zum Riederwälder Sieg. Bereits vor der Pause schlugen die Außenläufer eine klare Ueberlegenheit der Eintracht heraus. Nach dem Wechsel, als die Beine des Abstiegskandidaten schwerer und schwerer wurden, regierten Schymik und Stinka souverän. Niemand störte sie. Stuttgart. drehte sich auf dem toten Punkt, und dieser tote Punkt dauerte nahezu eine halbe Stunde. 28 Minuten lang beschränkten sich die Kickers darauf, mit ihren bleiernen Knochen das eigene Tor zu beschützen. Aber außer Eckbällen und einigen Fernschüssen von Schymik sprang für die Riederwälder wenig heraus. Auch ihre Bewegungen lahmten, als müßten sie Ballast mitschleppen. Lindner und Bäumler, die bis zur Pause die Pläne schmiedeten, spielten sich in die Enge fest. Weilbächer operierte viel zu breitspurig, um durch die schmalen Durchschlüpfe zu finden, Meier scheiterte weniger am Gegner als an seiner eigenen technischen Unzulänglichkeit, und die Attacken des Richard Kreß nützten im Endeffekt nur wenig. Langsam und unaufhaltsam aber wurde trotz aller Riederwälder Mängel der Gegner zermahlen und zermürbt. In der 73. Minute war der Ohnmachtsanfall da. Lindner schoß unbedrängt zum Führungstreffer ein. Was dann kam, war die genaue Umkehrung der Sachlage. Wie mit einem Zauberschlag stand die Situation kopf. Die Eintracht schien am Ende. Die Stuttgarter hatten sich in die anonyme Abwehrmasse, zu der sie nach dem Wechsel zusammenschmolzen, wieder erholt und trommelten zum Endspurt. Nun war die Eintracht an der Reihe, anonyme Abwehrmasse zu sein. Aber nur dreizehn Minuten lang. (aus 'Der neue Sport' vom 15.02.1960) |