Eintracht Frankfurt - Karlsruher
SC |
Oberliga Süd 1959/60 - 15. Spiel
4:1 (2:0)
Termin: 27.12.1959
Zuschauer: 38.000
Schiedsrichter: Fischer (Augsburg)
Tore: 1:0 Dieter Stinka (26.), 2:0 Wolfgang Solz (40.), 3:0 Dieter Lindner (49.), 3:1 Wischnowski (58.), 4:1 Dieter Lindner (68.)
Eintracht Frankfurt | Karlsruher SC |
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Trainer | Trainer
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So ein Tag, so wunderschön wie heute... Eintracht machte Laune Angst-Nervenvitamin der Eintracht Eintracht Frankfurt — Karlsruher SC 4:1 (2:0) Knapp eine halbe Stunde Angst in der ersten und knapp zehn Minuten leichte Unruhe in der zweiten Halbzeit — mehr seelische Unkosten waren für die Eintracht nicht nötig. Aber ohne die Angst hätte sie es nie geschafft. Nur wenn die Eintracht mit einer leichten Gänsehaut auf den Platz läuft, kommt das, was in ihr steckt, zum Durchbruch. Die Angst wirkt wie ein Nerven-Vitamin auf die Riederwälder. Der Durchbruch aller guten Geister war gelungen, als Stinka nach einer mißglückten Abwehr des Karlsruher Torwarts Rudi Fischer mit einer Gewalt unter die Latte schoß, daß nicht nur in ihm, sondern auch in seiner ganzen Umgebung die Knoten platzten. Dieses fulminante 1:0 war der Zauberschlag, der elf Zauderer in elf Draufgänger verwandelte. Jetzt spielten die Riederwälder plötzlich wie immer, wenn es um Großes geht, und die Karlsruher spielten immer, wenn sie zur Eintracht fahren, verzwickt, überzüchtet, ohne jede Stoßkraft der Angriffsspitzen. Die Entwicklung gipfelte in der von vielen ernstzunehmenden Leuten als unmöglich erachteten Situation, daß die Riederwälder Außenläufer Stinka und Weilbächer im Mittelfeld größere Bogen kickten als Süddeutschlands und vielleicht sogar Deutschlands Außenläufer-Paar Nr. 1, Szymaniak und Ruppenstein. Sämtliche Prophezeiungen standen auf einmal kopf. Die Eintracht war selbst an der Stelle stärker als der Spitzenreiter, an der sich dieser Spitzenreiter im Besitze des Nonplusultra wähnte. Falls jemand das Ergebnis als eine Sensation ansieht — der Untergang der Karlsruher Außenläufer war die größere Sensation. Der Schlüssel zu dieser Umkehrung aller gängigen Werte lag dort, wo Richard Kreß und Horst Szymaniak zusammenstießen. Richard brauchte den König der deutschen Fußballer auf wie eine überlastete Batterie. Stück für Stück bröckelte der Riederwälder aus dem Podest heraus, auf dem Szymmi thronte, und als Kreß gegen Ende an Szymmi vorbeizog und der zermürbte Nationalspieler nur ein resigniertes Abwinken für seinen Bezwinger übrig hatte, da sah's aus, als ob der Karlsruher den technischen k. o. anmeldete. Kreß bohrte genau das aus dem KSC-Gebäude heraus, was dieses Gebäude im Laufe des letzten Jahres an Schönheit und Zweckmäßigkeit hinzugewann. Bereits vor der Pause leistete es sich der getreue Eckehardt im Eintracht-Sturm, seinen Widerpart laufen zu lassen und selbst loszuschlagen. Das 2:0 konnte nicht mehr fern sein. Es fiel, als sich ein Freistoß des Alfred Pfaff so raffiniert an der Karlsruher Abwehr vorbeibog, daß der quer in der Luft liegende Solz den Ball mit dem Kopf zuerst erreichte. Im „langen Eck" fand sich das Leder wieder. Schade, daß den Riederwäldern die Pause dazwischenkam. Jetzt spielten sie am riederwälderischsten: schmucklos und glanzvoll zugleich. Drei Explosionen und die Chance war da. Stein, wesentlich gelöster als bisher, ließ aus fünfundzwanzig Metern seinen besten Schuß seit Wochen los und Rudi Fischer verdankte es offenbar nur seinen langen Fingernägeln, daß er diesen Schuß gerade noch um den Pfosten drücken konnte. Stinka stürzte sich mit der Wucht des Weilbächer in den Zweikampf und Weilbächer operierte zeitweilig mit dem technischen Schliff des Stinka. Riederwalds Außenläufer, stiegen geradezu sprunghaft aus der Versenkung. Noch auffälliger jedoch war der Aufschwung des Linksaußen, Solz, der mit einer Unverfrorenheit in den Strafraum des Gegners eindrang, daß der Karlsruher Abwehr der Atem stockte. Im Spiel gegen den KSC reifte Solz zum Stammspieler der Riederwälder. Nach Kreß und den beiden Außenläufern spielte er die tragende Rolle. Wenn jetzt noch Pfaff...! Wenn jetzt noch Lindner...! Obwohl man die Gehirnwindungen im Kopf des Alfred Pfaff förmlich knacken hörte, wenn er den Ball führte, es kam selten etwas Außergewöhnliches heraus. Und Dieter Lindner wirkte bis in die zweite Halbzeit hinein beinahe desinteressiert. Erst als ihm Erwin Stein zwei versandfertige Sachen auf den Fuß legte, die prompt zum dritten und vierten Treffer, der Eintracht ins Karlsruher Netz flogen, wurde Lindner allmählich wach. Wenn...! Aber alles auf einmal kann niemand haben. Nur in der ersten Viertelstunde trat der KSC wie ein würdiger Herbstmeister auf. Da ahnte man, in welcher Gefahr ein Gegner schwebt, der von dieser Mannschaft belagert wird. Späth, Herrmann und Wischnowski, der unheimlichste von allen, sind die geborenen Puzzlespieler. Dreimal stand Wischnowski vor dem Führungstreffer. Aber der Zauber war bald verflogen. Dieses Innentrio kann eine Abwehr auseinanderposamentieren. Aber es kann keine Abwehr einreißen. Als die Eintracht sich aus der Defensive herausgestemmt hatte, als die Wege zum Tor für Herrmann, Späth und Wischnowski länger wurden, konnte der KSC der Eintrachtabwehr nichts mehr anhaben. Hinzu kam, daß Ruppenstein vorübergehend und Thermath vorübergehend ins Humpeln gerieten und einschneidende Umgruppierungen an der Besetzung des Spitzenreiters notwendig wurden. Aber da war das Spiel für ihn schon verloren. Wischnowskis Treffer beim Stande von 3:0 für die Eintracht trug lediglich dazu bei, die Spannung wachzuhalten. An dem Tatbestand änderte er nichts mehr. Nach einer kurzen späten Scheinblüte welkten die Karlsruher endgültig dahin. Ein Lattenbrecher von Weilbächer dröhnte ihnen noch beim Gang zu den Kabinen in den Ohren. Falls sich diese Form konservieren ließe, wäre die Eintracht wiederum hoher Favorit für die süddeutsche Meisterschaft. Aber wer impft ihr in den Spielen gegen die Kleinen jene heilsame Angst ein, die den Fuß der Riederwälder beflügelt. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 28.12.1959)
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