Eintracht Frankfurt - SSV Reutlingen |
Oberliga Süd 1959/60 - 13. Spiel
2:2 (2:1)
Termin: 05.12.1959
Zuschauer: 3.500
Schiedsrichter: Riegg (Augsburg)
Tore: 1:0 Dieter Lindner (6.), 2:0 Erich Bäumler (8.), 2:1 Sattler (28.), 2:2 Gernhardt (61.)
Eintracht Frankfurt | SSV Reutlingen |
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Trainer | Trainer
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Klassische Elfmeterscheu Bert Merz berichtet aus dem Stadion Eintracht Frankfurt — SSV Reutlingen 2:2 (2:1) Die Zuschauer verloren sich an dem trüben Dezembersamstag im großen Stadion. Aber unter den knapp 4000 waren noch einige Dutzend Rowdies, für die der Schlußpfiff das Signal war, über die Barrieren und auf den Schiedsrichter zu stürmen. Eintracht-Vorstand, Spieler und der erschreckend schwache Polizei- und Ordnungsdienst konnten nicht jeden der Angreifer fassen. Bis zur Laufbahn vor der Haupttribüne schien alles gut zu gehen. Dann hinkte der Schiedsrichter plötzlich und mußte bis zur Kabine geführt werden. Was war der Anlaß? Das Spiel des Meisters rollte so gut an wie acht Tage vorher gegen Aschaffenburg, aber es rollte um vieles schlechter aus. Der Zwei-Tore-Vorsprung nach acht Minuten reichte gegen zehneinhalb auf Abwehr eingestellte Reutlinger nicht aus. Nach gut einer Stunde war schon der Ausgleich Tatsache, und zum Schluß versuchte die Eintracht mit Gewalt den zweiten Punkt noch an Land zu ziehen. Bei Reutlingen waren längst alle Schotten dicht, als sich die gesamte Eintracht zum Gästestrafraum begab. Bei einem jener Weilbächer-Vorstöße durch die halbrechte Gasse geriet der Eintrachtläufer genau einen Meter hinter der Quer- und einen Meter, links von der Seitenlinie des Strafraums in eine Reutlinger Sperre. Der bereits überlaufene Jost, streckte das Bein nach, und Weilbächer ging langsam nach unten. Ueber den ausgebliebenen Pfiff, vier Minuten vor Feierabend, hätte man noch streiten können. Zwei Minuten später aber gab es keine Diskussion mehr. Lindner hatte den Ball über Bögelein gehoben und Stein noch einen Schritt bis zur Torlinie. Falke rammte dem Eintrachtler die Fäuste ins Kreuz, daß Stein ins Tor fiel und den Ball über die Latte köpfte. Schiedsrichter Riegg gab... Eckball! Das Spiel mutete wie eine Kopie der letzten Eintrachtspiele an. Zunächst war Reutlingen überhaupt nicht in der Eintrachthälfte zu sehen. Wenn Alfred Pfaff bei einem Start in die Gasse nach einer Viertelstunde mit seinem Schuß nicht Bögeleins Schuh, sondern etwas weiter rechts getroffen hätte, wäre die 3:0-Führung, wie gegen Aschaffenburg, mit einem Minimum an Aufwendungen erreicht worden. Zu besonderen Anstrengungen scheint die Meisterelf im Augenblick weder Kraft noch Konzentration noch Nerven zu besitzen. Fast die gleichen Spieler, die vor einer Woche gefielen, waren wieder mit Eifer und Geschick bei der Sache, fast die gleichen Namen enttäuschten. Vielleicht lag der Unterschied, im Spiel und im Ergebnis darin, daß die Mäßigen noch mäßiger spielten und die weniger Mäßigen innerhalb einer Woche nicht über ihren Schatten springen konnten. Im Vorjahr war ein 2:0-Vorsprung der sichere Eintracht-Sieg. Die 23 Gegentore am Ende der Runde und die 23 Treffer jetzt nach 13 Spielen lassen erkennen, was ein Horvat für die Riederwälder bedeutete. Die jungen Deckungsspieler sind ohne leitende Hand. Sie mühen sich ab und geraten in Schwierigkeiten, wenn der Gegner nur mit drei oder vier Mann anrückt. Jeder Reutlinger durfte den Ball erst annehmen, ehe man sich um ihn kümmerte. Wenn die Gästestürmer erst einmal den Ball hatten, dann gaben sie ihn so schnell nicht wieder her. „Lutz wird es gegen Gernhard schwer haben", meinte vor dem Spiel der Exfrankfurter Wodarzik, der wegen Gelbsucht neben Schießl, Feuerlein, Vaas und dem gesperrten Dulz im Reutlinger Team fehlte. Nun, Reutlingen hatte drei Gernhards, oder besser gesagt, drei Sattlers. Gernhard war immer noch ein Könner am Ball, aber der rechte Läufer Hämmerte und der Halbrechte Sattler exerzierten das, was Gernhard im Stand fabrizierte, noch im Lauf vor. Und die Eintrachtler liefen streckenweise hinter diesen drei Reutlingern her und fanden keine Mittel, sie vom Ball zu trennen. Die Gäste brauchten den schon in der dritten Minute verletzten und mithumpelnden Linksaußen Fritschi nur in Ausnahmefällen. Sie konnten ihn immer noch anspielen, weil der nun im vierten von fünf Spielen ohne direkten Gegner gebliebene Schymik ihn oft zwanzig Meter freistehen ließ. Schymik erreichte nicht die Leistung Bechtolds in den Spielen gegen Offenbach und Aschaffenburg, die Aktionen, von Lutz lagen wieder an der Grenze der Unsicherheit. Nur Höfer spielte gegen den Dziwoki-Typ Anetzmann ohne Risiko. Die Seitenläufer unternahmen im völlig verwaisten Mittelfeld vieles, aber weder für die Zuschauer noch für die Reutlinger Deckung, die Ulaga von Anbeginn und auch nach dem 0:2 verstärkte, tischten sie etwas Neues auf. Im Sturm wäre er nach einer Viertelstunde kein Stern mehr gewesen, der leuchtete, wenn nicht Pfaff hin und wieder eine gute Sache gestartet und der für Meier spielende Solz nicht sauber zugespielt und geflankt hätte. Von der Mitte nach rechts steckte alles in einem Formtief, das unbegreiflich ist. Als Stein und Bäumler nach der Pause wechselten, wurde alles noch hoffnungsloser. An diesem Tag trug auch der vorher für sein 200. Spiel geehrte Egon Loy seinen Patzer beim ersten Tor bei, als allerdings Stinka und Lutz schon vorher versagten. Auch Bögelein ließ sich bei Bäumlers Bodenflitzer ähnlich überraschen, aber der Ex-Stuttgarter war doch später der letzte Fels, wenn die Schüsse und Kopfbälle anflogen. Ohne ihn und den Schiedsrichter wäre diese glückliche 2:2 nie nach Württemberg gegangen. (aus 'Der neue Sport' vom 07.12.1959)
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