Eintracht Frankfurt - Young Boys Bern

Europapokal der Landesmeister 1959/60 - Achtelfinale, Rückspiel

1:1 (0:0)

Termin: 25.11.1959, 20:00
Zuschauer: 30.800
Schiedsrichter: Perez (Spanien)
Tore: 1:0 Erich Bäumler (68., Foulelfmeter), 1:1 Schneider (89.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Young Boys Bern

 


  • Walter Eich
  • Marcel Flückiger
  • Niklaus Zahnd
  • Heinz Bigler
  • Anton Schnyder
  • Rudolf Haldimann
  • Gilbert Rey
  • Eugen Meier
  • Ernst Wechselberger
  • Willy Schneider
  • Tony Allemann

 

Trainer Trainer
  • Albert Sing

 

Die Eintracht ist im Achtelfinale

Premierenfieber im Flutlicht

Betrachtungen von Ludwig Dotzert

Eintracht Frankfurt — Young Boys Bern 1:1 (0:0)

Man spürte das Premierenfieber schon auf den Anmarschwegen. Hastiger als sonst bewegten sieh die großen Kinder auf die Hauptkampfbahn zu, über der bereits die Lichtwolke flimmerte. Ein neues Stadion galt es einzuweihen, das Stadion zu den zweihundertvierzig Monden. Man war aufgeregt wie damals vor dem ersten Weihnachtsmärchen.

Bereits eine Stunde vor Beginn hatte sich der Kugelfang mit einem breiten Schlagschatten überzogen. Das waren die 20.000, die es nicht abwarten konnten. An die 15.000 weitere Zuschauer kamen hinzu. Macht zusammen rund 35.000 Frankfurter, die freudig einen Schnupfen riskierten, um dabei zu sein, wenn im Stadtwald die Wunderkerzen aufflammen. Wo ist der Mann, der behauptet, die Frankfurter seien abgebrüht, blasiert und versnobt wie eine halbe Million kalifornischer Playboys? Der Mann muß etwas verwechselt haben.

Die Wunderkerzen flammten auf, und das Publikum entflammte. Nur das Spiel wollte nicht aufflammen. Es war flott und unterhaltsam; aber es blieb ohne die großen Effekte, die den höchsten Würdenträger von „den Ehrenplätzen reißen. Es war kein Spiel für Anfänger. Man mußte eine ganze Menge vom Fußball verstehen, um zu erkennen, welche Energien zur Oberfläche drängten und doch schließlich verkrusten mußten, weil die Berner Young Boys ihren Strafraum umklammerten wie ein Abstiegskandidat. Selbst ihrem Trainer Albert Sing ging diese Konsequenz allmählich über die Hutschnur. Wie er anschließend sagte, hatte er seinen Spielern zwar die Doppelstopper-Staffelung als Grundformation vorgeschrieben; sich das Ganze aber doch wesentlich elastischer vorgestellt. Es war ein Spiel, das sich mehr an den Verstand als an das Gefühl des Zuschauers wandte.

Anfangs, ja, da wollten die Riederwälder ihre Stammkunden unverkennbar mit einer des großen Erfolges wegen wiederholten Vorstellung von Bern begeistern; aber ihr frischer Mut verzischte schnell und übrig blieben die Mühen von elf braven Männern, die sich verpflichtet fühlten, unter ungünstigsten Bedingungen Festliches zu bieten. Der letzte feierliche Augenblick war Weilbächers knochentrockener Schrägschuß, der in der 31. Minute an Berns Tormann Eich vorbei in die ungedeckte Ecke stiebte. Noch ehe der Ball jedoch die Torlinie überquert hatte, riß der Schiedsrichter Blanco Perez aus Spanien den rechten Arm hoch und erkannte auf abseits. Dann erstarrte die Szene endgültig. Man wußte bereits zwei Züge vorher, an welcher Stelle sich der Riederwälder Angriff festrennen würde. Und man ahnte auch, daß einmal der Augenblick kommen mußte, in dem die Alarmbereitschaft der Riederwälder Abwehr nachließ. Der Augenblick kam erstaunlicherweise erst in der 90. Minute, aber er kam. Als Berns Mittelstürmer Schneider von der Strafraumgrenze zum 1:1 abfeuerte, stürmte die Hintermannschaft der Eintracht im Geiste mit.

Dennoch war der Berner Treffer ein rechtschaffener Treffer, der rechtschaffen bejubelt wurde. Genau so rechtschaffen aber war der Führungstreffer des deutschen Meisters, auch wenn er auf einem Elfmeter beruhte. Es gibt keinen Elfmeter, der begründeter sein könnte als dieser; denn Lindner wurde mit beiden Händen unter dem Ball weggestoßen. Es gibt auch keinen Elfmeter, der exakter vollstreckt wurde als dieser. Bäumlers Schuß streifte fast den linken Pfosten, und ehe Bäumler abzog, wußte niemand, welches Bein er zu benutzen gedachte. Ein Elfmeter für Genießer!

 

Kampf dem Doppelstopper

Von Erich Wick

Je weiter der Abstand von diesem Spiel ist, um so deutlicher wird mir, daß dieses Spiel alles andere als schlecht war. Wir sahen einen Kampf, in dem viele Energien verschleudert wurden, wir erlebten das heldenhafte Sichaufbäumen der Berner Mannschaft, die um keinen Preis noch einmal in der Eintrachtmühle zermahlen werden wollte. Unter dem rührenden, von Anfang an sichtbaren Verzicht auf die Möglichkeit, durch offensives Spiel den Dreitorevorsprung der Eintracht aufzuholen, setzten sie sich für ein ehrenvolles Ergebnis ein und kämpften dafür bis zum Umfallen.

Pech der Eintracht, daß sie aus dem Mannheimer Doppelstopper-Kampf in den neuen Doppelstopper-Kampf geriet. Sichtbar ist jedenfalls, daß die Eintrachtstürmer dabei ihren Glanz verlieren. Die langen Pässe kommen bei einem Doppelstopper nicht an, vor allem der Mittelstürmer gerät in eine Sackgasse. Schüsse aus nächster Nähe sind kaum anzubringen, weil alles verstopft ist, Schüsse aus Entfernung werden bei einem derart verrammelten Tor zur Glückssache. Meistens hat die bessere, die offensive Mannschaft da oder dort auch einmal Glück. Wäre beispielsweise das Abseitstor gerechnet worden — die Eintracht hätte ihren Stil vielleicht doch noch gefunden.

Kämpferisch aber hat uns die Eintracht gefallen, ihre Abwehr lieferte ein gutes Spiel, vor allem auch Höfer, wenn man bedenkt, daß er von einem Kopfzusammenprall frühzeitig benommen war. Es gab immer wieder Direktkombinationen, die die Bewunderung des hinter mir postierten Schweizer Radiosprechers hervorriefen. Daß meiner Meinung nach auch Pfaff wieder Unternehmungs- und Kampfgeist zeigte, gehört ebenfalls zu den positiven Seiten des Spieles.

Freilich wird das Gefühl immer bedrückender, daß nun allmählich auch der kleinste Trainer in Süddeutschland zu merken beginnt: mit einem Doppelstopper kann man den Eintrachtsturm weitgehend neutralisieren. Die eine Antwort der Eintracht, der „freie" Außenläufer Weilbächer, der das Mittelfeldspiel aufzieht, ist allein nicht ausreichend, um trotzdem den Sieg zu garantieren. Man wird beim deutschen Meister gewiß weiter planen und suchen, bis man auch solchen Widerstand mit den geeigneten Mitteln bricht.


Das Mannheimer Tief ist schon vergessen

Kritische Bewertung von Bert Metz

Das 1:1 gegen die Berner befriedigte sowenig wie das gleiche Ergebnis von Mannheim. Aber die Eintracht ist erstaunlich schnell aus dem Mannheimer Tief wieder herausgetreten. Gegen den Schweizer Meister leuchtete manches schon wieder in heileren Farben, während im Punktekampf vor acht Tagen nur zwei oder drei Sterne den Weg zu der Eintracht der Endrunde wiesen. Es ist natürlich eine ganze Reihe von Fehlern begangen worden, aber niemand hätte bei einem Eintracht-Sieg darüber gesprochen, ob der Doppelstopper oder Riegel richtig oder falsch bekämpft worden sei.

Erstaunlicherweise blieb der beste Stürmer von Mannheim, Bäumler, diesmal blaß. Er fand sich nicht zurecht, weil sein Gegner schnell und hart war. Dann verblassen selbst die Tugenden des Erich, der mit seiner geringen Uebersetzung nur dann gut zur Geltung kommt, wenn er schon am Ball ist. Aber noch mäßiger war die Vorstellung von Lindner, bei dessen Schüssen neuerdings das Tor aufgestockt werden muß. Auch Pfaffs Bälle, von denen ein Teil sich in der dichten Berner Abwehrkette verfing, liegen seit Wochen höher als sonst, Bäumlers Schüsse fielen ganz aus.

Steins und Weilbächers Schüsse lagen fast immer im richtigen Ziel. Zum Teil aber waren sie aus weiter Entfernung abgeschickt und machten dem sicheren Eich keine allzu großen Sorgen. Als Weilbächer in der 31. Minute wirklich einmal traf, war Lindner ins Abseits gestürmt. Wären eine Reihe der vielen Chancen, vor allem in den ersten zwanzig Minuten, genutzt worden, hätte man die Diskussionen über Riegel und sonstige Sicherungen alle gespart. Dann hätte Bern einmal selbst kommen müssen.

Weilbächer war vielleicht der auffallendste Spieler, weil er auf keinen Young-Boys-Mann zu achten hatte. Aber der blonde Hans ist ein Kämpfer, Rackerer und Schufter, der nicht allzu viel überraschende Momente in sein Spiel einstreut. Das brachte Pfaff zwar oft fertig. Aber um die Gästeabwehr vor wirkliche Probleme zu stellen, hätte es rascherer Handlungen und Abgaben bedurft. Wie oft liefen sich Kreß und Stein frei, und immer kamen die Vorlagen (Lindner), wenn ein Berner ihnen den Weg schon wieder abgeschnitten hatte.

Von der Abwehr der Eintracht bleibt zu berichten, daß der schwarze Samstag von Mannheim keine Nachwirkungen hatte. Lutz fand sich wieder, Höfer war zuverlässig, und die kleinen Schnitzer von Loy bügelte er meist selbst wieder gerade. Das Ausgleichstor, ein unhaltbarer 16-m-Schuß von Schneider, geht - allerdings auf die schlechte Markierung von Lutz zurück. Ob Schymik gegen schnelle Gegner als Verteidiger bestehen kann, dürfte nach diesem Spiel offen bleiben.

Die Berner Spielweise mißfiel. Das Remis war glücklich, ein Erfolg des guten Torwarts Eich und der Vertrautheit der gesamten Mannschaft mit dem System, das man Riegel, Mezzo-Taktik oder sonstwie nennen mag, das aber erfahrungsgemäß nie ein schönes Spiel garantiert. Man sollte es daher auch nicht weiter tragisch nehmen, daß die Eintracht nicht gewann. Das 4:1 des Vorspiels hatte die Spannung ohnehin weggefegt. (aus 'Der neue Sport' vom 30.11.1959)

 

>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg