Kickers Oxxenbach - Eintracht
Frankfurt |
Oberliga Süd 1959/60 - 9. Spiel
2:1 (0:0)
Termin: 01.11.1959
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 0:1 Erich Bäumler (60.), 1:1 Kraus (74., Foulelfmeter), 2:1 Nuber (78.)
Kickers Oxxenbach | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Kein Deut von Formkrise Kickers Offenbach — Eintracht Frankfurt 2:1 (0:0) Ludwig Dotzert berichtet vom Bieberer Berg Das war eines der besten Spiele, die von zwei Mannschaften, die in der Formkrise stecken, je bestritten wurden. Noch treffender: für eineinhalb Stunden war hüben wie drüben die Formkrise aufgehoben, wurden hüben wie drüben die Ausfälle ignoriert und noch einmal alles an Leidenschaft und Hingabe, alles an ritterlicher Kampfbereitschaft hervorgeholt, was die großen Rivalen im Endspiel beseelte. Lediglich an Klasse stand dieses Treffen dem Finale von Berlin nach, aber dies auch nur in beschränktem Umfang. Der wesentliche Unterschied zwischen dem Tag vom Olympia-Stadion und dem Tag vom Bieberer Berg bestand nur darin, daß man mit vertauschten Rollen spielte. Die Eintracht produzierte sich als Verlierer und die Kickers als Sieger. Aber nicht nur daran merkte man, daß sich das Blatt gewandt hatte. Im Gegensatz zu Berlin bot die Eintracht zumindest eine Stunde lang den durchgeformteren, den geschliffeneren und den feiner abgestimmten Fußball. Dafür besaßen die Kickers die größeren Solisten. Oder — noch genauer — den größeren Solisten. Der Bericht schreibt es leichten Herzens hin. Niemand wird er mit der Feststellung, die nun folgt, beleidigen. Dieses Spiel gewann kein anderer als Berti Kraus. Wenn er an den Ball kam, dann schien plötzlich die Szene erstarrt, dann befand sich die Eintracht-Abwehr am Rande der Panik-Stimmung. Das lag nicht an der Riederwälder Ueberängstlichkeit. Das lag einfach daran, daß es gegen diesen Kraus einfach .kein Gegenmittel gab. Er wirkte mit allem, was er tat, entnervend. Und dies, obwohl Eintracht-Stopper Friedel Lutz nur aus bis zum Zerreißen gespannten Sehnen zu bestehen schien. Lutz verpulverte neunzig Minuten lang alles, was an Energie und Talent in ihm steckt, und wurde doch keine halbe Minute lang Herr über das Phänomen, mit dem er sich herumzuplagen hatte. Wenn er dem Berti Kraus das Leder abjagte, half ihm das meist nur wenige Atemzüge lang aus der Situation eines Jägers, der gleichzeitig auf zwei Rehe jagt, heraus. Das kommt dem Sachverhalt wahrscheinlich am nächsten:
Kraus hatte das Behende und Flüchtige eines Rehs, hatte zugleich
aber auch die Gefährlichkeit eines Keilers. Aber nicht nur seine
Fähigkeiten bestachen. Es bestach auch seine Kondition. Er fraß
die meisten Kilometer von sämtlichen zweiundzwanzig Mitwirkenden,
und er war am Start eines Fünfzig-Meter-Sprints genauso hochexplosiv
wie am Ziel. Er war es, der beim Stande von 1:0 für die Eintracht
mit einer derart giftigen Direktheit auf den rechten Pfosten des Eintrachttores
zusteuerte, daß sich Lutz und Höfer nur mit Gegenmaßnahmen
zu helfen wußten, die vor dem kritischen Auge des Schiedsrichters
Handwerker aus Ketsch nicht bestehen konnten. Er, der Berti, eben noch
leicht benommen von der Wucht, mit der die Lutz-Höfer-Zange zugeschnappt
war, ging hin und schickte den Elfmeter-Strafstoß höchst
persönlich mit gezieltem Flachschuß zum 1:1 in die Ecke. Noch etwas muß gesagt werden, um der Ausnahme-Erscheinung Kraus gerecht zu werden. Eine Stunde lang stand er im Sturm der Kickers auf einsamem Posten. Adler fiel ganz aus, Weber war nicht viel stärker und was Kleinböhl praktizierte, ähnelte mehr einer brauchbaren Außenläufer-Partie als einer wirklichen Angriffsleistung. Vergebens suchte man Nuber, der sich — wie Kaufhold im Endspiel — als vierter Läufer versuchte, aber nur einen blassen Abglanz dessen darstellte, was Kaufhold zu einem der Unvergeßlichen des Finales gemacht hatte. Von Wade, der meistens noch vor Nuber operierte, kam manches Gute, aber doch wenig, was Kraus wirklich weitergeholfen hätte. Echter Beistand erwuchs dem Kickers-Mittelstürmer nur in den knapp zwanzig Minuten zwischen dem Führungstreffer der Riederwälder und dem Augenblick, als Nuber in der 77. Minute aus der Drehung heraus einen Schuß an Weilbächer vorbeizog, der von der Pfostenkante zum Siegestreffer Offenbachs in den Kasten sprang. In diesen knapp zwanzig Minuten spielte Offenbach mit fünf Stürmern, mit Nuber in vorderster Front. Sofort nach vollbrachter Tat zog sich Nuber dann wieder zurück Das Manöver war gelungen. Jetzt konnte den Offenbachern nichts mehr passieren. Ihre Abwehr wäre sicher auch ohne Nuber unbeschadet über die Strecke bis zum Schlußpfiff gekommen. Im Bereich von Sattler gab es für die Riederwälder ohnehin nie etwas zu erben. Waldmann hatte von Meier wenig zu fürchten. Alfred Pfaff, der nach bestrickendem Auftakt sachte aber stetig nachließ, scheute nun selbst vor dem schwächsten Offenbacher, dem nahezu primitiv wirkenden Lichtl, zurück. Lindner schleppte sich angeschlagen auf dem Rechtsaußenposten herum, und Schultheiß, der im Kampf mit Bäumler wesentlich mehr schwitzen mußte als jemals zuvor im Kampf mit Richard Kreß, konnte endlich aufatmen. Die Eintracht war zerbrochen. Sie stellte insgesamt dennoch das Team mit der stärkeren Mannschaftsleistung. Erstmals seit langen Wochen übten die Außenläufer der Riederwälder wieder spielgestaltenden Einfluß aus. Der als „Lückenstopfer" erst in letzter Stunde in die Mannschaft genommene Schymik erwies sieh überraschend als deutlicher Gewinn für das Mittelfeldspiel seiner Elf, und auch Weilbächer beschränkte sich keineswegs nur auf Abwehraufgaben. Zusammen mit dem gerissenen Pfaff und dem klugen Lindner ergab sich auf diese Weise ein Riederwälder Carree, das zunächst klar dominierte. Bald ließen sich auch die Vorteile nicht übersehen, die der koboldhafte Bäumler gegen den ungefügen Schultheiß herausschlug.. Es dauerte eine volle Viertelstunde bis die Offenbacher im schäumenden Eintrachtwirbel Fuß faßten. Nur ganz allmählich schoben sie ihre Ausgangsbasis nach vorn. Nur Berti Kraus verhieß eine Wendung. Aber wenn sich die Partie bis zur Pause nahezu auspendelte, dann lag das immer noch mehr daran, daß der Riederwälder Ueberdruck verzischt war, als daran, daß sich die Kickers steigerten. Daß Wade in der 47. Minute aus dem Hinterhalt ein Tor schoß, das freilich wegen Abseitsstellung von Kraus keine Anerkennung fand, konnte die Riederwälder nur ganz leicht erschrecken. Um so präziser glückte die Kombination zwischen Lindner, dem nach rechts versetzten Stein, der die Flanke zog, und dem nach innen gepreschten Bäumler, der dem herausstürzenden Zimmermann mit seinem Kopfball zuvorkam. Das war der Führungstreffer. Das war aber auch zugleich der letzte Ausläufer der Riederwälder Ueberlegenheit. (aus 'Der neue Sport' vom 02.11.1959)
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