VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1959/60 - 2. Spiel
2:3 (1:2)
Termin: 30.08.1959
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Meißner (Nürnberg)
Tore: 0:1 Erwin Stein (13.), 1:1 Geiger (14.), 1:2 Erwin Stein (16.), 2:2 Praxl (52.), 2:3 Alfred Pfaff (66.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Auf Eintracht kann man bauen Das ist der beste Eintrachtsturm VfB Stuttgart — Eintracht Frankfurt 2:3 (1:2) Ludwig Dotzert berichtet aus dem Neckarstadion Der VfB übertraf seine Leistungen vom 0:5 in Frankfurt um das Mehrfache. Um so bewunderungswürdiger aber waren die 40.000 Schwaben, die den Sieg ihres VfB im dritten Versuch gegen den ungeschlagenen deutsehen Meister mit der Inbrunst eines kindlichen Gemütes herbeiwünschten, daß sich eine neue Eisenbahn herbeisehnt. Diese 40.000 hätten Grund gehabt, von Pech zu reden. Zweimal traf Weise die Holzumrahmung des Tores und in der zweiten Halbzeit gewannen die VfB-Kombinationen zeitweilig jene Brillanz und jenes Gestochene, mit dem auch die Klein-Klein-Masche schier unwiderstehlich wird. Stinka mußte im Hechtsprung einen Ball aus der Gefahrenzone stoßen wie einstmals Wloka. Lutz mußte Loy auf der Linie vertreten. Zum dritten Male in diesem Fußball-Reißer war der VfB drauf und dran, dem deutschen Meister den Vorsprung abzujagen. Aber die Vierzigtausend ließen sich in ihrer Meinung nicht beirren. Wohin der Reporter aus Frankfurt auch hörte, das Resumé des Mannes in der Kurve lautete: heute haben wir gegen die zur Zeit stärkste Mannschaft Deutschlands zu spielen. An diesem schlichten Lob dürfte kaum etwas übertrieben sein. Die Eintracht wirkte im Neckarstadion nach Anlaufschwierigkeiten bis zur Pause und bisweilen auch danach wie eine Modellelf. Hier saß einfach alles. Vor einem treffsicheren mitdenkenden Tormann waren zwei Verteidiger (Eigenbrodt und Höfer) sowie ein Stopper (Lutz) am Werk, die sich in ihrer Unerbittlichkeit, in ihren klirrenden Härten und in ihrer gezügelten Spielweise ähnelten wie Geschwister. Im Spurten, Breitseite gegen Breitseite, im artistischen Spreizsprung waren die drei nicht zu schlagen. Es gab nur ein Mittel, diese Deckung zu verwirren. Und das allerdings beherrschten die VfB-Stürmer wie keine anderen in Süddeutschland: das Mittel, quasi zwischen den Ritzen durchzusickern. Stuttgarts Treffer zum 1:1 mag vornehmlich auf einen Fehler Weilbächers zurückzuführen sein, der Weise anspielte statt den eigenen Hintermann, wie er beabsichtigte. Aber Stuttgarts Treffer zum 2:2 war geradezu eine Demonstration für den Stuttgarter Filigranfußball. An die zehn Spieler hatten sich an der Stelle unweit der Strafraumgrenze zusammengeschart, auf der die Ziseleure des VfB den Ball über drei Stationen zu Praxl tanzen ließen, der sofort zuschoß. Also ermutigt zogen die Geiger und Waldner und Weise auf einmal Miniaturkombinationen auf, denen die Riederwälder Abwehrathleten nur schwer oder überhaupt nicht folgen konnten. Während des kurzen aber heftigen VfB-Endspurtes mußte die Eintrachtabwehr alles ausbaden, was vorher der Sturm in seiner zeitweiligen Anwandlung von leiser Ueberheblichkeit versäumt hatte. Es klappte aber auch zu gut vor dem Wechsel. Pfaff streute seine Pässe unter das Volk, wie der Fürst vom Riederwalde. Und da er es im Duell mit seinem direkten Gegner Hartl nie auf das Messen der puren Kraft ankommen ließ, blieb er 90 Minuten lang in Laune. Fast 90 Minuten jedenfalls! (einmal allerdingis ging ihm der Gaul durch und er revanchierte sich auf so plumpe Art für ein Foul, daß ... dann Schwamm drüber.) Eine mittlere Paßlänge weiter vorn drückte sich Lindner glatt wie eine Quelle zwischen Hoffmann und Blessing in die Gasse, und in die Mitten schnellte ein Stein über den Rasen, der für Stuttgarts starken Stopper Hoffmann einfach nicht zu fassen war. Beim ersten Treffer der Eintracht war Stein noch ausführendes Organ, aber immerhin: wer besitzt gleich ihm den Nerv, den geflankten Ball in der Nähe des Elfmeterpunktes erst zu stoppen und dann zu schießen? Beim zweiten Treffer handelte Stein jedoch nach einem ebenso kühnen, wie einsamen Entschluß, startete unweit des Mittelkreises in Richtung Tor, gab sich selbst eine Vorlage in den freien Raum, setzte über den heimtückisch ausgestreckten Fuß Hoffmanns hinweg, schlug ohne Zaudern einen Haken um den weit herauslaufenden Sawitzki und erledigte den Rest, wie die Katze die Maus, mit beinahe genießerischem Sadismus. Beim dritten Treffer schließlich — er fiel in einem Stadium, als der VfB die Oberhand gewonnen hatte, als der überangestrengte Lindner an der Außenlinie neue Kräfte schöpfte und das Selbstbewußtsein der Riederwälder aufzuweichen drohte —, beim dritten Treffer schließlich schwang sich Stein sogar zum Planer und Richtungsweise auf. Aus den Bezirken der eigenen Läuferreihe schickte er einen so raffiniert im Gelände liegenden 40-Meter-Paß ab, daß Pfaff an Stuttgarts Strafraumgrenze vor zwei Gegnern an den Ball kam. Ein Paß hin (Paff zu Kreß), ein Paß her (Kreß zu Pfaff), und Pfaffs Schuß steckte in der Ecke. 3:2 für die Riederwälder. Das Innentrio der Eintracht, wie es sich in Stuttgart produzierte, ist vielleicht nicht das beste Deutschlands — vielleicht —, aber man geht bestimmt nicht zu weit, es das homogenste zu nennen. Es wirkt wie eine Steinschleuder. Daß Kreß, daß vor allem Bäumler, agil und ohne Ermüden nicht abfielen, bestätigt den Eindruck, daß die Riederwälder zur Zeit mit dem besten Sturm stürmen, den sie je besaßen. Der VfB bleibt in dieser Verfassung trotz der Niederlage im Kreis der Bewerber für Süddeutschlands erste Platze. Sawitzki, Blessing, Hartl und Geiger an der Spitze der Truppe, scheinen zu noch Größerem fähig, und in vierzehn Tagen ist Seibold wieder einsatzfähig. (aus 'Der neue Sport' vom 31.08.1959)
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