1. FC Nürnberg - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1957/58 - 27. Spieltag

3:5 (3:5)

Termin: 23.03.1958
Zuschauer: 52.000
Schiedsrichter: Schmetzer (Mannheim)
Tore: 0:1 Erich Meier (3.), 1:1 Schweinberger (4.), 1:2 Istvan Sztani (20.), 1:3 Istvan Sztani (24.), 2:3 Glomb (27.), 2:4 Dieter Lindner (28.), 2:5 Istvan Sztani (34.), 3:5 Schweinberger (39.)

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1. FC Nürnberg Eintracht Frankfurt

  • Schaffer
  • Zeitler
  • Ucko
  • Zenger
  • Knoll
  • Schober
  • Albrecht
  • Morlock
  • Glomb
  • Schweinberger
  • Schmid

 


 

Trainer
  • Franz Binder
Trainer

 

Am Dutzendteich ein Sieg für Frankfurt

Bravo Eintracht!

Eintracht-Hurrican über Nürnbergs Stadion

1. FC Nürnberg — Eintracht Frankfurt 3:5 (3:5)

In diesem Spiel wurde der Club nicht nur besiegt, er wurde zerrupft, er wurde zu Paaren getrieben, er wurde umspielt. Es gab Minuten, wo er einfach daneben stand wie elf Litfaßsäulen. In diesem Spiel zerstoben die letzten Zweifel, wer die beste Mannschaft des Südens ist. Als Schiedsrichter Schmetzer zum letzten Male in die Pfeife stieß, verfilzten sich elf weiße Trikots zu einem Knäuel der Seligkeit. Die 100 000-Mark-Fahrkarte zu den Gruppenspielen ist den Riederwäldern sicher. Wer könnte sie ihnen noch abjagen?

Abjagen? die Münchener, die Fürther, die Karlsruher? Mit dem Rechenstift, ja. Auf dem Rasen wohl kaum. Wenn die Eintracht in den noch ausstehenden drei Spielen nur die Hälfte der Leistungen zeigt, mit der sie in Nürnbergs Stadion bis zur Pause alle gängigen Vorstellungen von einem Rivalenkampf der beiden Mannschaften an der Spitze über den Haufen rannte, dann kann ihr niemand mehr etwas anhaben. Diese erste Halbzeit, in der sämtliche Tore fielen, acht Stück an der Zahl, also in knapp sechs Minuten je eines, rauschte vorbei wie ein Hexenritt. Es war, als hätten die 45000 (oder waren es mehr?), von denen sich gut zwei Drittel eine halbe Stunde vor Spielbeginn auf den Rängen zusammenballten, als hätten diese Massen mit ihren Kuhglocken, Fanfaren, Trompeten, mit ihren Sprechchören und unartikulierten Schreien die Mannschaften zu einer Art Ekstase aufgeputscht. Innerhalb von vier Minuten stand es 0:1 und 1:1. Die restlichen sechs Tore prasselten in der 20. und 40. Min. auf das rasende Fußballvolk herab!

Man fiel übereinander her, wie zwei Boxer, die in wildem Schlagabtausch die sofortige Entscheidung suchen. Alle Vorsichtsmaßnahmen schienen in den Wind geschlagen. Wer genauer hinsah, merkte bald, daß es in Wirklichkeit nicht ganz so war. Die Eintracht hielt ihre Schlußläufer zurück, die Nürnberger schleppten sie im Sog ihrer Angriffe mit nach vorn. Schymik und Weilbächer waren durch nichts aus ihrem von der Mittellinie abgegrenzten Operationsraum herauszulocken. Jedesmal, wenn sie weiter vorstießen, trat offenbar eine automatische Bremse in Tätigkeit.

Lücken in der Club-Hälfte

Zenger und Schober dagegen aalten sich genießerisch in dem breiten Querstreifen, der sich oft minutenlang öde und leer über das Feld hinzog. Gewiß, hier konnten sie ungestört manchen verirrten Ball auflesen. Aber was war damit gewonnen? Alle Zugänge zum Eintrachttor blieben fest vernagelt, und während die beiden, den Ball vor sich hintreibend, nach einer Lücke im gegnerischen Strafraum suchten, verursachten sie Lücken in ihrer eigenen Hälfte. Der Kontrast zwischen der Spielauffassung von Weilbächer-Schymik und Zenger-Schober war die Wur zel alles Glücks und alles Uebels. Für die großen Effekte freilich sorgte der Riederwälder Sturm. Welch eine Wandlung!

Dieser Sturm, der sich monatelang von den Erfolgen der Abwehr ernährt hatte, richtete bei jedem Vorstoß wahre Verheerungen in der Nürnberger Abwehr an. Er fuhr über die gegnerische Hälfte wie ein Hurrican über einen Hopfenacker. Aus fünf Improvisationstalenten wurde nun im letzten entscheidenden Abschnitt der Saison ein Organismus, der sich in allen Weisen nahezu ideal ergänzte. Pfaff und Lindner gaben die Einsätze.

Obwohl Pfaff mit seinen Intuitionen fast an große Zeiten anknüpfte, stand ihm Lindner kaum nach. Unheimlich das Pensum, das dieser Junge auf sich nahm. Mit zusammengepreßten Zähnen stapfte er durch den Pappschnee, klemmte sich an die Nürnberger Angreifer, löste sich von den Nürnberger Bewachern und streute jene blitzgescheiten Querpäßchen ein, die seine Mannschaft vor einer Erstarrung der Stoßrichtung bewahrten. Dazu kam ein Meyer, der bis zur Pause wie ein Doppelgänger des Richard Kreß an der Außenlinie entlang brummte. Ein Dutzendmal stocherte Meier Bälle durch seinen Schutzmann Zeitler heraus, die normalerweise längst vergessen waren. Als Nummer 5 in diesen Angriff hereinkam, glänzte Meyer auf einmal wie eine eins. Der Eintrachtangriff bestand überhaupt nur aus Einsen. Wurde Sztani schon genannt?

Sztani spielte so erfolgreich mit Knoll Versteck, daß der Eintracht-Ungar bei allen drei Toren, die er ins Netz rammte, ungestört blieb. Kreß hatte einen seiner guten, aber nicht seinen besten Tag. Seine Spurts waren diesmal nur Teilstücke in einem homogenen Ganzen.

Zu dem Treffen trugen alle fünf bei. Hier die entsprechenden Szenen: Solo von Lindner an zwei Nürnberger vorbei — Schuß — abgebremst — Start Meyers — Start Tormann Schaffers, aber Meyer ist schneller — 0:1.

Meier kämpft Zeitler den Ball ab, flankt zu Sztani —- gestochener Stoß mit der Stirn und unter Schaffer hindurch mogelt sich das Leder über die Linie — 1:2

Pfaff und Sztani schlagen mit ihrer Serie kurzer Pässe in voller Bewegung eine Bresche in die Nürnberger Abwehr — Flachschuß Sztani — 1:3

Kreß surrt bis zur Außenlinie vor, paßt a la Fritz Walter auf den 11-m-Punkt zurück und Lindner schlägt im Lauf zu — 2:4 und Schönheitspreis für Kreß und Lindner

Wieder schlenzt Pfaff einen seiner genau auf den Schneeboden abgestimmten Flugbälle in den Strafraum — Flachschuß Sztanis — 2:5.

Einem sechsten Treffer von Kreß kurz nach dem Wechsel versagt Schmetzer die Anerkennung. Der Ball, von Knoll noch herausgezogen, war „nur" einen halben Meter hinter der Linie.

Die Gegentreffer der Nürnberger sind schnell geschildert: zwei davon gehen auf das Konto von Horvat und Loy, also auf das Konto derer, die im übrigen am zuverlässigsten waren. Als Horvat im Schneeboden die Balance verlor, schob Schweinberger das Leder präzise in die Ecke. Als Loy ein Kopfball von Morlock durch die klammen Finger rutschte, war ebenfalls die Tücke des Objekts im Spiel. Dazwischen schlug ein Fernschuß von Schober ein, den Glomb kurz vor der Linie leicht ablenkte.

Ansonsten hielten sich die Chancen der Nürnberger trotz heftiger Anstrengungen in Grenzen. Gefährlich wurde es nur, wenn der flinke Albrecht den Höfer vorbeistieß, der diesmal eine ausgedehnte Anlaufzeit brauchte. Nach der Pause blies der Gong zum großen Kesseltreiben, aber die Riederwälder hatten vorgesorgt. Mit Pfaff und Weilbächer auf der einen sowie Lindner und Schymik auf der anderen Seite waren beide Abwehrflanken doppelt gesichert.

Es gab kein Durchkommen. Immer gereizter, immer hektischer schrien die Zuschauer nach Nürnberger Toren, aber sie verzeichneten nur den einen Erfolg, daß Schiedsrichter Schmetzers Entscheidungen immer verworrener wurden. Zehn Minuten vor Schluß ließ sich der Mannheimer dann zu einer Elfmeterentscheidung hinreißen, die jeder Vernunft spottete. Morlock hatte Bechtold aus unmittelbarer Nähe einen Ball auf den Oberarm gebrannt, bei dem Bechtold keine Hundertstel Sekunde Zeit blieb, um sich in Sicherheit zu bringen. Aber das Volk brüllte Hand. Und Schmetzer deutete auf den Punkt. Morlock, der weder präzis noch wuchtig genug schoß, und Loy, der das Leder im Fallen wegschlug, sorgten dafür, daß diese krasseste aller Fehlentscheidungen ohne Folgen blieb.      Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 24.03.1958)

 

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