Kickers Oxxenbach - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1956/57 - 22. Spieltag

2:2 (1:0)

Termin: 24.02.1957
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Neumeier (Ebingen)
Tore: 1:0 Nuber (11.), 1:1 Alfred Pfaff (25.), 2:1 Kaufhold (44.), 2:2 Richard Kreß (78.)

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Kickers Oxxenbach Eintracht Frankfurt

  • Zimmermann
  • Schultheiß
  • Magel
  • Keim
  • Sattler
  • Wade
  • Kraus
  • Kaufhold
  • Preisendörfer
  • Nuber
  • Sperl

 


 

Trainer Trainer

 

Derby lebte von den Gegensätzen

Das Fußballerblut ist in Wallung geraten. Nichts mehr spürt man nach dieser Serie von Großkämpfen, die in den letzten Wochen am Main über die blaugrünen Spielfelder rasten, von Zuschauerschwund und Publikumsphlegma. Auf dem Bieberer Berg toste die Stehtribüne wie eine kolossale Muschel. 25.000 gingen schon beim Reservespiel mit wie bei einem Kriminalreißer, und da sich das Reißerische nachher noch steigerte, steigerte bis zu Augenblicken, wo man förmlich hörte, wie ringsum der Atem stockte, kam der Schlußpfiff auch für die Kulisse keine Sekunde zu spät. Spieler und Zuschauer hatten ihre Kapazität ausgeschöpft bis zur Neige.

Das Spiel lebte von den Gegensätzen. Wenn die Offenbacher vorgingen, dann sah das aus, als wolle eine auf Gedeih und Verderb verschworene Seilschaft einen Steilhang erobern. Wenn die Eintrachtdeckung mit letztem verzweifeltem Hieb dann endlich das Seil gekappt hatte, sah es aus, als rutsche sie nun denselben Steilhang auf dem Hosenboden hinunter, geradenwegs bis vor das Offenbacher Tor.

Ganz ohne Bilder und Vergleiche: die Kickers erreichten ihre Wirkung durch Gemeinschaftsaktionen, die Eintracht durch Einzelleistungen. Ein Solo von Richard Kreß oder von Alfred Pfaff, der diesmal wie ein Ritter ohne Furcht und Tadel aus hundert scharfen Duellen unbeeindruckt hervorging, war genau so viel wert wie eine weitläufige Kickers-Kombination, und damit ist gegen die Kickers-Kombinationen beileibe nichts gesagt. Im Gegenteil, wem Fußball nur als Mannschaftsspiel etwas gilt, der muß zwangsläufig zu dem Schluß kommen, daß Offenbach mit nur einem Punkt aus diesem Derby schlecht bedient ist.

Die Kickers stellten das besser abgestimmte Ensemble, sie waren — alles in allem — länger in Besitz des Balles und sie fanden manchmal sogar ihren Nebenmann, ohne hinzusehen, ein Vorzug, der den Riederwäldern ganz und gar abgeht. Aber die Riederwäldern fanden dafür als einzelne im Blindflug die richtigen Einflugchancen. Die Riederwälder — das sind, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen — in diesem Zusammenhang Pfaff und Kreß. Alles andere, was das Eintracht-Trikot trug, war an diesem Tag nur Hilfstrupp.


Höfer kommt zu spät, Nuber zum 1:0

Wer die Tore sah, weiß schon alles. Beiden Kickers-Treffern ging eine logische Entwicklung voraus. Den ersten schoß Nuber nach einer Paßfolge, die die Riederwälder Abwehr derart durchgedreht hatte, daß ihm — Nuber — als linkem Verbinder schließlich nur noch Höfer — der linke Verteidiger — gegenüberstand. Nuber räumte dieses letzte Hindernis mit einer verblüffenden Mühelosigkeit beiseite und täuschte durch seine Nonchalance schließlich auch Rothuber, der auf einen großen Knalleffekt wartete, während sich der Ball gemächlich ins entfernte Eck schlich. Beim zweiten fing Kaufhold mit dem Rücken zum Tor stehend eine harte Vorlage von Sperl auf, drehte sich auf dem Absatz herum und schoß ein. Bei beiden Toren kam einer ohne den andern nicht aus.

Bei den Eintrachttreffern machten die Torschützen alles allein. Das 1:1 war einer jener Pfaff-Freistöße aus 20 Meter, die wie mit Hubschrauber über die Köpfe und unter die Latte fliegen. Das 2:2 war ein Spurt von Kreß, der den braven Wade in diesem Augenblick einfach zuschanden rannte. Die überraschende Pointe dieser Szene bestand darin, daß der Ball nur deshalb über die Linie flog, weil er dem stürmischen Richard in letzter Sekunde vom Spann rutschte. Eigentlich wollte er nämlich wieder einmal flanken, obwohl die Schußbahn freilag. Siehste, Richard, schießen ist manchmal gar nicht so übel!

Im übrigen gingen die Zweikämpfe im Gesamtergebnis unentschieden aus wie auch das Spiel selbst. Keiner kann sich rühmen, über seinen Gegner die absolute Oberhand gewonnen zu haben, mit Ausnahme vielleicht von Magel und Sattler, die dem Glückskind vom Frankfurter Derby, dem Ekko Feigenspan, der kurz vor der Pause von rechtsaußen ins Angriffszentrum wechselte, das Leben zur Hölle machten. Feigenspans Nerven kamen hinzu. Er schleppte die vier Tore vom letztenmal mit sich herum wie Gewichtsteine. Sonst — wie gesagt — keine Spur von entscheidender Ueberlegenheit bei den direkten Gegnern. Selbst ein Wloka, so stark er auch spielte, wurde diesmal nicht Herr über seinen Widersacher, den aufgedrehten Preisendörfer, der eine grundgescheite und dennoch temperamentvolle Vorstellung gab.

Ein glattes Remis gab es zwischen Kaufhold und Bechtold I sowie zwischen Schymik, der allerdings kaum dazu kam, für den Aufbau etwas zu tun, und Nuber, der nach gutem Start gegen Ende nachließ. Was die Außenstürmer der Kickers, Kraus und Sperl, ihren Bewachern Höfer und Bechtold I an Gewandtheit und Tempo voraus hatten, glichen diese durch eine geradezu fanatische Hingabe aus, und wenn dabei auch Bechtold II oft in die Primitivitäten eines unfeinen Feld-, Wald- und Wiesenfußballs verfiel, der Erfolg gegen den geschmeidigen Sperl, dem er fußballerisch nicht das Wasser reichte, gab ihm recht.

Keim und Wade matten den schwersten Teil erwählt. Es ging ihnen fast wie einem Tormann. Der geringste Fehler gegen Pfaff und Kreß, die geringste Nachlässigkeit gegen diese Abfahrtsläufer, wirkte verheerend. Was nützte es, daß sie die Hälfte aller Auseinandersetzungen für sich entschieden. Die andere Hälfte genügte, um die Kickers um ein Haar ins Verderben zu stürzen. Schultheiß, Magel und Sattler konnten sich demgegenüber glücklich preisen. Einen Lapsus im Kampf gegen einen der drei anderen Eintrachtstürmer ließ sich meistens eine Sekunde später wieder reparieren. Eins rauf in der Rangliste der Offenbacher Abwehrspieler kommt Schultheiß, unter dessen Fuchtel Geiger nie richtig ins Rollen kam. Unter diesen Umständen schnitt Lindner noch besser ab als er. Lindner wußte, daß er auf eigene Faust ohnehin nichts bestellen konnte und bemühte sich deshalb mit manchem hübschem Erfolg um die Kontakte und Verbindungen. Das aber scheint Geiger nicht zu genügen. Ludwig Dotzert

,,Ich sah keinen Nationalspieler"

Das Offenbach-Frankfurter Derby stieß auch bei den Verantwortlichen für die Nationalelf auf Interesse. DFB-Trainer Helmut Schön saß als aufmerksamer Beobachter auf der gerammelt vollen Tribüne des Kickers-Platzes. „In der ersten Halbzeit ein gutes Spiel", erklärte er. „Nach dem Wechsel ließen beide Mannschaften merklich nach. Die Kickers waren zeitweise überlegen, und sie hatten auch gute Gelegenheiten, den Sieg herauszuschießen. Beide Torleute haben mir gefallen. Einen Nationalspieler habe ich nicht gesehen."

Kickers-Trainer Paul Oßwald klagte darüber, daß seine Mannschaft die guten Torchancen nicht in Tore ummünzen und damit den Sieg sicherstellen konnte. „Zudem war ein Elfmeter für ein Doppelfoul an Kraus fällig", meinte er, „und beide Eintracht-Tore hätten vermieden werden müssen."

Auch Offenbachs Spielausschußvorsitzender Triefenbach rechnete mit den verpaßten Chancen: „Bei Halbzeit hätten wir schon 3:1 vorn liegen müssen. Die Eintracht hat nicht das gezeigt, was man von ihr erwartet hatte. Das 2:2 ist schmeichelhaft. Magel, Sattler, Sperl und Preisendörfer haben mir besonders gefallen; bei der Eintracht Schymik und Rothuber."

Kickers-Präsident Mohler fand das 2:2 gerecht. Er rühmte Rothuber. Auch die Verbinder und die Außenläufer der Eintracht beeindruckten ihn. Von Feigenspan war Mohler dagegen ein wenig enttäuscht.

Bei der Eintracht faßte Präsident Rudi Gramlich die allgemeine Stimmung in dem Satz zusammen: „Ich bin zufrieden." Rothuber und Kreß erfreuten ihn besonders. Eintracht-Trainer Adolf Patek erklärte: „Wie vorauszusehen, ein Derby, das mehr durch Kampf als durch schönen Fußball charakterisiert wurde. Wir waren bisher ein bissel vom Pech verfolgt. Deshalb freue ich mich besonders über den Punkt. Ich glaube, das 2:2 ist nicht unverdient. Offenbach war die geschlossenere Mannschaft, die flüssiger spielte, und sie bleibt Anwärter auf einen der vorderen Plätze. Großartig Preisendörfer."

Auch Eintracht-Spielausschußvorsitzender Berger war von Preisendörfer beeindruckt. Von seinen Leuten imponierte ihm der Schwerarbeiter Kreß. „Die beiden Offenbacher Tore hätten aber nicht fallen dürfen." Günter Wölbert ('Der neue Sport' vom 25.02.1957)

 

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