Eintracht Frankfurt - Viktoria Aschaffenburg

Oberliga Süd 1955/56 - 5. Spieltag

1:1 (1:1)

Termin: 01.10.1955
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Tschenscher (Mannheim)
Tore: 1:0 Richard Kreß (15.), 1:1 Rarrasch (32.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Viktoria Aschaffenburg

 


  • Paßler
  • Mirsberger
  • Buller
  • Bahlke
  • Schmitt
  • Walther Giller
  • Staab
  • Neuschäfer
  • Budion
  • Rarrasch
  • Schnabel

 

Trainer Trainer
  • Ludwig Janda

 

Aschaffenburger Kampfgeist groß

Wenn man seine Zeit verschläft

Es war wie ein Gewitter, das sich über dem Riederwald entlud. Ein Tänzchen wollten sie machen, die Eintrachtspieler, kreiselten und kriselten die Viktoria ein und vergaßen im Uebermut, daß nur die Tore zählen. Der Schwung und Elan der Frankfurter hielt sich sichtbar in Grenzen. Der „jugoslawische" Marsch aufs Tor löste sich auf, wenn der Schuß kommen sollte; man reichte sich das Bällchen hin- und herüber; man ließ die Wucht sich entwickeln, wo es auf die genaue Placierung ankam. Und der Uhrzeiger schritt voran.

Als es 1:0 stand, wagte niemand zu zweifeln. Als es 1:1 stand waren die Anhänger noch unbekümmert, aber die erste Verzagtheit machte sich bemerkbar unter den Spielern selbst. Und dann kam etwas, was fast kaum beschrieben werden kann. Aus einer Elf, die mit Minderwertigkeitskomplexen beladen schien, entwickelte sich eine Mannschaft, die nur noch das Ziel kannte, das Unentschieden zu verteidigen. Mit ihren Leibern schirmten sie den Strafraum. In diesem Augenblick noch hinten, rasten sie im nächsten nach vorne und entwickelten immer neue Energien. Eine Mannschaft mit Kompressor. Das BCA-Debakel sollte mit einem Uebersoll ausgelöscht werden, und einem solch entfesselten Kampfgeist gegenüber wurde die Eintracht immer mutloser, nervöser, verzagter. Sie ging ihren Weg ins Unentschieden, der auch ein Weg in die Niederlage hätte werden können, so unabänderlich und klar, wie sie sich anfangs zum Weg in den Sieg aufgemacht hatte. Der Eifer ist es, der die Spiele entscheidet!

Paßler mit einem Dutzend Händen

Für diese Kämpferelf gibt es nur ein einziges Lob. Wenn lediglich Giller etwas blasser wirkte, so darf man ihm doch wenigstens bescheinigen, das seine Schüsse jedesmal in Torrichtung donnerten und manche Gefahr heraufbeschworen, phantastisch aber waren die übrigen Deckungsspieler, allen voran Paß1er, der Torhüter mit einem Dutzend Händen, die in jede Richtung zu greifen schienen, die einmal einen kaum haltbaren Ball noch zur Ecke abgleiten ließen. Da waren die Verteidiger, Mirsberger vor allem, die Ball um Ball zurückjagten, da war B. Schmitt, der einen Nationalspieler — Hoffmann — vertreten mußte und ihn wahrhaft vertrat.

Der Sturm war von Ludwig Janda so aufgestellt, daß er aus der Tiefe der Verteidigung heraus gefährlich werden sollte. Die Aufgabe als zurückgezogener Mittelstürmer löste Budion, der vor allem mit dem Dirigenten Neuschäfer Kontakt hielt. Rarrasch war der Mann des unhaltbaren Ausgleichstreffers, Schnabel unermüdlich wie ein Polizeihund. Ueberhaupt: fünf Stürmer wurden zu fünf Verteidigern, wenn es galt.

Früh verspielt

Der Fehler, den die Eintracht machte, lag ursächlich tiefer, als daß man ein einfaches Rezept wüßte, wie sie diesen Kordon hätte durchbrechen sollen. Sie ließ es erst soweit kommen, als sie ihre Anfangszeit nicht nützte. An Chancen war genug vorhanden, solange ihre Technik erstrahlte. Es lag nicht an der Hintermannschaft, in der der zurückgekehrte Rothuber kaum einen Fehler machte, es lag aber schon zum Teil an den Läufern, von denen Wloka noch nicht „die Wolke" von einst ist. Schymik verhaspelte sich und baute nicht auf, und Remlein war diesmal in den andern Omnibus, den der Abwehr, umgestiegen, und prompt fehlte er im Aufbau...

Kreß hatte die größte Durchschlagskraft, wurde aber blind im Uebereifer, als er zweimal am leeren Tor stand. Pfaff hatte keine VfR-Leistung, gehörte aber ebenso wie der „steigende" Weilbächer zu den positiven Kräften. Bäumler und Geiger (dieser bei Kopfbällen immer noch etwas steif) gingen zu wenig von ihrer Flügelaufgabe aus. Sie rannten sich mit in dem Strafraum fest und verschenkten ihre besten Möglichkeiten.

Das Spiel begann so, als müßte es einen ganz klaren und sicheren Eintrachtsieg geben. Der Kombinationsteppich, den die Frankfurter ausbreiteten, ließ zwar im Mittelstück ein paar Webfehler erkennen, aber schon ließen Schüsse von Kreß und Bäumler den langen Paßler erzittern, und als Pfaff einmal zögerte, war es wiederum Kreß, der mit Härte schoß, sein Ziel indessen verfehlte. Nicht ganz klar wurde den Frankfurtern, als sie in der 15. Minute in Führung gingen, daß ihr Erfolg ein Zufallsding war, sonst hätten sie wahrscheinlich ihre Zeit besser genützt.

Wie so oft, hatte ein Freistoß Pfaffs die Situation eingeleitet, doch wurde der Freistoß von der Aschaffenburger Mauerdeckung zurückgegeben, und der Ball kam nun von Remlein erneut ins Gewühl. Abgelenkt zum zweiten Male, verirrte sich der Ball weit auf die rechte Torseite, wohin der getäuschte Paßler gerade noch hinzukommen suchte. Der Ball wäre wohl an den Pfosten gewandert, hätte ihn Kreß nicht im rasanten Spurt erwischt und noch eingelenkt. Ein phantastische Flanke Bäumlers zum 2:0 wurde vergeben, dann hatte sich Kreß am Tormann vorbeigespielt und stand allein vor dem Tor. Aber in der Aufregung und aus ungünstigem Winkel knallte er unnötig hart ans — Außennetz. Das war ein Tor wert, auch ein Freistoß Pfaffs, der nun die Mauer überflog und von Bäumler in vollem Lauf danebengezielt wurde. Vergnügen, als Schmitt sich einen Ball stoppte, den Kreß schmunzelnd übernahm — aber alles mißlang. Zum erstenmal mußte sich Rothuber strecken, um einen flachen Freißstoß Gillers zu erwischen.

Es war die Ouvertüre zum 1:1, denn Sekunden später hatte Rarrasch eine Vorlage Neuschäfers aufgenommen, und herrlich halbhoch jagte der Exsiegener den Ball ins rechte Toreck. Rothuber konnte den Ball nur noch berühren.

Der Faden war bei der Eintracht jetzt abgerissen, Aschaffenburg wurde ungeahnt munter, und trotzdem war das 2:1 nahe, als Kreß erneut dicht vors Tor vorgedrungen war — den Tormann hinter sich — und den Ball mit Ueberdruck anhob daß er an die Latte prallte; dabei war er — wenigstens aus der Zuschauersicht — so leicht einzuschlenzen! Aber als Zuschauer hat man's, wir geben es gerne zu, leichter! Auch Staab machte Rothuber mit einem Schuß Mühe.

Anfangs der zweiten Halbzeit hätte es beinahe einen „Geiger-Zähler" gegeben, doch ging sein Schuß um 50 cm vorbei. Glanzvoll gezielt war ein Freistoß Pfaffs auf den Kopf Weilbächers, aber dieser stieg zu spät hoch, und als über Pfaff, Geiger, Kreß, Bäumler eine sehenswerte Kombination wanderte, als Kreß eine Geigerflanke so gut schoß, daß Paßler nur mit wahrer Fingerfertigkeit noch die Ecke erreichte, war Frankfurt noch optimistisch. Doch wandte sich nun das Blatt. Die Eintracht spielte eng, ungenau, unsicher. Die Deckung Aschaffenburgs wurde unbezwinglich, Paßler hielt alles, was ihm entgegenflog. Immer häufiger wurden die steilen Angriffe der Gäste, aus dem Nichts der Abwehr heraus vorgetragen und gefährlich genug. So kam es gar einmal zu einem Abseitstor Neuschäfers. Spätestens von der 70. Minute an erkannte jeder, daß die Eintracht über ein 1:1 nicht mehr klettern könne. (aus 'Der neue Sport' vom 03.10.1955)

 

 

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