Eintracht Frankfurt - VfR Mannheim

Oberliga Süd 1955/56 - 3. Spieltag

5:3 (2:2)

Termin: 11.09.1955
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Scheuring (Schweinfurt)
Tore: 0:1 O.Meyer (2.), 0:2 Wirthwein (5.), 1:2 Alfred Pfaff (8.), 2:2 Hans Weilbächer (15.), 3:2 Hans Weilbächer (51.), 3:3 de la Vigne (60.), 4:3 Hermann Höfer (77.), 5:3 Erich Bäumler (83.)

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt VfR Mannheim

 


  • Weitz
  • Hofmann
  • Heitmann
  • Schreck
  • Keuerleber
  • Heckmann
  • Wirtwein
  • H.Mayer
  • O.Meyer
  • Laumann
  • de la Vigne

 

Trainer Trainer
  • Hans Pilz

Der Tag des Alfred Pfaff

Das war ein Spiel! Vielleicht fehlte ihm die große Linie, trotzdem war es die beste Reklame für den Fußball: Die Tore fielen manchmal wie reife Pflaumen vom Baum, vor den Toren spielten sich dramatische Szenen ab, oftmals verhüteten Pfosten und Verteidigerbeine das Schlimmste, und es wurde geschossen, daß es eine wahre Pracht war.

Die Schußfreudigkeit der zehn Stürmer war nicht verwunderlich. Sie hatten bald spitz gekriegt, daß die Torhüter nicht auf dem Posten waren, Rothuber und Weitz sind eine Idee zu klein geraten für diesen bedeutsamen Posten, und als ihnen gleich zu Beginn ein paar Fehler unterlaufen waren, da wurden sie unsicher. Somit bot sich den Stürmern das Toreschießen an. Dabei waren es nicht einmal so die bekannten Torjäger wie Kreß und Meyer, die sich hervortaten. Beide waren bei Keuerleber bzw. Höfer gut aufgehoben. Immerhin hatte innerhalb der ersten fünf Minuten Meyer ein Tor geschossen und ein weiteres vorbereitet.

Daß dieses 0:2 ausgelöscht wurde, ist das Verdienst eines Mannes: Alfred Pfaff. Er hatte einen Tag, so beschwingt und so hinreißend, daß man ihm für das nächste Vierteljahr im voraus schon verzeihen möchte, wenn er wieder einmal zu lethargisch sein sollte. Pfaffs direkter Freistoß hatte Seltenheitswert, so raffiniert war er ausgeführt. Nicht nur Weitz, und die Mannheimer Spieler, Ja auch die Zuschauer dachten, der Ball käme mitten auf das Tor. Da machte der Ball im Flug einen Bogen und war im Netz. Dieses Anschlußtor war die belebende Spritze für die Eintracht.

Auch bei den Mannheimern, die ein prächtiges Junges Spielermaterial auf das Feld brachten, machte im Grunde genommen ein Mann das Spiel: der unverwüstliche de la Vigne. Schon einige Jährchen aus dem Schneider raus, waren es seine Vorlagen, die Mannheims Sturm ankurbelten. De la Vigne schaffte für zwei, nein für vier. Eben half er noch hinten aus, da war er im nächsten Augenblick schon wieder im Frankfurter Strafraum. Sein Tor, das Ausgleichstor: eine Faustabwehr Rothubers volley zurückgeschickt, so etwas macht nur ein alter Fuchs!

*

Die 7000 am Riederwald erlebten einen überraschenden Auftakt. Die Eintracht, die noch im Vorjahr gegen die Mannheimer 7:1 gewinnen konnte, lag innerhalb von vier Minuten mit 0:2 im Rückstand. Die Mannheimer, die wieder mit de la Vigne auf dem linken Flügel antreten konnten, trugen ihren ersten Angriff auf der rechten Flanke vor. Kudraß wurde von Wirthwein versetzt und der schnelle Rechtsaußen flankte so maßgerecht, daß sogar Höfer in Verwirrung kam. Höfer verpaßte den Ball, beging ein Foul an Ötti Mayer und den Freistoß schoß Meyer vortrefflich durch die Eintrachtmauer zum 0:1. Der Gegenangriff wurde von dem unsicheren Torhüter Weitz gestoppt, als er Geigers Schuß aus der Ecke holte. 2 Minuten später aber wurde Kudraß erneut durch einen Steilpaß überlistet, und Wirthwein schoß zum 0:2 ein.

Das war ein Auftakt, wie man ihn sich nicht toller vorstellen konnte. Es war das Glück der Eintracht, daß sie sich aber dadurch nicht verwirren ließ. Sie schaltete sofort verstärkt auf Offensive um, wobei sich Schymik, Remlein und besonders Pfaff als Spielgestalter hervortaten. Schreck verursachte ein Foul an Kreß und der Freistoß wurde von Pfaff aus halblinker Position in 20 m Entfernung so raffiniert mit Effekt geschossen, daß Torhüter Weitz den Ball falsch berechnete und das Leder ins kurze Eck einschlug. Bereits 30 Sekunden später hätte das 2:2 zustande kommen können, als Weilbächers Flanke von Weitz verpaßt wurde und Geigers Kopfball knapp über die Latte ging. Den Ausgleichstreffer verdankte die Eintracht wieder einem Freistoß von Pfaff, denn Schreck hatte Bäumler unfair gestoppt und Pfaffs Freistoß schwebte in den Strafraum und Weilbächers Kopf besorgte den Ausgleich.

Nach der Pause, als Pfaff und Remlein zur Offensive riefen, sich Schymik überlegt und drängend einschaltete, Kreß den langen Keuerleber wiederholt narrte, daß es dem alternden Langen bald zu bunt wurde und er sich doch mehr um seinen Strafraum, als um Kreß kümmerte, da hätte nur die Deckung sich auch steigern müssen. Was sich nämlich zwischendurch im Eintrachtstrafraum ereignete, war zumindest ebenso brenzlich, wie drüben nach Pfaffs Freistößen und den „Fehlzündungen" von Weitz. Ihm eiferte Rothuber wohl in der Nervosität, zum Glück für die Eintracht aber in der Waghalsigkeit nicht nach. Als er Oetti Meyers Prachtschuß nach dem 2:2 „tötete" hatte er wohl seinen größten Moment. Sonst stand ihm aber auch das Glück zur Seite, am größten wohl, als Laumann an Kudraß vorbeizog und den Pfosten traf. De la Vigne, der gute alte „Bella", schaltete sich jetzt immer zweckmäßiger in der zurückgezogenen Rolle ein. Er stand dann auch goldrichtig, um Rothubers Faustfehler mit einem Volleyschuß bester Güte auszunutzen. Dieses 3:3 entfachte die Mannemer in einer Art, wie man sie eigentlich sonst nur an ihren Brauereien kennt. Gradlinig konterten sie, wurden robuster und härter. Die Außenläufer Schreck und Heckmann „heckten" manches Ding aus, das der Eintracht den Schrecken in die Beine jagte. Rothuber faustete Wirthweins Flanke (65.) so kunstgerecht unter seine eigene Latte, daß die Eintrachtanhänger sicher dem kleinen Schiedsrichter Scheuring alle Nachsicht bei vorhergegangenen Derbheiten verziehen, als er Heckmanns unfaires Drängen gegen Rothuber sah und auf Freistoß auf der Torlinie erkannte.

Das Spiel schien verloren, so meinten die Schwarzseher, zumal Höfer schmerzverzerrt als Statist auf den Flügel ging. Bechtold spielte Stopper, und ein Schaffer wie Kreß, der vorher im Sturm fleißig rackerte und oft wenig überlegte, schanzten den Strafraum so ein, daß es nach Höfers Gewaltleistung sogar noch zu einem weiten Steilpaß aus diesem Deckungsring reichte, der endlich alle Zweifel in diesem Nervenspiel beseitigte, das man sicher ebenso lange in Erinnerung behält, wie das vorjährige kinderleichte 7:1. (aus 'Der neue Sport' vom 12.09.1955)

 

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