Kickers Oxxenbach - Eintracht Frankfurt

Oberliga Süd 1953/54 - 22. Spieltag

2:1 (0:0)

Termin: 31.01.1954
Zuschauer: 18.000
Schiedsrichter: Meißner (Nürnberg)
Tore: 0:1 Richard Kreß (55.), 1:1 Kircher (62.), 2:1 Schreiner (70.)

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Kickers Oxxenbach Eintracht Frankfurt

  • Zimmermann
  • Emberger
  • Magel
  • Keim
  • Kämmerer
  • Weber
  • Kaufhold
  • Schreiner
  • Preisendörfer
  • Wade
  • Kircher

 


 

Trainer
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Trainer

Super-Derby bei Rekordkälte

Das war das Derby in Potenz. Unter der Sonne des frostklirrenden Wintertages verblaßte alles, was in dieser Saison bisher an Derbys geboten wurde, auch das letzte am Riederwald. Der Bieberer Berg war zwar nicht so mit Zuschauern beladen wie der Eintrachtplatz vor acht Tagen; aber unter den 34000 befand sich kein Indifferenter, keiner, der nur aus „gesellschaftlichen" Gründen gekommen wäre.

Dazu war es einfach zu kalt. Es kamen nur die, die den Frost nicht zu fürchten brauchten, die von innen her glühten. Sie brauchten es nicht zu bereuen. Die Glut wurde neunzig Minuten lang geschürt. Es gab keine tote Stelle, und keine kalten Herzen. Höchstens ein paar kalte Füße. Es wurde getrommelt und gekontert, Gewalt angewandt und Gewalt gebrochen Das Mittelfeldspiel fiel diesmal aus. Es wurde wegen Zeitnot gestrichen. Neunzig Prozent des Spiels krampften sich in und um die Strafräume zusammen und siebzig Prozent um den Eintrachtstrafraum.

Wie ein Hornissen-Schwarm

Die Kickers fielen über die Eintracht her wie ein Schwarm Hornissen. Bis zur 22. Minute blieb den Riederwäldern nichts anderes übrig, als wild um sich zu schlagen: Schreiner schoß knapp über, Wade an die Latte. Preisendörfer drehte sich fast den Kopf ab, als er das Leder in die äußerste Ecke stoßen wollte, aber Henig lag schon bereit. Schreiner schickte eine Genie-Vorlage hinter den Rücken von Kudraß und Kaufhold raste aufs Tor, schoß zweimal, und zweimal in einen Wall von Leibern, der plötzlich vor ihm auftürmte, Wade wuchtete aus dem Hinterhalt, aber Henig drückte den Ball über die Latte. Derselbe Henig streckte sich vergeblich nach einer der Kickers-Ecken, die diesmal im Dutzend geliefert wurden.

Zweiundzwanzig Minuten lang war es, als ob die Kickers die Eintracht einfach umwerfen, einfach vom Platz fegen wollten; aber sie erreichten nur das Gegenteil: Die Eintrachtabwehr versteinerte unter dem Druck. Sie lag schließlich wie ein Felsblock auf dem Bieberer Berg, ein Felsblock, der sich nicht von der Stelle rührte. Plötzlich war Kreß nach einer Vorlage von Pfaff allein im Offenbacher Strafraum, keiner lief in die Schußrichtung, keiner hing ihm unmittelbar an den Fersen; aber Kreß gab in einem seiner typischen Anfälle von übertriebener Bescheidenheit an Dziwoki weiter, der zwar auch frei, aber viel ungünstiger stand als er.

Immerhin, ein Menetekel war aufgeflammt, ein Schreckschuß für die Kickers. Sie stürmten zwar weiter, aber etwas gedämpfter. Das Hemmungslose, Unbeschwerte, Explosive verflüchtigte sich allmählich. Nur einmal noch bot sich Preisendörfer eine Chance von der Qualität derer, die in den ersten 22 Minuten, vor dem Intermezzo des Eintrachtangriffs, serienmäßig anfielen. Doch Preisendörfer traf nach einer Vorlage Kaufholds nur das Außennetz. Das übrige meisterte die Eintrachtabwehr mit kühlerer Gebärde als vorher. Das 0:0-Halbzeitergebnis bahnte sich an.

Ein echtes Meisterstück

Es war ein Meisterstück, diesen Malstrom zu entfesseln und es war ein Meisterstück, diesen Malstrom immer wieder zu brechen oder abzulenken. Die Kickers legten ihre Angriffe vielleicht um eine Nuance zu zentral an. Nur relativ selten kam der Ball zu Kaufhold durch, der allerdings auch von einem Kudraß betreut wurde, dessen scharfes Markieren reif für einen Lehrfilm ist. Die Kickers provozierten so eine Deckungsdichte, wie sie die Riederwälder lange nicht mehr erreichten.

Das lag zum Teil daran, daß man mit der Aufstellung Reicherts als linkem Verbinder, wo bisher Pfaff (diesmal Linksaußen) stand, einen weiteren fanatischen Abwehrspieler hinzugewonnen hatte. Das lag aber noch mehr daran, daß man allgemein mit einer Aufopferung kämpfte, die bis an die Grenze des Möglichen ging. Augenfälligstes Beispiel lieferte wieder einmal Weilbächer. Seine krachenden Zweikämpfe mit Weber sahen aus wie Duelle von Robotern. Wirkung und Gegenwirkung hoben sich fast auf, und keiner ließ nach. Da auch Keim zu eigentlicher Gedankenarbeit nie kam, riß zunächst Wade die Steuerung des Geschehens an sich. Der Gymnasiast legte in der ersten Viertelstunde endgültig das Fußball-Abitur ab. Mit seinen kurzen, stampfenden Schritten wühlte er den Brei im gegnerischen Strafraum immer wieder auf und versagte nur, wenn er plötzlich in die Situation des Vollenders kam. Hier fehlten ihm noch die Nerven.

Wie dem auch sei, es bedurfte eines langwierigen, zermürbenden Kleinkrieges, ehe sich Remlein gegen den Offenbacher auf sein sonstiges Niveau hinaufgearbeitet hatte. In der Zwischenzeit schuftete Heilig wieder einmal für zwei. Werner verwandelte jede Gasse, die sich auf tat, wieder in eine Sackgasse. Er und Wloka, der den Luftkampf gegen Preisendörfer klar für sich entschied, hatten die auffälligsten Verdienste an dem 0:0 der Halbzeit. Die anderen taten ebenfalls mehr als ihre Pflicht, und Bechtold lieferte späterhin eine persönliche Bestleistung. Gegen diesen fehlerfrei arbeitenden Mechanismus trotzdem ein halbes Dutzend oder mehr absolut torreifer Gelegenheiten erarbeitet zu haben, stempelt die Kickers endgültig zum heißen Meisterschaftsfavoriten.

Es blieb schleierhaft, wie sie das machten. Preisendörfere war gebunden. Kaufhold gewann gegen Kudraß kaum einen Meter Raum. Wade konnte seinen berauschenden Start nicht ganz durchhalten und die Außenläufer steckten bis über den Hals in Zeitnot, ohne allerdings je die Vorherrschaft im Mittelfeld ganz zu verlieren. Vielleicht strahlten der Kobold Schreiner und der wuchtige Kircher die größte Gefahr aus, im Grunde aber handelte es sich um eine Ueberlegenheit, die irgendwo im team work wurzelte. Die Vorteile, die ein Offenbacher Spieler herausarbeitete, haben — zusammengenommen — die Vorteile, die sich sein Riederwälder Gegenspieler errang, kaum überragt; aber die Vorteile der Offenbacher paßten besser zusammen. Das war's wohl.

2:0-Führung verpaßt

Die 46. war von der Eintracht als die Minute ausersehen worden. Mit dem tüchtigen und tapferen Reichert als Verbinder und Pfaff als frierenden Linksaußen war der Umschwung nicht zu schaffen. Mit Pfaff als offensivem Halbstürme, schwächte man vielleicht die Deckung entscheidend. Man wagte die Umstellung trotzdem. Und sie glückte. Daran änderte auch die Niederlage nichts. Pfaff inszenierte eine beschwingte Viertelstunde, und Reichert gab aus seiner neuen Stellung die Vorlage zum Führungstreffer der Eintracht, den Kreß im Fallen aus nächster Nähe über die Linie bugsierte (Zimmermann im Offenbacher Tor war längst angefroren). Pfaff hielt auch bis zum Schluß alle Möglichkeiten offen. Die moralische Wirkung des Führungstreffers war so stark, daß die nachstoßenden Riederwälder das 2:0 (als Remlein in den Strafraum vorstürzte, jedoch einen Deckungsspieler anschoß) und das 3:0 (als Dziwocki durch eine selbstlose Täuschung Weilbächer in günstige Schußposition brachte) auf der Pfanne hatten.

Hier erhielt das Spielgeschehen wieder einen Knick. Wenige Minuten später baute die Klasse-Deckung der Riederwälder eine Mauer falsch, so daß Kircher einen Freistoß flach in der äußersten Ecke unterbrachte. Der Schaden war repariert. Kobold Schreiner erschien bei einem Einbruch Kaufholds, der sich schon im Gedränge zu verfilzen schien, genau im richtigen Augenblick, um den Ball an Freund und Feind vorbei zum Siegestor ins Netz zu stoßen. In leicht abgeschwächter Gangart, bei der die Eintracht nun ständig auch offensiv in den Ablauf eingriff, trieb das Super-Derby dem Schlußpfiff zu. (aus 'Der neue Sport' vom 01.02.1954)

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