Eintracht Frankfurt - FSV Frankfurt

Oberliga Süd 1953/54 - 21. Spieltag

1:2 (0:2)

Termin: 24.01.1954
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Jakobi (Mannheim)
Tore: 0:1 Popovic (16.), 0:2 Popovic (37.), 1:2 Weilbächer (53.)

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Eintracht Frankfurt FSV Frankfurt

 


  • Klemm
  • Nold
  • Lurz
  • W.Mayer
  • Schwarz
  • Niebel
  • Kunkel
  • Popovic
  • Herrmann
  • A.Meyer
  • Kraus

 

Trainer Trainer
  • ??

Pfaff verschlief die erste Halbzeit - Herrmann riß Bornheim mit

War es ein großes Lokalderby, fragten sich die 35 000 Zuschauer nach dem Schlußpfiff des jungen Jakoby aus Mannheim, der mit Beifall empfangen und mit Beifall entlassen wurde? Wir sagen ja.

Von dem Champagner-Fußball, den die Eintracht beim Vorspiel serviert hatte, war diesmal zwar nur „ein schäbiger Rest" übriggeblieben. Aber als Kampf hatte die Begegnung schon Format und da der Ausgang bis zur letzten Sekunde offen blieb wie ein Scheunentor, kam man schon auf seine Rechnung. Enttäuscht konnte höchstens werden, wer seine Erwartungen auf die Höhe des Feldbergs geschraubt und vergessen hatte, daß es unendlich schwer ist, auf einem derart hartgefrorenen Boden das Leder wunschgemäß tanzen und laufen zu lassen.

Bornheims großer Kampfgeist

Die Bornheimer, in blendender Kondition, ehrgeizig, und von bewundernswertem Siegeswillen durchdrungen, stellten sich von aller Anfang taktisch richtig auf das Terrain ein. Sie pfiffen auf allen Firlefanz und alle Ballzauberei — sie spielten nüchtern, sachlich und geradlinig, ließen sich auf keine Tändelei und keine unzweckmäßigen Kurzkombinationen ein, sie schlugen das Leder mit weiten Schlägen nach vorne, und zogen es so geschickt und schnell auseinander, daß die Eintrachtdeckung, die sonst so sichere, stabile, bald einem Koloß auf tönernen Füßen glich und zu wackeln begann wie ein Schilfrohr im Novembersturm. Den Bornheimern las man die Entschlossenheit, es diesmal der Eintracht zeigen zu wollen, geradezu an den Mienen ab, sie gingen mit jener Entschlossenheit und jenem Elan in den Kampf, mit dem vor acht Tagen auch Hessen Kassel die Eintracht in die Knie gezwungen hatte und als sie sich ihren wohlverdienten 2:0-Vorsprung gesichert hatten, verteidigten sie ihn mit einer Energie, der Berge zu versetzen vermag. Daß sich im entscheidenden Augenblick auch das Glück auf ihre Seite schlug, war ganz an der Tagesordnung. Wer so zu kämpfen versteht, dem gehört die Siegespalme.

Die Eintracht wurde sich des Ernstes der Situation erst bewußt, als der Omnibus schon abgefahren war. Sie spurtete ihm dann zwar im Fütterer-Tempo nach. Aber es war zu spät. Der Vorsprung der Bornheimer hatte bereits Gardemaß angenommen, man kam zwar noch bis auf Tuchfühlung heran, aber dann erlahmte die Kraft und zum Schluß hatte die Eintracht buchstäblich das Nachsehen. Genau genommen, beging also die Eintracht den gleichen, unverzeihlichen Fehler wie gegen Jahn Regensburg und auch diesmal war Pfaff der „Sündenbock", obwohl ein krasser Fehler Henigs den entscheidenden Treffer des gutaufgelegten, zweifachen Torschützen Popovic heraufbeschwor.

Der Fehler lag bei Pfaff

Pfaff spielte in der ersten Hälfte mehr den Zuschauer als Akteur, er machte lieber einen Schritt zu wenig als einen zuviel und ließ alle fünf gerade sein. Er fiel nahezu völlig aus und weil Weilbächer gegen den hervorragenden Niebel nur selten zu Wort kam, ging im Eintrachtsturm kaum etwas zusammen. Kreß war zumeist ganz auf sich selbst angewiesen, brach jedoch einige Male schön nach den Flügeln aus und servierte Dziwoki und Weilbächer auch zwei bildhübsche Vorlagen, die normalerweise zu Treffern führen mußten. Aber beide hatten die verkehrten Schußstiefel angezogen und ballerten diese Goldchancen in den blauen Winterhimmel. Auch Ebeling war nicht recht auf Draht, er fing zudem bald zu knappen an und hatte Mühe, die ganze Zeit durchzustehen.

In der Pause schien bei Pfaff der Wecker gerasselt zu haben, er wurde nun aktiver und lebendiger — aber das Angriffspiel der Eintracht blieb verworren, verkrampft und zerhackt. Es war ein Mischmasch von kurzen Flachkombinationen und weitem Flügelspiel, aber nichts Halbes und nichts Ganzes, und mit der Schußsicherheit war es auch jetzt nicht weit her. Ebeling und Dziwoki hatten es fast ein halbes Dutzendmal am Fuß, das Blatt zu wenden — aber sie schossen schlecht wie jenes französische Peleton, das Andreas Hofer noch in seiner Todesstunde bedauerte. Wir hatten vor drei Tagen in Bologna Italiens junge Stürmer Tore schießen sehen, daß die Balken krachten — hätten die Eintrachtstürmer nur 50 Prozent dieser Schußkraft geborgt, wäre Klemm bös in die Klemme geraten.

Sie konnten sich auch an Popovic und Herrmann ein Beispiel nehmen, die beide stürmten und schossen, daß es ein Vergnügen war, sie am Ball zu sehen, und auch der kleine, sonst nicht sonderlich disponierte Kunkel, ließ einmal einen Schuß vom Stapel, der ausstellungsreif war.

Englische Klasse: Jakoby

Der überlegte Niebel und der schnelle, harte Werner Mayer trugen mit Remlein und Werner Heilig ein hartnäckiges und erbittertes Duell um die Mittelfeldherrschaft aus, das unentschieden ausklang — vielleicht hätten aber auch hier die Bornheimer nach Punkten gesiegt, würde auch im Fußball nach Punkten gewertet. Niebel und Mayer fanden mit ihrem Zuspiel jedenfalls öfter ihren Mann als die beiden Eintrachtler, sie spielten auch schneller ab, und darin war die ganze Bornheimer Elf ihrem Gegner überlegen. Die Abwehr der Elf vom nachbarlichen Hang fabrizierte diverse Kerzen, aber ohne damit Dachschaden anzurichten, sie war kompakter und insgesamt undurchdringlicher als die der Eintracht, in der vor allem Bechtold reichlich konfus und unsicher wirkte. Auch Kudraß war lange nicht so sicher im Abschlag wie sonst, Wloka wurde von Herrmann unter Dauerdruck gesetzt, hielt sich aber gegen den Reißer und Spielmacher der Bornheimer, aus dessen klugem Spiel Popovic am meisten profitierte, insgesamt recht wacker. Klemm stach Henig eindeutig aus — er griff vor allem in der zweiten Halbzeit etliche Male unvorstellbar schnell und geistesgegenwärtig zu!

Daß der Kampf trotz der Härte des Bodens und der Höhe des Einsatzes ohne einen einzigen Mißton verlief, war ausschließlich Jakobys Verdienst. Er war die ideale Schiedsrichterfigur, immer auf der Höhe des Balls, immer korrekt in seinen schnell getroffenen Entscheidungen und von einer unauffälligen Autorität, die allen Widerspruch ausschloß. Hier pfiff der deutsche Ellis — und mit ihm stand der beste Mann dieses vom FSV verdient gewonnenen Derbys auf dem Platz!

Zwei brillante Tore von Popovic

Den ersten Vorstoß unternahm die Eintracht, er führte sie bis zu einer Eckfahne, wo er sich festlief. Eine Minute später kam die Eintracht zu ihrem ersten Eckball. Das heißt, zuerst warf Werner Mayer den Ball ein, genau Herrmann vor die Beine, aber Heilig schaltete sich dazwischen, seinen weiten Schlag erlief sich Kreß, der gegen Schwarz den ersten Eckball dieses 103. Derbys erzwang. Im Mittelfeld waren sich zu diesem Zeitpunkt beide Gegner gleichwertig, nur die Eintrachtstürmer schossen beherzter und häufiger. Weilbächer schoß über die Latte, Remlein aus 25 Meter neben Klemms Tor. Ein Abwehrfehler aber ließ Popovic plötzlich freie Schußbahn, aber der Ungar zog den Ball am Tor vorbei.

Gerade war ein weiterer Eintrachtangriff festgefahren, da kam der Sportverein zu seiner l:0-Führung. Niebel führte mit weitem Schlag von der Mittellinie aus einen direkten Freistoß aus. Herrmann und Wloka kämpften um den Ball und während der Nationalspieler stürzte, köpfte Wloka den Ball weg. Aber nicht weit genug, die gesamte Eintrachtabwehr sah erstarrt zu, wie Popovic den Ball direkt aufnahm und unhaltbar ins Netz jagte. Zwei Eckbälle des FSV landeten hinter dem Tor, einmal war Kraus der Sünder, das zweite Mal Kunkel. Die Eintrachtabwehr zeigte plötzlich viele Schwächen, das Mittelfeld ging an den FSV verloren. Als Niebel Herrmann einsetzte, blieb der Mittelstürmer erst an Bechtold hängen, nachdem er Wloka glatt überlaufen hatte.

Der erste gute Eintrachtvorstoß hätte beinahe zum Ausgleich geführt. Kreß setzte Ebeling ein, der den Ball nach kurzem Lauf an Kreß zurückgab. Von Kreß aus wanderte der Ball zu Dziwoki, dessen Kopfball fischte sich aber der aufmerksame Klemm vom Boden auf. Drei Minuten später hing der Himmel für Bornheim voller Geigen. Kraus schickte den dritten Eckball für seine Farben ganz knapp vors Eintrachttor, Popovic reckte sich hoch und köpfte den Ball über Henigs ausgestreckte Faust hinweg ins Netz.

Eine große Chance vermasselte dann Pfaff, als er mit dem rechten Fuß schoß und der Ball weit neben das Tor flog. Aber hinten sah es noch schlimmer aus, die Eintrachtabwehr geriet ganz aus dem Leim — ein ungewohntes Bild. Als Kraus sich eine leichtsinnige Rückgabe Bechtolds erlief, war Henig um den berühmten Sekundenbruchteil früher am Ball. Mit viel Mühe und viel Glück kam die Eintracht um weitere Verlusttore, für sie war der Pausenpfiff eine Erlösung.

Dziwoki vergab den Ausgleich

Die Eintracht kam ohne Ebeling aus den Kabinen wieder, der Linksaußen betrat erst fünf Minuten später, leicht humpelnd, das Feld. Mit breit angelegten Angriffen versuchte die Eintracht, das Steuer herumzureißen. Es schien so, als sollte es gelingen, denn in der 54. Minute kam man zum Gegentreffer. Popovic hatte Kreß ohne Ball gesperrt, Pfaff schickte den Freistoß in den Strafraum und ehe es sich die Bornheimer Abwehr versah, hatte Weilbächer eingeköpft. Fünf Minuten später lag der Ball zum zweiten Male im Bornheimer Tor und es erhob sich ein Proteststurm, als Jakobi diesen Treffer nicht anerkannte.

Die Schreier bewiesen, daß sie keine Regelkenntnis besaßen. Klemm hatte einen Schuß Ebelings abgewehrt, Dziwoki hob den Ball über den Sportvereinsschlußmann hinweg und an dem auf der Torlinie stehenden Pfaff vorbei ins Tor. Doch das war das Entscheidende: Pfaff stand mutterseelenallein auf der Torlinie und damit abseits. Die Eintracht drängte, aber die FSV-Abwehr wankte nicht. Eine dicke Chance verschoß Dziwoki — aber die wenigen Vorstöße Bornheims schienen gefährlicher. Popovic hob den Ball auf die Latte und als im Gegenzug die Eintracht zu einer weiteren Ecke kam, ging selbst Wloka nach vorne. Umsonst, Dziwoki traf den Ball nur mit der Spitze und jagte ihn weit über die Querlatte.

Zum Schluß hin machte sich der Sportverein wieder aus der Umklammerung frei — aber auch er kam zu keinem Treffer mehr. (aus 'Der neue Sport' vom 25.01.1954)

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