Eintracht Frankfurt - FC Schweinfurt 05

Oberliga Süd 1953/54 - 13. Spieltag

2:0 (0:0)

Termin: 15.11.1953
Zuschauer: 12.000
Schiedsrichter: Handwerker (Ketsch)
Tore: 1:0 Richard Kreß (46.), 2:0 Schmitt (87. Eigentor)

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Eintracht Frankfurt FC Schweinfurt 05

 


  • Geyer
  • K. Kupfer
  • Schmitt
  • Klaes
  • Merz
  • Lang
  • M. Kupfer
  • Fischer
  • Rath
  • Burkhardt
  • Aumeier

 

Trainer Trainer
  • ??

Selbsttor löste die Spannung

Knüpft die Eintracht wieder an die Tradition des Vorjahres an? Man könnte es fast meinen. Im Kampf gegen die giftgrünen und „giftigen" Schweinfurter sprach jedenfalls wieder einmal die berühmte 87. Minute das entscheidende Wort, als der Schweinfurter Verteidiger Schmitt ein geradezu klassisches Selbsttor fabrizierte.

Eine Geier-Flanke knallte er mit solcher Wucht und Präzision ins eigene Netz, daß Geiers brillantem Namensvetter aber auch nicht die winzigste Abwehrchance blieb. Erst dieses Musterexemplar von Selbsttor löste die unerhörte Spannung, die über dem schon ins Dunkel der Nacht getauchten Riederwald lagerte. Die Eintracht-Anhänger unter den 12000 Zuschauern atmeten hörbar auf und wer ein besonders scharfes Auge hatte, konnte in der Halbfinsternis auch noch sehen, wie sich ihre bis dahin angstverzerrten Mienen wieder glätteten.

Wlokas mißglückte Rückgabe

Die Eintracht hatte sich zwar schon 40 Minuten früher die heißumstrittene Führung erkämpft, als Kreß in eine von der Strafraumecke aus abgefeuerte Bombe Pfaffs sprang und das Leder mit der Stirne noch etwas abfälschte. Aber dies eine Törchen genügte nicht, um sich in Sicherheit wiegen zu, können. Die Schweinfurter, alles kräftige, athletische Gestalten, die flink auf den Beinen waren und die Lunge eines Zatopek zu haben schienen, hatten zwar zumeist nur zwei, wenn es hochkam, drei Leute vorne. Wloka war jedoch durch eine mißglückte Rückgabe in der ersten Halbzeit so nervös geworden, daß jedesmal das Schlimmste befürchtet werden mußte, wenn der Sprinter Rath an den Ball kam und da „Kapitän" Bechtold sich bei der Lösung seiner Deckungsaufgabe gar zu gut in der Rolle des „Bruders Leichtsinn" gefiel, drohte auch von der linken Schweinfurter Angriffsflanke her stets ernste Gefahr, wenn sich das Leder zufällig dorthin verirrte.

Das Selbsttor Schmitts (wahrscheinlich ein ungewolltes, freilich etwas verfrühtes Weihnachtsgeschenk an Willy Balles, der zur gleichen Zeit in Stuttgart „schwitzte") — Schmitts Selbsttor also beseitigte nicht nur alle Ausgangszweifel. Es stellte auch den Frieden auf Erden wieder her. Der war in diesem schweren, erbitterten Ringen buchstäblich mit Füßen getreten worden und die Feindseligkeiten hatten auch noch fortgedauert, als Schweinfurts Halblinker Burkhardt in der 80. Minute vom Schiedsrichter Marsch-Ordre erhalten hatte. Die Kampfeswut, die sich bis zur Rotglut erhitzt hatte, kühlte erst wieder ab, als Schmitts Meisterschuß das Siegel unter die Siegesurkunde der Eintracht setzte.

Motto: Verteidigen, verteidigen

Die Schweinfurter machten es wie vor wenigen Wochen der Neuling Hessen Kassel. Sie stellten sich von Kopf bis Fuß auf Defensive ein, hielten die Beton-Mischmaschine im Gang, pfiffen auf alle „Schönheit der Arbeit", errichteten mit acht und wenn's nötig wurde auch mit zehn Leibern einen Wall vor dem „Geyer-Käfig", und kämpften mit jener Härte, die die Schweinfurter Stahlkugeln weltberühmt werden ließen. Die logische Folge dieser rein destruktiven Einstellung war, daß sich der Verkehr auf dem glatten Rasen fast pausenlos in Richtung „Schweinfurter Tor" abwickelte. In Schweinfurts Strafraum herrschte ein fast lebensgefährliches Gedränge und die Zahl aufregender Torszenen wurde langsam Legion. Etliche Male wurde das Leder noch auf der Linie herausgeschlagen oder auf mysteriöse Weise weggeköpft.

Aber es spricht doch nur für die Qualität, für die Entschlossenheit, für die Sündhaftigkeit und für den Geist der Schweinfurter, daß sie der Eintracht solange Paroli boten und immer wieder rechtzeitig an den Notbremsen-Griff kamen. In ihren Reihen standen schon Könner von Format. Der lange Stopper Merz erinnerte an einen Tausendfüßler, Torwar Geyer stürzte sich mit schier selbstmörderischer Kühnheit ins dichteste Kampfgetümmel, der Unglücksrabe Schmitt und K. Kupfer standen wie zwei Leuchttürme, sie deckten erbarmungslos hart und schafften immer wieder Luft, Lang und Klaes (der Mitte der zweiten Halbzeit angeschlagen wurde und an den rechten Flügel ging) hingen sich wie Kletten an Pfaff und Weilbächer und auch die beiden Halbstürmer Burkhardt und Fischer leisteten in diesem wilden Abwehrkampf wertvolle Assistentendienste. Vorne lauerten Rath und Molli Kupfer auf Durchbruchschancen — der einzige Mann, der etwas enttäuschte, war der Linksaußen Aumeier. Ihm fehlte es an der Konzentration. Er bollerte einige Male blindlings in die Gegend — die größte Chance freilich versiebte Molly Kupfer, als er nur noch Henig zu schlagen hatte und den Ball am leeren Kasten vorbeischob.

Es war schwer für die Eintracht, den Schweinfurter Betonklotz zu unterminieren und zu sprengen. Sie schaffte es, weil sie in ihrem Siegeswillen nicht erlahmte, weil sie immer wieder zum Sturmangriff ansetzte und weil in der zweiten Hälfte endlich auch bei Pfaff der Groschen fiel. Er war vorher ein retadierendes Element im Eintrachtsturm gewesen, in dem sich diesmal Weilbächer die Schwerstarbeiterzulage unseligen Angedenkens verdiente, Erich Dziwoki mit ihm einen großartigen rechten Flügel bildete und Richard Kreß dem Meisterstopper Merz doch etliche Male entwischte. Er wurde auch in diesem Kampf besonders scharf aufs Korn genommen. Aber er entzog sich durch ständiges Rochieren geschickt der Eisenklammer, und servierte seinen Nebenleuten eine Reihe guter Chancen.

Pfaff hatte zunächst zu lange am Ball geklebt und ihn dann zumeist halbhoch abgespielt. Nach der Pause stellte auch er sich auf konsequentes Flachspiel um, jetzt wurde er wieder der Supertechniker, der seine Gegner wie ein ausgekochter Pokerspieler bluffte, und durch ihn kam nun auch Geier gut ins Spiel, der zuvor von K. Kupfer fest an die Kandare genommen worden war. Remlein, der kaltschnäuzigste Mann auf dem Felde, und der unverwüstliche Heilig rangen ihre Kontrahenten systematisch nieder und traten immer zwingender in Erscheinung, Kudraß war der zuverlässigste Faktor der Eintrachtabwehr und Henig machte alles wieder gut, was Wloka und Bechtold versiebten. Nach der Torschuß-Statistik wurde er in den 90 Minuten nur ganze sechsmal auf die Probe gestellt (während Geyer in jeder Halbzeit 10 Schüsse abzuwehren hatte). Aber darunter befanden sich einige verflixte Dinger. Daß und wie er sie meisterte, war virtuos.

Auffallende Elfmeterscheu

Zweimal roch es stark nach Elfmeter. Erstmals in der 40. Min., als Rath dem durch einen Grippeanfall, noch geschwächten Wloka enteilte. Als er eben zum Schuß ansetzen wollte, hatte ihn der nachsetzende Eintrachtstopper wieder eingeholt und zu Boden gezerrt. Aber Schiedsrichter Handwerker aus Ketsch spielte „blinde Kuh" — der Pfiff blieb aus. Zehn Minuten nach der Pause wurde auch Dziwoki bei einem Durchbruch rücksichtslos von hinten umgelegt. Aber auch diesmal kniff Handwerker beide Augen zu und ließ dem Leder seinen Lauf. Es waren zwei typische Beispiele von Elfmeterscheu — und vielleicht trugen sie mit dazu bei, daß sich die Bande frommer Scheu zusehends lockerten. Auch die Nichtbeachtung der Vorteilsregel a la Schmetzer fiel auf. Sonst war Handwerker o. k. (aus 'Der neue Sport' vom 16.11.1953)

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