Eintracht Frankfurt - Holstein
Kiel |
Endrunde um die Deutschen Meisterschaft 1952/53 - 5. Spieltag
4:1 (1:1)
Termin: 31.05.1953 im Waldstadion
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Wershoven (Euskirchen)
Tore: 1:0 Hermann Hesse (13.), 1:1 Emil Maier (31.), 2:1 Hermann Hesse (57.), 3:1 Alfred Pfaff (65.), 4:1 Egon Schwan (76.)
Eintracht Frankfurt | Holstein Kiel |
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Trainer | Trainer
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Kieler „Störche" harmlos wie die Frösche 20000 waren beim Kampf gegen die „Lauterer" zuviel im Frankfurter Stadion. Im — freilich bedeutungslosen Treffen — gegen Holstein Kiel kamen 45000 zu wenig. Ueberall gähnte es leer auf den Rängen und die 7290 zahlenden Zuschauer dürften kaum die Spesen gedeckt haben. Der DFB bekam mit diesem verheerenden Besuch die Quittung für die ungeschickte Termingestaltung, die die Entscheidung in der Gruppe I schon am Pfingstsonntag hatte fallen lassen. Die Kieler „Störche" sahen wieder höchst adrett und appetitlich aus, spielten aber auch wieder genau so kompliziert und harmlos wie im Vorspiel, wo sie drei Minuten vor Torschluß noch ins Gras beißen mußten. Ihrem Sturm boten sich kaum weniger reife Torchancen als dem Eintracht-Quintett, in dem der abwanderungslustige Schieth durch den Reservisten Schwan ersetzt worden war. Aber er hatte eine geradezu panische Angst vor dem Torschuß und der langbeinige Halblinke Wiendlocha, der einzige Mann in diesem „Stürmchen", der etwas Sekt im Blut hatte, erstarrte mehrmals in Ehrfurcht vor Henigs Größe, so daß er das Leder auch aus fünf Meter Entfernung nicht über die Linie zu bringen vermochte. Zwei- oder dreimal hielt ihn aber auch das Pech am Knöchel fest — denn einmal verfehlte ein eleganter Rückzieher um Millimeter das Ziel und acht Minuten vor dem ganzen Halt prallte sein gutplacierter Kopfball auf eine Maßflanke von rechts von der Latte dem überraschten Kudraß vor die Füße, so daß dieser in Seelenruhe klären konnte. „Wir tanzen Ringelreigen" Von Steilpässen war bei den Kielern so gut wie nichts zu sehen, ihr Spiel bewegte sich mehr im Kreise als vorwärts, und von diesem ewigen Hin- und Hergeschiebe konnte sich auch der Exmühlburger Oles nicht lösen, der das Steuerrad fest in Händen hatte und den Kurs der Elf von der Waterkante bestimmte. Sein Stellungs- und Zuspiel trug den Stempel „Deutsche Qualitätsarbeit" — er ragte im Mittelfeld wie ein Leuchtturm heraus und ging elegant wie ein Mannequin an zwei und drei Gegnern vorbei. Aber auch ihm schien der Begriff „Tiefenwirkung" fremd zu sein. Im Angriff ließ man die Flügel verhungern und übersättigte dafür den Exoffenbacher Maier (der unter den wenigen Zuschauern noch einen respektablen Anhang zu haben schien), und diese Taktik war, weil Bechtold sich nicht bluffen ließ, ebenso fehl am Platze wie der Vorwärtsdrang der Verteidiger in der zweiten Halbzeit, denn das reizte die Eintracht nur zu wuchtigen Konterschlägen und führte auch prompt zu zwei weiteren Toren. Abwehr auf sicheren Beinen Die Eintracht fing — auch wenn sich Schwan von Anfang an als ein Fremdkörper erwies, der zumeist den Omnibus verpaßte — gut und verheißungsvoll an, verlor Mitte der ersten Hälfte vorübergehend fast allen Zusammenhang, kam aber dann nach dem Wechsel, als der Reißer Dziwoki in die Sturmmitte gegangen und Schwan an den Flügel verbannt wurde, noch einmal schön in Schwung und war am Ende kaum noch zu halten. Sie erreichte nicht die Kieler Leistung — aber sie hatte den k. o. von Ludwigshafen unerwartet gut überstanden und stand vor allem in der Abwehr auf sicheren Beinen. Bechtold spielte die Rolle Wlokas glänzend und der Schwergewichtler Kaster feierte ein recht beachtliches „come back". Er war in der ersten Hälfte sogar das Trumpf-As der Frankfurter und auch der direkte Urheber des ersten Tores der Eintracht denn er war es, der mit einem Steilpaß Hesse ins Gäßchen schickte. Heilig gefiel auch diesmal das Vorwärtsstürmen besser als die genaue Deckung seines Gegenspielers — aber Schradi war kein Fritz Walter und so ging die Chose nicht wieder ins Auge. Krömmelbein hielt sich klugerweise etwas zurück und wirkte unauffälliger, aber kaum erfolgreicher als sein Partner, und hinter seinen wenigen, klug berechneten Vorstößen saß allerhand Dampf. Der Sturm der Eintracht kombinierte nicht so flüssig und elegant wie es die Kieler konnten. Es gab manches Mißverständnis und manchen Leerlauf und wie im gegnerischen Angriff hielt man im Eintrachtinnentrio zu enge Tuchfühlung, so daß man sich einige Male selbst behinderte. Aber Hesse war ein energischer und entschlossener Vollstrecker und der „Techniker im Quadrat", der raffinierte Pfaff und der torhungrige, unermüdliche Quirl Dziwoki schlugen mit ihren verwirrenden Zickzackläufen immer wieder Breschen in die Kieler Minensperre. Ebeling verknallte nicht so viel wie in Ludwigshafen, blieb aber trotz einiger Maßflanken insgesamt farblos und bei Schwan merkte man, wie schwer es ihm fiel, den Sprung von der Reserve in die „Erste" zu machen. Er hatte Mühe, das Leder in seine Gewalt zu bringen, blieb fast bei allen Zweikämpfen an seinem Gegner hängen und legte seine Befangenheit erst ab, als er wieder rechter Flügelmann geworden war und nicht mehr so scharf beaugapfelt wurde wie im Innensturm. Was wirklich in ihm steckt, zeigte sich, als er das vierte Tor der Eintracht markierte. Wie er mit der Steilvorlage Heiligs abging, einen Haken um Wagner schlug und dann Peper von halbrechter Position aus mit einem linken Ristschuß schlug — das hätte auch ein englischer Profi nicht besser machen können. Wir hüten uns daher auch, von Schwans Schwanengesang zu sprechen. Vielleicht glückt der nächste Versuch besser — Fritz Walter ist auch nicht als Meister vom Fußballhimmel gefallen. Henigs geruhsamer Sonntag Peper im Tor der Kieler ließ bei einer Faustabwehr seine ungewöhnliche Reaktionskraft erkennen, Wagner wurde mit seinem Flügel besser als der alte Mogner mit Ebeling fertig, zumal der Kieler frühzeitig mit seinem Latein am Ende war, Cornils stoppte kaltblütig, aber nicht so effektvoll wie im Vorspiel, und im Angriff brillierte Schradi wohl mit ausgefeilter Technik und guter Körperbeherrschung — aber auch er sah vor lauter Querpässen das Tor nicht. Henig war den Kieler Stürmern nicht gram, daß sie ihre Schießeisen zu Hause gelassen hatten. Er hatte so einen geruhsamen Sonntag und konnte in der zweiten Halbzeit bis weit ins Feld hinein Spazierengehen, ohne sich hinterher Vorwürfe machen zu müssen. Da (außer den Siegesprämien) in diesem Treffen nichts mehr zu erben war, tat man sich im allgemeinen auch nichts zu leid — der Meisterschaftskampf trug mehr die Note eines unterhaltsamen Freundschaftsspiels, und der Euskirchener Schiedsrichter Wershofen fand offenbar den richtigen Ton, um alles bei guter Laune zu halten. Nur Mogner schwoll einige Male der Kamm, weil Pfaff ein gar listiges Spiel mit ihm trieb. Aber eine väterliche Ermahnung genügte, und der Haussegen hing wieder gerade. Unter den 7290 Zuschauern war — um das nicht zu vergessen — Frankfurts Stadtoberhaupt nicht zu sehen. Er hat also auch die letzte Chance verpaßt, die Eintracht in ihren Heimspielen um die Gruppenmeisterschaft zu betrachten. Wie schade! Einmal hätte er sich ruhig blicken lassen dürfen. Zwei Tore vor — drei nach der Pause Den ersten Vorstoß unternahm die Eintracht. Pfaff lief auf dem rechten Flügel durch, aber sein Schuß schwebte meterweit neben das Kieler Tor. Sollte Kiel im Blitzstart überrannt werden? Doch dazu kam es nicht, zwar hatte die Eintracht zunächst die Oberhand, aber Kiel stellte gleich unter Beweis, daß es sich nicht sang- und klanglos ausspielen lassen wollte. Die nächste Zeit führte die Eintracht das Spiel souverän, und die Kieler mußten hinten schwer schaffen. Kaster leistete sich einen Weitschuß, dann konnte Ebeling an Morgner vorbeizielen, Morgner erwischte noch einmal den Ball, schoß einen eigenen Mann an, der Ball kam nicht aus dem Strafraum, Pfaff erwischte den Ball, schoß aufs Tor aber Peper riß blitzschnell die Arme hoch und lenkte über die Latte. Als Heilig gelegt wurde und Ebeling den verhängten Strafstoß an der Mauer vorbeischoß, kam Hesse an den Ball, der Kieler Tormann konnte noch abwehren und gerade als Ebeling den Nachschuß vollziehen wollte, warf sich Peper auf das Leder und rettete die Situation. Aber in der 13. Minute war er geschlagen. Ausgerechnet in der 13. Minute Kaster hatte wieder einen Vorstoß unternommen, spielte den Ball zu Hesse, der nach kurzem Zögern schoß; Stopper Cornils behinderte den herauslaufenden Peper, und so landete der Ball in den linken Torecke zum 1:0. Die Kieler Verteidigung rückte jetzt stark auf, denn sie wollte mithelfen, den Ausgleich zu erringen. Ein Regen begann herabzurieseln, und der kurzgeschorene Rasen wurde noch rutschiger als zuvor. Die Kieler Vorstöße verebbten jedoch wieder, weil man im Sturm zu umständlich spielte und immer wieder innen durchstoßen wollte. Dabei hatte man noch Glück in der 30. Minute, als Hesse den Ball an die Latte schoß, von wo er hoch übers Tor wegsprang. Der nächste Vorstoß führte zum Ausgleich. Schradi traf den Pfosten, Haack schoß einen Verteidiger an, Maier erwischte den Ball, und unhaltbar für Henig schoß er zum. 1:1 ein. Die Eintracht zog wieder an, aber Kiel hielt gut mit. Eine gute Chance verpuffte, als Schwan eine Flanke Dziwokis nicht mit der Stirn erwischte und so übers Tor köpfte. Die erste große Chance der zweiten Halbzeit bot sich den Kielern: Windlocha gelang direkt vor Henig stehend ein Rückzieher, aber der rechte Flügel war nicht mitgelaufen und so konnte Kudras abschlagen. Kurz danach lief wieder Windlocha, der sich jetzt als der gefährlichste Stürmer entpuppte, während Maier immer mehr in der Versenkung verschwand, fast mit dem Ball ins Eintrachttor, doch beim Zusammenprall mit Henig stolperte er und das Leder rollte ins Aus. Ein schöner, zweifacher Balltausch zwischen Pfaff und Ebeling führte den linken Flügel bis an die Strafraumgrenze heran und Hesse verstand es, Ebelings Flanke an dem sich werfenden Peper vorbei einzudrücken. Kieler verloren den Mut Dieser zweite Eintracht-Treffer nahm den Kielern den Mut. Zudem wurden die Abwehrreaktionen der Hintermannschaft durch mangelnde Kondition schwerfälliger. Trotzdem raffte sich Holstein noch einmal auf und warf alles nach vorne. Das wurde ihm zum Verhängnis! Ein weiter Schlag erreichte Pfaff, der freie Bahn hatte, da nur noch Cornils in der eigenen Hälfte stand. Peper löste sich noch von der Torlinie, aber Pfaff beendete seinen Alleingang mit dem krönenden Torschuß. Bei einem der durchsichtigen Kieler Vorstöße
traf Karls Flanke den Pfosten, aber sonst hatte die Eintracht-Abwehr nicht
mehr viel Arbeit zu leisten. An Gegenteil, manchmal stand Henig fünf
Meter vor seinem Strafraum als stiller Beobachter — und so erlebte
er auch, wie Schwan eine Lücke erspähte und mit einem herzhaften
Schuß auf 4:1 erhöhte. (aus 'Der neue Sport' vom 01.06.1953)
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