1. FC Kaiserslautern - Eintracht Frankfurt

Endrunde um die Deutschen Meisterschaft 1952/53 - 4. Spieltag

5:1 (4:0)

Termin: 24.05.1953 im Südwest-Stadion (Ludwigshafen)
Zuschauer: 40.000
Schiedsrichter: Ternieden (Oberhausen)
Tore: 1:0 Willi Wenzel (10.), 2:0 Ottmar Walter (12.), 3:0 Willi Wenzel (18.), 4:0 Ottmar Walter (19.), 5:0 Ottmar Walter (86.), 5:1 Hans Wloka (89.)

>> Spielbericht <<

1. FC Kaiserslautern Eintracht Frankfurt

  • Willi Hölz
  • Ernst Liebrich
  • Werner Kohlmeyer
  • Horst Eckel
  • Werner Liebrich
  • Otto Render
  • Erwin Scheffler
  • Fritz Walter
  • Ottmar Walter
  • Willi Wenzel
  • Karl Wanger

 


 

Trainer
  • Richard Schneider
Trainer

Abseitstor brach der Eintracht das Genick

Die Eintracht blieb ihrer Tradition treu. Sie schoß auch in Ludwigshafen in der 87. Minute ihr obligates Tor. Aber diesmal hatte — im Gegensatz zu Kiel — der Treffer nur noch die Bedeutung eines „Schönheitspflästerchens". Er sorgte für den versöhnenden Ausklang einer teilweise unnötig harten Auseinandersetzung, in der der Meister des Südens den „Roten Teufeln" zwar eine offene Feldschlacht lieferte, aber eine derbe Abfuhr erlitt.

Daran gibt es nichts zu rütteln und zu beschönigen: So wacker die Eintracht in der Frankfurter Begegnung mit der „Walter-Elf" mitgehalten hatte und so unglücklich sie dort den Balljongleuren vom Betzenberg unterlegen war — im Südwest-Stadion wurde sie (nach einem feinen und vielversprechenden Start) nach allen Noten der Fußball-Kunst ausgespielt und von einem 20 Minuten dauernden Wirbelsturm einfach weggefegt. Es war schier ein Wunder, daß sie sich dann noch einmal fing, daß sie trotz weiterer, schwerer Nackenschläge des Schicksals (Wloka spielte von der 30. Minute ab nur noch die Rolle eines mitleidheischenden Statisten, und Pfaff jagte in der 25. Minute einen Foulelfmeter dem gutpostierten Holz direkt in die Hände!) den Kopf nicht hängen ließ und zuletzt sogar noch einen kraftvollen Endspurt inszenieren konnte. Aber diese bewundernswerte, kämpferische Leistung reichte nicht aus, um der spielerischen Ueberlegenheit einer Walter-Elf trotzen zu können, die sich in Ludwigshafen in einen wahren Fußballrausch hineingespielt und eines der besten Spiele lieferte, das man je von ihr gesehen hat. (Und wir haben sie oft bewundern dürfen!)

Vollendete Fußballkunst

Was die „Lauterer" zwischen der zehnten und dreißigsten Spielminute zeigten, war — das ist nicht übertrieben — vollendete Fußballkunst, es wirbelte nur so durcheinander. Die Beherrschung des Leders gelang ebenso vollkommen wie die Meisterung des freien Raums, nicht fünf, sondern zehn Pfälzer schienen zu stürmen, mit tödlicher Sicherheit fanden die Paßbälle den richtigen Mann, jedem Querpaß folgte mit mathematischer Exaktheit der Paß in die Tiefe, und Fritz Walter kredenzte den 1921er "Kallstädter Saumagen", mit dem sich vielleicht am besten dieses köstliche, berauschende Spiel der „Roten Teufel" vergleichen läßt, mit unnachahmlicher Eleganz. Die sonst so dauerhafte Eintracht-Deckung wurde regelrecht zerhackt und zerstampft und Henig kam sich wie ein Imker vor, den ein Bienenvolk umschwärmte.

Als die Angriffsflut der Lauterer etwas abebbte, war alles entschieden und der Eintracht blieb nur noch die Hoffnung, vor einem zweiten „Cannae" verschont zu bleiben. Daß der von vielen erwartete, restlose Zusammenbruch nicht eintrat, daß die Frankfurter trotz ihrer Dezimierung nicht kapitulierten, daß sie die zweite Hälfte auch zahlenmäßig ausgeglichen gestalten konnten, spricht nur für den guten Geist der Elf. Sie erhielt eine kräftige Lektion — aber sie ist, das kann ihr niemand nehmen, ehrenvoll und mit fliegenden Fahnen untergegangen.

Die entscheidende Minute

Dabei erhebt sich die Frage: Wie wäre wohl das Spiel gelaufen, wenn der Oberhausener Ternieden das klare Abseitstor, das Ottmar Walter in der zehnten Minute erzielte, annulliert hätte, wie es seine Pflicht gewesen wäre? Daß der Internationale gute drei Meter abseits stand, als ihn die Vorlage Eckels erreichte, stand für uns ebenso außer allem Zweifel, wie für die Eintracht-Deckung, die — taktisch vielleicht unklug, aber verständlich — untätig auf ihrem Posten verharrte und abseits reklamierte. Der behäbige Linienrichter rührte sich jedoch nicht und auch Ternieden (der auch sonst mit der Abseitsregelung auf dem Kriegsfuß stand) sah keinen Grund zum Eingreifen. Ottmar Walter hatte so leichtes Machen. Er lief unbehindert — nachdem er zuerst selbst etwas gezögert hatte, weil er offenbar auch auf den Abseitspfiff gewartet hatte — bis dicht an Henigs Kasten heran und plazierte dann mühelos ins lange Eck.

Die Devise hieß Angriff

Dieses Abseitstor brach u. E. der Eintracht das Genick. Für sie hatte es in Ludwigshafen nur eine Devise gegeben. Sie hieß „Angreifen, angreifen und nochmals angreifen". Nur ein Sieg gab ihr noch eine Chance für den Gruppensieg und damit für den Einzug ins Endspiel. Die Elf des Südmeisters handelte nach dem Gebot der Stunde. Sie war vom Anpfiff an von Kopf bis Fuß auf Offensive eingestellt, trug einige prachtvolle Angriffe vor, erspielte sich auch sofort zwei große Chancen und war gerade richtig im Zug, als sie der erste, harte Konterschlag traf. Wloka, der schon in der ersten Minute mit Krömmelbein zusammengerumpelt und vom Schicksal wieder dazu auserkoren war, die Rolle des Pechvogels zu spielen, schlug, als er den anstürmenden Ottmar Walter gestoppt hatte, das Leder schwach ab, es fiel Linksaußen Wagner vor die Füße, der spielte sich durch, seine flache Hereingabe brachte Heilig nicht weg und Wenzel jagte den Ball am verdutzten Henig vorbei ins Netz.

Ehe die Eintracht diesen schweren Brocken verdaut hatte (der zwar ihre Pläne durchkreuzte, aber sonst noch nichts zu besagen hatte!), sauste mit Ottmar Walter eben geschildertem Abseitstor zum zweitenmal der Holzhammer auf die Gäste-Elf nieder und damit war der entscheidende, vor allem psychologisch entscheidende Moment gekommen. Die „Lauterer" konnten nun auch die letzten Hemmungen ablegen und ihre sämtlichen vier „Buben" (fliegende Kombinationen aus der Tiefe und in die Tiefe, schillernde Ballartistik, glänzende Kondition und mannschaftliche Harmonie) auf den Skattisch hauen — die Eintracht aber mußte sehen, aus dem Dämmerzustand wieder herauszukommen, wieder Boden unter den wackligen Füßen zu gewinnen und wieder klare Gedanken fassen zu können. Wenzel (mit einem tollen Nachschuß!) und Ottmar Walter (nach einem Steilpaß seines großen Bruders und einem kaltblütigen Dribbling) zwangen die Eintracht noch zweimal auf die schützenden Bretter und der k. o. war, wie man so sagt, in greifbare Nähe gerückt. Aber die Eintracht raffte sich doch wieder hoch und kam verhältnismäßig gut über die Runden — doppelt erstaunlich und beachtenswert, wenn man bedenkt, daß das Südwest-Stadion einem Bratofen glich und die Eintracht eine geschlagene Stunde faktisch nur mit zehn Mann gegen die „Roten Teufel" ankämpfen mußte.

Liebrich II fiel aus der Rolle

Sie beorderte nach Wlokas Verletzung (Meniskus?) Bechtold auf den Stopperposten, Hesse, der sich zuvor recht gut angelassen hatte, übernahm die Bewachung des Linksaußen Wangers, und im Viermänner-Sturm rückte Dziwoki, der Wühler, in die Mitte, während Schieth die Doppelaufgabe übernahm, Verbinder und gleichzeitig Flügelmann zu mimen. Die Umstellung erwies sich zwar nicht als ein ausgesprochener Schlag ins Kontor. Aber sie bewährte sich. Die Deckung ging die Lauterer Stürmer nun doch wirksamer an, und der Angriff kam so schön auf Touren, daß Hölz etliche Paraden aus der Kiste „Superfina" hervorholen mußte, die Lauterer Deckung (das gilt besonders für Lieblich II, aber auch für Kohlmeyer) sich etliche Male nur noch mit derben Fouls zu retten vermochte. Dziwoki, der sich schließlich ebenso derb an Kohlmeyer und Render revanchierte, und vor allem Ebeling (der wieder die Hochschuß-Stiefel angezogen hatte), boten sich eine Reihe guter Chancen, aus denen sie jedoch nichts zu machen verstanden. Ihr Schußpech befiel indessen jetzt auch die Lauterer, denn nacheinander visierten Wanger und Wenzel Latte und Pfosten an, Fritz Walter imitierte Pfaff und verhalf Henig mit einem zu schwach placierten Schuß zur stolzen Genugtuung, einen Handelfmeter des „Pfälzer" Ballwunders gemeistert zu haben, und als einmal Kudraß seinen schon geschlagenen Torwart vertrat und einen Nachschuß mit der Hand über die Latte lenkte (so sahen wir jedenfalls die Situation), entschied Ternieden überraschend auf Eckball.

Heiligs Offensivdrang

Acht Minuten vor Schluß fälschte Kudraß dafür dann eine Bombe Ottmar Walters aus dem Hinterhalt mit der Stirn ins eigene Tor ab (doch wäre der Ball wahrscheinlich auch so unter der Latte gelandet), und als dann die ominöse 87. Minute herangerückt war, war es ausgerechnet dem Statisten Wloka vergönnt, nach einem Zuspiel Schieths, den sogenannten „Ehrentreffer" zu markieren. Daß gerade Wloka der Torschütze wurde, wurde als Akt der Gerechtigkeit empfunden: in ihm, dem Nimmermüden, Unentwegten, symbolisierte sich der kämpferische Wille, der die ganze Eintracht-Elf auch an diesem schwarzen Tag von Ludwigshafen beseelte. Für sie wirkte sich diesmal besonders unangenehm der Offensivdrang Werner Heiligs aus. Er verleitete ihn zum Verzicht auf jegliche Bewachung Fritz Walters, und das kam dem Mannschaftskapitän der „Lauterer" und altem Strategen gerade recht. Weil Heilig ihm nicht dauernd, wie das sonst zumeist der Fall zu sein pflegt, auf den Zehen herumtrat, konnte Fritz Walter nach Herzenslust schalten und walten, und mit unerreichter Virtuosität aus dem Hintergrund dirigieren, ohne seine Kräfte verzetteln und vorzeitig verbrauchen zu müssen. Heiligs Großzügigkeit gestattete es aber auch dem jungen Eckel, immer wieder zu neuen Sturmläufen anzusetzen und mit Fritz Walter zusammen zur dynamischen Antriebskraft der „Lauterer" zu werden.

Ottmar Walter trumpfte, der messerscharf en Bewachung durch Wloka ledig, mit blendenden Alleingängen und prächtigen Vorlagen auf, Wanger und Scheffler entwickelten wieder einen frappierenden Zug zum Tor und der schwarzhaarige Wenzel fand sich im Angriffswirbel der Betzenberger überraschenderweise besser zurecht als in der Deckung. Liebrich II näherte sich dem Typ des Ideal-Stoppers (geriet jedoch mit seinen überflüssigen Regelwidrigkeiten an den Rand eines Platzverweises), Kohlmeyer schien wie umgewandelt zu sein und arbeitete nahezu makellos, auch Liebrich I kämpfte gut und Hölz hatte einige Momente, wie sie sich die Photographen nicht hübscher wünschen konnten.

Dziwoki wieder im Kommen

In der Eintracht-Elf schien Henig zunächst etwas unsicher zu sein, dann aber wehrte er wieder einige Nahschüsse in einfach grandioser Manier ab, Bechtold wirkte auch diesmal schwerfällig und zu wenig gelenkig, Kudrass erreichte trotz einiger Kerzen einen guten Durchschnitt, Hesse entfaltete als Verteidiger viel Talent, Krömmelbein war von Anfang bis zum Ende die beste Kraft der Eintracht im Mittelfeld und im Sturm, der immer noch zuviel in die Breite spielte, hatten alle große, aber auch schwache Momente. Von Dziwoki ging zweifellos die meiste Gefahr aus, er war schneller als zuletzt und scheute auch den härtesten Zweikampf nicht, übertrieb jedoch, wie Pfaff auch, dem einige technische Kabinettstückchen gelangen, wieder das Einzelspiel. Wie er in der zweiten Halbzeit einmal Liebrich II versetzte und sich freies Schußfeld erzwang, das erinnerte schon wieder an den Dziwoki des Vorjahres. Ebeling brachte das Leder zumeist schön nach vorne — aber um seine Schußsicherheit war es einfach kläglich bestellt. Viermal mußte das Leder sitzen, so gut war der Linksaußen postiert. Die Sonne schien ihm jedoch jeglichen Orientierungssinn geraubt zu haben.

Das Tempo der 1. Hälfte war einfach atemberaubend und das bei 16 Maß im Schatten. Wenn es später nachließ, war das den Akteuren nicht anzukreiden. Sie hätten schon Beifall dafür verdient, daß sie die 90 Minuten überhaupt durchstanden. Aber selbst in der letzten halben Stunde wurde noch mit Elan und Schmiß gekämpft und auch in dieser Zeit spielten sich vor beiden Toren noch sehr wildbewegte, turbulente Szenen ab, daß die 45000 (die restlichen 25000 hatten das Freibad vorgezogen) aus der Begeisterung nicht herauskamen. Sie schieden alle — in der Ueberzeugung, in dieser „Walter-Elf" des Pfingstsonntags den deutschen Meister 1953 gesehen zu haben. (aus 'Der neue Sport' vom 26.05.1953)

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