VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt |
Oberliga Süd 1952/53 - 30. Spieltag
7:0 (5:0)
Termin: 26.04.1953
Zuschauer: 30.000
Schiedsrichter: Meißner (Nürnberg)
Tore: 1:0 Blessing (3.), 2:0 Krieger (7.), 3:0 Baitinger (8.), 4:0 Waldner (37.), 5:0 Baitinger (40.), 6:0 Baitinger (50.), 7:0 Baitinger (83.)
VfB Stuttgart | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Eintrachts Cannae in Cannstadt Eine gute Stunde vor Beginn des Spieles saß der Berichterstatter noch im Stuttgarter Schloßpark, dachte an das gerade verzehrte Mittagessen, und überlegte sich, ob er nicht den Vogelgesang dem Spiel vorziehen sollte. Mit dem Finkenschlag im Ohr kletterte der getreue Reporter - ade, schöner Schloßpark - zur Pressetribüne hinan und erfuhr dann, daß die Eintracht-Reserve gerade 0:8 verloren hatte. Kleine Fische — tröstete er sich und blickte sonnenbebrillt auf das Spielfeld hinab, wo Bechtold Lorbeerkranz und Blumenbukett in Empfang nahm und der VfB der Eintracht zur Meisterschaft die Hand schüttelte. Nun, mit der festlichen Stimmung war es für die Frankfurter rasch vorbei. Wie ein Frühsommergewitter fuhr der VfB-Sturm auf die Eintrachtabwehr herab, und was sich in den ersten sieben Minuten tat, ließ dem Reporter die Erinnerung an seinen Geschichtslehrer wach werden, der an dieser Stelle im Neckarstadion gesagt hätte, dies ist keine Niederlage, dies ist ein Cannae. Innerhalb von sieben Minuten lag der VfB 3:0 vorn. Aber schon in der vierten Minute nahm Blessing, auf Rechtsaußen stehend, den Ball auf, stoppte seinen Lauf knapp hinter der Strafraumgrenze ab, nachdem er vorher drei Frankfurter umspielt hatte, und schoß unhaltbar für Henig zum 0:1 in die linke Torecke. In der 6. Min. war es Baitinger, der auf Linksaußen Kudraß mit schönem Absatztrick überrumpelte und flach in den Strafraum flankte, wo Krieger nur noch einzuschießen brauchte. Eine Minute später schoß Blessing an die Latte, den Abpraller nickte Baitinger wieder unhaltbar für Henig zum 3:0 ein. In diesem Augenblick kam dem Reporter die Erinnerung an die 2:7-Niederlage der Eintracht im Frühjahr 1947 im Stadion zu Stuttgart. Blessing und Baitinger, die beiden Außenstürmer des VfB, durchsiebten mit ihren Flankenläufen die Frankfurter Abwehr förmlich, und Kirchheim zeigte wenig Uebersicht im Strafraum; er ist vielleicht sogar als Sündenbock zu nennen für die rasche Ueberrumpelung. Er verstand es nicht, seinen Gegenspieler, den nicht einmal sehr überzeugenden Waldner, zu markieren, und damit war eine Lücke in die Abwehr gerissen, die seine Nebenleute vergebens auszufüllen versuchten. Die Gefahr lastete immer wieder auf der Eintracht, mit neuen Toren überrumpelt zu werden, und Bechtold machte ein Gesicht, als wollte er den schönen Lorbeerkranz, den er kurz vor dem Anpfiff des Spiels in Empfang genommen hatte, wieder zurückgeben. Enttäuschend war es für den gestrengen Kritiker auf der Pressetribüne zu sehen, daß der VfB das steile Spiel der Eintracht, daß die Spieler in den roten Trikots mit dem weißen Brustring so spielten, wie wir es von der Eintracht in den letzten Monaten gewohnt waren. Die Eintracht erfuhr acht Tage nach ihrer Meisterschaft dasselbe Schicksal wie der KSC Mühlburg. Die rasche Torfolge lähmte die Mannschaft sichtlich und unterwarf sie einer Lethargie, aus der sie sich bis zum Abpfiff nicht mehr befreien konnte. In der 30. Minute, nachdem der VfB-Sturm ein wenig verhalten gespielt hatte, kurbelte dieser das Spiel wieder an. Baitinger schoß ein weiteres Tor, aber Schiedsrichter Meißner hatte wegen einer Unregelmäßigkeit Baitingers bereits abgepfiffen. In der 36. Minute kam Waldner günstig an den Ball und zog an vier Frankfurter Abwehrspielern vorbei, die wie gelähmt dastanden und an die berühmte Salzsäule von Sodom und Gomorrha erinnerten. Sein Schuß ergab das 4:0, und als in der 40. Minute Baitinger völlig freie Schußbahn vor sich hatte, war das 5:0 zur Tatsache geworden. Betrübt schlichen die Frankfurter Spieler in die Kabinen. Die Torfolge schien nach Wiederbeginn weitergehen zu wollen. Aber Baitinger traf nur die Latte, und dann hatte Trainer Widmann sich zu einer Umstellung entschlossen. Doch, wie sehr die Eintracht erschüttert war, konnte man daran ersehen, daß wenig später eine neue Umstellung vorgenommen wurde. Kirchheim ging auf den linken Verteidigerposten zurück, Heilig übernahm seine alte Stelle als Läufer und Pfaff-Ebeling formierten wieder den Flügel wie zu Beginn des Spieles. In der 55. Minute hatte Kronenbitter keine Schußbahn, doch er entdeckte seinen Mitspieler Baitinger günstig stehend, spielte ihm den Ball zu, und gegen Baitingers Schuß war Henig machtlos. Der VfB genehmigte sich jetzt eine kleine Verschnaufpause. Ihm genügten die erzielten Tore, doch das Publikum war unerbittlich. Es wollte noch mehr Tore sehen, wollte, daß der süddeutsche Meister zweistellig geschlagen werde. In der 81. Minute war man einen Schritt diesem zweistelligen Ergebnis nähergekommen. Blessing und Kudraß kämpften um den Ball, Blessing konnte ihn einflanken und Baitinger köpfte im Sprung zum 7:0 ein. Doch mehr Tore fielen nicht. Das lag nicht so sehr an der Eintracht-Abwehr, die sich nun einigermaßen formiert hatte, es lag eben daran, daß der VfB-Sturm seinen Torhunger gesättigt hatte. Wenn man zurückblickt auf dieses Spiel, so soll man den Ausgang nicht allzu tragisch nehmen. Eine solche Niederlage ist zwar kein Pappenstiel, aber vielleicht hat diese Niederlage die Eintracht ein wenig aufgerüttelt und ihr gezeigt, wo ihre Schwächen sind. Es hat sich in Stuttgart eindeutig bewiesen, daß der Sprung von der Reserve in die erste Mannschaft das schwierigste ist, was es für einen Spieler geben kann. Und was soll man von den anderen sagen? Henig schien
manchmal etwas zögernd, aber für ihn war der Schlag vielleicht
am schwersten. Sieben Tore, das hatte er lange nicht erlebt. Bechtold
hatte es schwer gegen Blessing. Dieser überzeugte weitaus mehr noch
als am Vorsonntag in Offenbach, er trickte die Frankfurter Stürmer
reihenweise aus und war vielleicht der Motor zum Sieg, denn seine Flanken
waren es zumeist, die Baitinger einschießen konnte. Kudraß
schlug sich tapfer, auch Krömmelbein tauchte allmählich wieder
aus der Versenkung auf. Schieth und Pfaff standen allein auf weiter Flur,
denn, Jänisch war wieder einmal rettungslos verloren. Man muß
allerdings zugute halten, daß er gegen Retter spielte, der wieder
einmal so souverän aufspielte wie nie. (aus 'Der neue Sport'
vom 27.04.1953) |