Eintracht Frankfurt - AC Mailand

Freundschaftsspiel 1951/52

1:1 (1:1)

Termin: 17.05.1952 im Stadion
Zuschauer: 35.000
Schiedsrichter: Reinhardt (Stuttgart)
Tore: 0:1 Liedholm (10.), 1:1 Erich Geier (37.)

 

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt AC Mailand

 


  • Buffon
  • Silvestri
  • Grosso
  • Annovazzi
  • Tognon
  • Bonomi
  • Renosto
  • Gren
  • Nordahl
  • Liedholm
  • Frignani

 

Wechsel

Wechsel

  • Menegotti für Renosto
Trainer Trainer
  • Lajos Czeizler

 

 

Italiens Meister AC Mailand schrieb an die Frankfurter Eintracht:

"... kommen mit der stärksten Elf!"

KICKER-Reporter Ludwig Maibohm stellt unseren Lesern die Gäste des 17.Mai vor

„Selbst wenn wir gegen Juventus verlieren sollten, wird unser Trainingsprogramm keine Einbuße erleiden."

Das sagte mir vier Tage vor dem Meisterschafts-Vorentscheidungstreffen im Mailänder San Siro-Stadion Lajos Czeisler! Der gebürtige Ungar spielte lange Jahre in Budapester Vereinen und bereiste später als geschätzter Sportlehrer die (Fußball)-Welt. Er war es, der nach dem Kriege Schwedens Norrköping-Elf mehrere Male zur Landesmeisterschaft und zu Pokalruhm sowie vor einem Jahre auch die berühmte „Associacione Calcio Milan"-Mannschaft zur beifallumrauschten Italien-Meisterschaft führte.

*

„In diesem Jahre versuchten uns gleich beim Start alle Meisterschafts-Bewerber der ersten italienischen Division am Erfolg zu hindern", fügte Czeisler hinzu "Denn gegen einen Meister verdoppelt jeder Gegner seine Anstrengungen und erhöht er seine Konzentration. So kam es, daß die Turiner Juventus-Elf aus der Abwartestellung mehr Punkte als wir herausholte und uns im Endspurt überflügelte!"

*

,,So paradox es klingt: Milan besitzt dennoch im Augenblick das beste aufeinander abgestimmte Ensemble von Spielerpersönlichkeiten. Selbst Juventus kommt da nicht mit ...!" rühmte der versierte italienische Fußballkenner und Weltsportglobetrotter Renato Porotti, der dem Deutschland-Kollegen in seiner Heimat auch diesmal wieder helfend und dolmetschend zur Seite stand und mit mir zum San Siro-Stadion hinausfuhr.

*

Während mir Porotti das sagte, drehten 15 Milan-Spieler trotz hochsommerlicher Hitze in dicken Trainingsanzügen fleißig Runden, legten zwischendurch Sprints ein, machten Lockerungsübungen, sprangen mit dem Seil und ließen sich später vom Masseur nach voraufgegangenem Schaumbad den Körper durchkneten. Vom Ball war in dieser Zeit nichts zu sehen. (Damit spielte währenddessen Gunnar Nordahls semmelblonder Sohn Thomas. Erst später gab Lajos das runde Leder auch für die Großen zum Spiel frei.)

*

„Fußball spielen können alle", rühmte Czeisler, der Milan nach Beendigung der diesjährigen strapaziösen Meisterschaftssaison aller Wahrscheinlichkeit nach verlassen wird. „Der Rhythmus der italienischen Meisterschaftsrunde verlangt in erster Linie Akteure die volle 90 Minuten 'spielend' durchstehen können. Daher hätte ich meinen Spielern am 18. Mai an sich auch gern Fußballferien vom Ich gegeben. Denn an diesem Tage spielt die italienische Nationalelf gegen England in Florenz, und wir waren damit turnusgemäß spielfrei. Dennoch hat der Privatspielabschluß gegen die Frankfurter 'Eintracht' bei uns große Freude ausgelöst ...". hob Lajos Czeisler mit Nachdruck hervor.

*

Und Gunnar Nordahl bestätigte später in Gesellschaft seiner schwedischen Landsleute Gunnar Gren und Nisse Liedholm, daß man mit hochgespannten Erwartungen zum Main komme. „Mir hat Garvis erzählt, daß die Eintracht-Mannschaft einen taktisch wie technisch gutcn Fußball zu spielen versteht!, betonte Gunnar Nordahl mit seiner hellen, hohen Stimme wörtlich.

*

Mit 'Garvis' meinte er Henry Carlsson, den man in Schweden und in Skandinavien 'Garvis' (d.h. 'Der Lächelnde') zu nennen pflegt und der jetzt bei Madrids Star-Elf "Athletico" spielt. Der ehemalige Stockholmer AIK-Halblinke wußte, warum er Gunnar Nordahl und seine Mailänder Vereinskameraden vor der Frankfurter Eintracht warnte. Denn "Athletico" spielte vor anderthalb Jahren in der vieldiskutierten Weihnachtsbegegnung gegen die Frankfurter auf heimischem Madrider Lehmboden und unterlag trotz seines Ballakrobats Ben Bareks, trotz Torwartphänomen Marcel Domingos und Borge Matthiesens und "Gravis" Carlssons Torschußbemühungen damals überraschend.

*

Ob die "Eintracht" sehr hart spielt, wollte Freund Gunnar von mir weiter wissen. Ich konnte ihn beruhigen. ,,Dann freuen wir uns noch mehr auf unseren Deutschland-Besuch", meinten er sowie Gunnar Gren und Nils Liedholm wie aus einem Mund und begutachteten beifällig-lobend das Spielankündigungsplakat für die Frankfurter Begegnung, das mir der eifrige "Eintracht"-Mannschaftsboß Willi Balles nach Mailand mitgegeben hatte.

*

„Da wir am Mittwoch vor dem Frankfurter Treffen noch zugunsten notleidender belgischer Kinder gegen Wiens Rapid Elf in Lüttich antreten sollen, werden wir bereits donnerstags in Frankfurt eintreffen, am Freitag noch leicht trainieren, damit wir am Sonnabend ausgeruht das Freundschaftsspiel gegen die Eintracht bestreiten können", prophezeite Gunnar, der zusammen mit allen Milan-Spielern von einem Trainingsehrgeiz gepackt ist, den wir unmittelbar vor dem "Halali" der 28 italienischen Meisterschaftsspielsonntage keineswegs mehr erwarten.

*

,,Obwohl es uns im Süden allen gut geht, wird uns dennoch nichts geschenkt", hatten mir Nordahl und Gren kürzlich bereits bei Besuchen in ihren komfortablen Villen-Wohnungen in der Via Bassini bzw. Via Theodosio verraten. "Das Monatsgehalt beträgt zwar 3000 DM. Und daneben gibt es selbstverständlich auch noch Prämien für Siege und Tore. Unser Klubdirektor, Signore Trabattoni, und der Mannschaftschef, Trabattonis Schwiegersohn Busini, gewähren uns auch sonst alle erdenklichen Vorteile", gestanden die beiden hochbezahlten Schweden mit ehrlicher Offenheit.

"Dafür verlangt man aber auch Leistungen, Können und Disziplin. Wer zum Beispiel zu spät zum Training kommt, wird mit einer Geldstrafe belegt. Auch fünf Minuten Verspätung spielen dabei eine Rolle. Auch für unsportliches Verhalten auf dem Spielfelde muß eine Buße bezahlt werden", plauderte mir Frau Irma Nordahl aus.

*

„Auf noch etwas freuen wir uns", hörten Renato Porotti und ich die drei Schweden im San Siro-Stadion sagen: „Auf das Meisterschaftsspiel VfB Stuttgart — Rot-Weiß Essen im Neckar-Stadion. Hoffentlich bekommen wir gute Sitzplatzkarten. Denn wir lasen in italienischen Zeitungen, daß die Fußball-Stadien auch bei euch in Deutschland zu klein geworden sind ...!"

Die Tribünenkarten im Stuttgarter Neckar-Stadion sind von Dr. Walter garantiert und liegen am Sonntag für euch bereit lieber Gunnar.

Bis dahin: Auf Wiedersehen in Frankfurt.

('Kicker' vom 12.05.1952)

 

 


 

 

Geier schoß öfter als Nordahl

1:1 ein Triumph für Eintracht — Beifall lohnte Meister-Exhibition des schwedischen Mailand-Innentrios — Der lauteste Beifall aber für Kudras und Max Schmeling!

Als schlechte Propheten erwiesen sich die Fotografen! Beim Anpfiff hockten wohl 40 Meister der Kamera am Eintrachttor, in Erwartung der Nordahl-Bomben. Keiner (keiner) wagte sich an Mailands Tor. Und dann 1:1! Bravo, Eintracht! Milano mußte sich damit begnügen, nur in „Einlagen", wie auf der Bühne, Proben seiner gefeierten Kunst demonstriert zu haben. Der torfühlbare Erfolg gehört ihr, der Eintracht!

Frankfurt. — Wie ein Länderspiel feierte Frankfurt das Gastspiel der berühmten Mailänder! Ein Riesenstrom von Autos flutete (Gewiß nicht kleiner als in Köln beim Irland-Spiel). Diese Eintracht kann man schicken! Der deutsche Fußball verdankt ihr einen neuen internationalen Erfolg. So prächtig wie sie sich seinerzeit in USA schlug, in Spanien, so glanzvoll bot sie diesen Berühmtheiten halt!

Nein, der Sieg über den 1. FCN und das Remis gegen VfB, das war kein Zufall. Dabei mußte sie nach der Pause noch auf ihren verletzt ausscheidenden Dribbelkünstler Pfaff verzichten. Allerdings: vor der Pause lächelte der deutschen Mannschaft viel Glück, als Milano, schnell 1:0 führend, im leichtfertigen Siegesgefühl gar zu selbstsicher nur ,,Exhibition" spielte.

Dafür schien Eintracht nachher dem 2:1 näher als die Mailänder.

Wem die Frankfurter ihren halben Sieg vor allem danken? Dem kernigen, schnell startenden, unbarmherzig angreifenden Verteidiger Kudras, ihrem aufopfernden ehrgeizigen Nordahl-Stopper Wloka und dem Wirbelwind im Sturm, dem kleinen leichtfüßigen Geier, den zu Recht sein Tor für ein brillantes Spiel auszeichnete. (Als Pfaff ausschied, Kirchheim kam, rückte er auf halblinks.)

Die Gäste wurden das Opfer ihres schnellen Erfolges.

1:0 nach zehn Minuten! Die 30.000 seufzten, wieviele sollen das werden, arme Eintracht? Und Milano demonstrierte selbstgefällig zwanzig Minuten wahrhaftig alle seine Künste. Gren jonglierte wie ein Rastelli, legte die Bälle millimetergenau über 30 m hinweg auf Nordahls Fuß. Nordahl bewies in einigen Blitzantritten, vor allem im gescheiten direkten Abspiel aus allen Lagen, seinen Weltruhm, aber am elegantesten dribbelte eine halbe Stunde lang Liedholm uns alle Register raffinierter Ballkunst vor (Unsere Nationalelf brauchte solchen Nordahl-Typ, mit diesem 11,1 Sprint, diesen Schenkeln). Von außen bedrängten ungestüm die beiden jugendlichen Flügel Renosta und Frignani die hin und her gehetzte Eintracht-Abwehr.

Bravo, Kudras!

Hier aber stand von der ersten Minute unerschrocken, ballgewandt, stellungsklug Kudras. Wir begriffen, warum die Kicker-Korrespondenten gerade der Eintracht-Verteidigung die Palme gaben, die auffallendste des Jahres gewesen zu sein.

Sie überstand den Ballrausch der Mailänder. Vergessen wir nicht eine herrliche Parade von Henig, dem famosen Eintrachthüter. Gedankenschnell schraubte er sich in eine Liedholm-Bombe hinein und hielt. Kein Adam oder Bögelein könnte das reaktionsschneller.

Den Ausgleich in der 36. Minute empfand man noch wie das ,,Ehrentor". Jetzt werde Mailand aber, gereizt durch das mutige Fernschußtor von Geier (abseits?), aufdrehen — meinten wir noch, Theo Bourquin neben mir und der Kicker ...

Aber — es kam umgekehrt. Das Tor gab Eintracht Mut, Selbstvertrauen, und machte Milano unsicher. Eben noch hatten die Zuschauer auf offener Szene den Ballkünsten, namentlich den traumhaft sicher fließenden Zügen zwischen Gren-Nordahl-Liedholm, Beifall geklatscht — aber jetzt schien die Lokalbegeisterung entfacht. Erst recht berauschte sich die Masse nach der Pause an Eintrachts kühnem Generalangriff, der Milano an den Rand der Niederlage drängte. Viel mehr bedrohte der jetzt nicht mehr von Kraus, sondern von Jänisch gesteuerte, in Wirklichkeit aber von Geier beflügelte Sturm die Mailänder mehr als umgekehrt.

2:1 eher für Eintracht!

Mailand abgekämpft? O nein, denn ganz zum Schluß brauchte Henig wieder alle Hände, um Mailands Endspurt abzuwehren. Obwohl Kirchheim sehr nett sich für den verletzt ausscheidenden Pfaff bewährte — mit Pfaff, dem selbstbewußten Zauberer, hätte Eintracht vielleicht ....

Aber sie darf auch so stolz sein. Mit den beiden großen Brüdern Walter — Otmar und Fritz sollten eigentlich den Eintracht-Sturm verstärken — hätten die Deutschen gewiß gewonnen. Nun aber darf Eintracht noch stolzer sein, ohne die Anleihe auf Kaiserslauterns große Stürmer dieses Remis erzwungen zu haben. Wloka hatte nach 20 Minuten Nordahl durchschaut und bremste ihn unbarmherzig. Heilig wurde Gren, dem bestechend klug und elegant dirigierenden „schwedischen Szepan, so lästig, daß Gren nachher immer nach links ausbrach.

Das "beste Innentrio der Welt" fand in der Eintracht-Deckung seine Bezwinger. Und trotzdem genügten auch die Einlagen dieses schwedischen Trios, um Frankfurt ahnen zu lassen, warum die Welt von diesen schwedischen Ballkünstlern schwärmt.

Mir fielen die mitreißenden Partien ein, die uns Nordahl und Gren im schwedischen Sturm des Olympiasiegers 1948 in London gegen Österreich, Dänemark und Jugoslawien vorzauberten ...

('Kicker' vom 19.05.1952)

 

 


 

Mailänder Filigran contra Eintracht-Beton

Mailand deutete nur 30 Minuten lang an, was diese Elf der Stars wirklich kann

Allein schon das Tor der Gäste und seine Entstehung lohnte die Fahrt nach Frankfurt. Renostos halbhoch zurückgespielter Ball an Gren wurde von dem Schweden per Hackentrick an Nordahl weitergeleitet, der, ohne ihn aufspringen zu lassen, den Ball dem rückwärtig postierten Liedholm genau auf den Fuß legte und der mit kurzer Drehung den Ball, statt in die günstige lange Ecke, mit unheimlicher Wucht ins kurze Eck jagte. Und damit sind wir gleich bei jener Taktik angelangt, die uns weniger bekannt ist. Die sonst zeitraubenden Rückwärtspässe (!) der Mailänder beschworen immer ein fast sicheres Tor herauf, weil der Ball mit solcher traumwandlerischen Sicherheit bis an den Strafraum vorgetragen und dann plötzlich zurückgepaßt wurde, daß der rückwärts lauernde Schütze immer ungedeckt war.

Die Schweden sind die Perlen in einem zuweilen artistisch anmutenden Ensemble erstklassiger Fußballkünstler. Von Nordahl allerdings hatte man mehr erwartet, der aber von Wloka nicht aus den Augen gelassen wurde. Wählerisch in ihren Abwehrmitteln war die Eintracht nicht, aber mit ungeheurem Fleiß wußte sie den artistischen Einlagen dennoch erfolgreich zu begegnen. Nur Pfaff zeigte einige Male, daß er in dieser illustren Gesellschaft mithalten kann, obwohl er ein wenig schwerfälliger wirkte als die Mailänder. Wie eine tänzelnde Balletteuse umspielte Gren drei, vier Mann, abgezirkelt und weich kam sein Paß. Mannschaftsdienlicher und wirkungsvoller blieb aber Liedholm, der, nicht ganz so elegant, der beste Mann auf dem Felde überhaupt war. Ich habe selten einen Spieler gesehen, der so gefühlvoll den Ball führt und beim Torschuß doch so enorm hart sein kann. Besonders die Fünferreihe der Gäste hatte es den 35.000 angetan und es war selten ein Fehlpaß zu beobachten. Im reinen Spiel mit dein Ball, im Denken und Freistellen waren die »Schwarz-Roten« der Eintracht doch ein ganzes Stück voraus.

Und als die Hintermannschaft mit den überragenden Tognon und Annovazzi einen Augenblick ins Wanken geriet, steigerte sie sich in ihrer Abwehrleistung noch so sehr, daß die kraftvoll stürmende Eintracht auch hier auf Granit biß. Wo sahen wir jemals über, 40, 59 Meter den Ball über vier, fünf Spielerstationen wandern, ohne den Boden zu berühren? Zentimetergenau wurde er von Fuß zu Fuß gespielt und Grens Hackentricks waren keinesfalls nur artistische Schaustellungen, sondern entsprangen seiner hohen Veranlagung für ein andersgeartetes Zuspiel und waren der Beweis dafür, daß man mit jedem Ball etwas anfangen kann, auch wenn er nicht fußgerecht kommt.

Ein Gesamtlob der Eintracht, die mit ihrer Zweckmäßigkeit mindestens ebensoviel erreichte. Der deutsche Fußball ist nun einmal darauf abgestellt und verbürgt auch eher den Erfolg, als das Nur- Spielerische. Mögen die Kombinationen nicht so zauberhaft laufen, mag das Spiel infolge seiner Zweckmäßigkeit etwas nüchterner wirken, dem Torerfolg jedenfalls bleiben die Deutschen näher als die noch so elegant aufspielenden Ausländer.

Von Wurzer bis Czeisler

Frankfurt winkte am Wochenende mit einer besonders reizvollen Fußball-Delikatesse: Gren, Nordahl, Liedholm, Annovazzi, Tognon, die Balljongleure des vielfachen italienischen Meisters FC Mailand, versprachen ein Spiel, ausgefüllt mit all dem, was wir in unseren trocknen, nüchternen Oberliga-Saisonen so sehnsuchtsvoll vermissen: südländisches Spieltemperament, verwirrende, bezaubernde Ballarabesken, die den Gegner bluffen und ratlos machen.

Wenige Minuten vor Spielende erhob sich auf der Ehrentribüne ein schlanker, hochgewachsener Mann mit krausen Haaren. Er strebte dem Ausgang zu, denn er wollte so schnell wie möglich wieder zu seiner Elf, die am nächsten Tag in ein entscheidendes Spiel ging. Dieser Mann war für uns einer der interessantesten Gäste: Georg Wurzer, der Trainer des VfB Stuttgart. Zwischen Tür und Angel des Stadions rief er uns zu: „Ein — vor allem in der ersten Halbzeit — wunderschönes Spiel, in dem die Mailänder all das zeigten, was das Publikum erwartete. Gren ist ein überragender Spieler, ein Ballzauberer, aber bei allem, was ich sah, fehlte die exakte Zusammenarbeit der Elf. Es war viel Blendwerk in diesem Spiel!"

Ein ähnliches (für die Zuschauer wohl) überraschendes Urteil fällte auch Altinternationaler Rudi Gramlich. Er meinte kritisch, daß das Spiel für den Fachmann fast uninteressant war, trotz aller blendenden, verwirrenden Spielzüge der Italiener. Nordahl, der Star der Mailänder, enttäuschte ihn durch sein langsames, bedächtiges und dazu noch auffallend zurückhaltendes Spiel.

Die interessanteste Stimme hörten wir aber bei Czeisler, dem Trainer des FC Mailand. Für ihn, der Sonntag für Sonntag von überschäumenden, temperamentvollen Kombinationen der besten italienischen Mannschaften verwöhnt wird, war diese Begegnung mit der Frankfurter Eintracht nur ein Trainingsspiel mit der Devise: Andeuten, was wir können, aber im übrigen: keine Verletzungen. In Italien, meinte er, würde noch viel rascher, genauer gespielt, herzhafter geschossen.

Ueberglücklich und zufrieden (nicht wegen des Publikumserfolges) war Eintrachts Spielausschuß-Vorsitzender Balles, der uns durch seine freundliche, aufgeschlossene Art einige nette Minuten schenkte: „Ein schönes Spiel, in dem sich meine durch so viele Verletzungen geschwächte Elf hervorragend gehalten hat. Hätten wir noch Schieth und Ballkünstler Reichert dabei gehabt, hätten wir den manchmal beinahe akrobatisch auftrumpfenden Italienern und Nordländern, wenigstens was die Wirksamkeit der Spielweise betrifft, das Wasser reichen können!" Das gleiche meinte auch Eintracht-Trainer Windmann, dem die Kniescheibenprellung Pfaffs viel Sorge bereitete.

Neben mir auf der Pressetribüne saß eine charmante Kollegin, eine Journalistin aus Schweden. Ein Interview mit ihren schwedischen Stars Gren, Nordahl, Liedholm hatte sie nach Frankfurt gelockt. Sie blieb, was man von einem aufmerksamen Journalisten verlangt, während des Spiels sehr still (Nordländische Kühle ?!?) Nur einmal ließ sie sich dazu hinreißen, die fast weihevolle Stille zu unterbrechen. Das war zu jenem Zeitpunkt, als die Eintracht unter dem Jubel der 35 000 zum Endspurt ansetzte und den Sieg schaffen wollte. Hierbei sagte die Schwedin: „Das Bubblikuhmnun wollen sehen Bluut!" Ich nehme ihr diesen Satz nicht übel. Schon aus Kollegialität! Sie meinte damit nämlich nicht etwa aufgesprungene Knie, zerbrochene Nasenbeine oder halbabgerissene Ohren, sondern nur, daß die Zuschauer gern noch eine Entscheidung gesehen hätten. Dazu aber reichte es bei beiden Mannschaften nicht. (aus dem 'Sport-Magazin' vom 21.05.1952)


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg