Eintracht Frankfurt - Hamburger SV

Deutsche Meisterschaft, Gruppe 1 1937/38 - 6. Spiel

3:2 (1:1)

Termin: 22.05.1938 im Stadion
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Stöckmann (Köln)
Tore: 1:0 Karl Röll (4.), 1:1 Carstens (16.), 1:2 Höffmann (66.), 2:2 Albert Wirsching (69.), 3:2 Adam Schmitt (85.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt Hamburger SV

 


  • Warning
  • Richard Dörfel
  • Karl Bohn
  • Weber
  • Erwin Reinhardt
  • Eugen Kahl
  • Hans Sikorski
  • Friedo Dörfel
  • Werner Höffmann
  • Rudi Noack
  • Gustav Carstens

 

Trainer Trainer
  • Hans Lang

 

"Nur 3:2" - und doch eine große Revanche

Eintracht Frankfurt spielte prächtig gegen den HSV

0.5 wurmt. 0:5 ist für manche Mannschaft nie zu verschmerzen. Die Frankfurter Eintracht hatte beim HSV. 0:5 verloren. Sie hatte knapp vorher, mit zwei, drei Verletzten, einige unangenehme Gegentore in Stettin bekommen. Ihr Torverhältnis war gründlich verpatzt. Nur ein 6:0-Sieg über den HSV. konnte es reparieren und zugleich die Gruppenmeisterschaft herzaubern. Die Kritiken aus Hamburg lasen sich indessen trostlos. Dem hohen Schwung des HSV. hatte die Frankfurter Elf offenbar nichts entgegenzusetzen. Immerhin: es gab auch an der Waterkante Leute, die meinten, Eintracht habe im Feld sehr ordentlich gespielt, ja, im Grunde sei es ein vollkommen ausgeglichener Kampf gewesen, in dem der HSV. eben nur besser geschossen habe.

Wir können den Hamburgern dieses Kompliment leider nicht zurückgeben. Im Frankfurter Sportfeld gab es nicht nur einen Sieg mit 3:2 und mit 11:3 Eckbällen für die Frankfurter Mannschaft, es gab auch so endlose Perioden des Frankfurter überlegenen Zusammenspiels, daß man es selbst bei den sachlichsten Betrachtern für möglich hielt, daß der HSV. an diesem Tag hoffnungslos unter die Räder komme. In der ersten Viertelstunde war ein 6:0 für die Eintracht nicht nur möglich, es war sogar sehr wahrscheinlich.

*

Der HSV. ist für die Eintracht und für Frankfurt überhaupt etwas wie ein Schreck. Am Riederwald überspielte einst bewunderswert der alte Hamburger Sportverein von 1922 die favorisierte Wacker- und Schafferelf aus München 4:0. Und 2:0 besiegte der HSV. die Eintracht in einem Vorschlußrundenspiel zu Berlin, als Eintracht in einer einzigen Woche der Terminnot in drei schwere Kämpfe gehetzt war. Das 0:5 von Hamburg kam ebenfalls hinzu, um aus den Hamburgern so etwas wie eine Unbezwinglichkeit zu machen.

Um so seltsamer war das Bild, das sich vor uns und den 10.000 Zuschauern im schönen Sportfeld zu Frankfurt abrollte: die Frankfurter schienen gegen eine Elf zu spielen, die zunächst nicht stärker zur Geltung kam, als etwa Insterburg und Stettin. Ein seltsamer Satz einer Elf gegenüber, deren Anhänger sich (wahrscheinlich mit gutem Recht) rüsten, den künftigen deutschen Fußballmeister zu feiern. Aber es gibt eben rabenschwarze Tage. Einen solchen mußte der HSV. in Frankfurt schon gehabt haben. Selbst sein Verteidiger Dörfel stand ja steif und hölzern dabei, als Röll davonlief und das erste Tor schoß. Diese Verteidigung und diese Läuferreihe setzte den Frankfurter Angriffen in der ersten Halbzeit nur ein Minimum an Widerstand entgegen. Das war doch der HSV.? Es waren die kirschroten Hosen. Es war das berühmte Zeichen auf der Bluse, das einst die Harder, Beier, Risse, Halvorsen trugen; aber der HSV. von einst war das nicht. Und auch kein HSV., der mit begründeten Aussichten die deutsche Meisterschaft anstürmen kann.

Diese Dinge gingen uns durch den Kopf, während wir dem Spiel zusahen. Es stand nach vier Minuten 1:0 durch Röll.

Ich sehe, wie ein junger Kaufmann in einem großen Lagerhaus am Hamburger Hafen diese Zeilen liest, lächelt und vor sich hinsagt: „So etwas sagen die Frankfurter und haben mit Hängen und Würgen just eben 3:2 gewonnen!" Junger Kamerad, dein Einwand ist verständlich, aber Fußball ist ein wunderlich Ding.

*

In der ersten Viertelstunde also schien ein Frankfurter Gruppensieg heranzublühen. Warum sollte denn diese heute frisch-frohe Eintracht nicht 6:0 gewinnen können. Da fiel ein Reif in der Frühlingsnacht. Da fiel in der 16. Minute Frankfurts Torwart Peutler just in der Sekunde auf den Hosenboden, als Carsten einen schwachen Schuß aufs Tor schickte. Der Ball glitt hurtig über die Linie. Das war 1:1 und die Zertrümmerung der Hoffnungen. Es wurde einen Augenblick totenstill im Sportfeld. Die Siegeszuversicht zerklirrte. Und alles, was die Eintracht von dieser Minute an tat, und alle Ueberlegenheit, die sie bis zum Ende hatte, war unterminiert und erschüttert. Das eine Gegentor hatte die Kampfmoral der Mannschaft angeknackst.

*

Sie wollte an diesem Tag ja eigentlich zeigen, was in ihr stak. Alles schien gut zu gehen. Da kam dieses Tor. Der HSV. wurde ein klein wenig munterer. Der linke Flügel Carstens—Noack wirkte sehr lebendig. (Eine Weile sahen wir Noack allerdings halbrechts.) Doch die Eintracht hatte mit dem zurückgenommenen Gramlich als Verteidiger einen ausgezeichneten Griff getan. Der Rudi wirkte sicher und beruhigend. Lindemann aber, eben erst aus Italien heimgekehrt, spielte so schön und sicher, wie vielleicht nie zuvor. Seine weithingeschmetterten Schläge spritzten weit aus dem Hinterhalt genau zu den Flügelleuten Linken und Röll und wenn der HSV. angriff, war Lindemann zur Stelle. Kickend und köpfend!

Und dennoch kein Tor mehr, und trotzdem bis zur 19. Minute nach der Pause kein Tor und, dann eines — für den HSV. Bitte, das ist Fußball. Auch das ist Fußball. In dieser Minute brach der HSV. durch. Es war einer seiner wenigen Vorstöße. Höffmann erwischte das Leder fein. Er schoß. Peutler war besiegt. Er konnte diesmal nichts dafür. Es stand 2:1 für den HSV. Es war unbegreiflich.

*

Man halte den Berichterstatter nicht für einen Fanatiker, man täte ihm unrecht. Aber er hat noch wenige Spiele mit einer so lächerlichen Ueberlegenheit gesehen, wie sie in diesem Kampf zutage trat. (Und mit so wenig Erfolg für die überlegene Mannschaft.)

Immerhin, jetzt wurde es der Eintracht zuviel. Aus einem Gedränge prallte der Ball zum braven Möbs zurück. Möbs schob ihn genau zu Wirsching. Der Junge schoß endlich! Es stand 2:2. Ein Fernschuß von Zipp. Brenning hebt einen Ball über die Latte. Brenning boxt einen Schuß ins Feld. Aber auch: Lindemann jagt einen Schuß aus der HSV-Stürmerreihe just noch von der Torlinie weg. Ecke auf Ecke. 10:3 für die Eintracht heißt es jetzt. Da schießt, fünf Minuten vor dem Ende, Adam Schmitt eine wunderschöne Flanke von Linken ins Tor. Das war 3:2.

Ein knapper Sieg und eine große Revanche. Wer dabei war, weiß, wie gut so etwas zusammen passen kann.

*

Das Auftreten des HSV. war ausgezeichnet. Nur einer seiner Läufer wurde gegen Spielende etwas widerborstig und mußte eine leise Ermahnung hinnehmen. In Frankfurt war man über das ganze Spiel aus vielen Gründen erstaunt. Man fürchtete sich vor einer Ueberlegenheit des HSV. — halb aber hoffte man auch auf sie. Denn wenn schon die eigene Mannschaft doch kein Meister wurde, dann wünschte man sie wenigstens von einer großartigen Elf verdrängt zu sehen, und selber norddeutschen Fußball von großer Klasse zu sehen. Nun, die HSVer selbst werden sich nicht großartiger gefunden haben. Ihre Verteidiger Dörfel und Bohn wurden zwar nach der Pause besser, aber das war auch bitter nötig. Reinhardt war ein sehr matter Mittelläufer und im Sturm war Noack zwar ruhig und umsichtig, Höffmann gefährlich, wenn er freistand, Carsten und Sikorski sehr fleißige Leute — aber solche Mannschaften sehen wir oft.

Es gibt nur eine Erklärung, dieser HSV. war nicht in bester Form. Der Torwart Brenning war nie als Ersatz zu spüren. Er hielt, was zu halten war.

Die Eintracht hatte alles umgekrempelt Wir sahen auf der Tribüne Ludwig Schmitt, Hennes Stubb und Karl Ehmer. Hinter ihnen stand Willy Pfeiffer. Er starrte, ein wenig grau geworden an den Schläfen, sprachlos aufs Feld. Ich glaube, daß ich ihm ansah, was er dachte. Er dachte: „Kinder, Kinder! Mir ist manchmal vorgeworfen worden, ich hätte gar zuviel Kampfgeist. Ich bin hie und da zu weit gegangen im Eifer? Nun gut, ich habe gekämpft, für meine Elf, für meinen Klub Ich habe nicht darauf geachtet, ob man mein Trikot zum Schluß ausdrehen konnte oder ob es noch funkelnd frisch war Aber eines weiß ich genau: das, was ich an Kampfgeist vielleicht zuviel hatte, das könntet ihr dort unten Kameraden und Nachfolger gut gebrauchen!"

Wenn er das gedacht hat, hat er recht gedacht. Den herrlich-himmelstürmenden Eifer, der Siege vom Himmel reißt, den hatte an diesem Tag in der Eintrachtelf nur Lindemann.

*

Aber gut gespielt haben die übrigen fast alle. Mit ein klein wenig mehr Glück und Geistesgegenwart und Konzentration hätten sie leicht das Geschick noch bezwungen. Heute war es möglich, bei diesem danebengeratenen HSV.

Der Schiedsrichter Stöckmann-Köln hörte einige Pfiffe gegen sich. Er hat vor der Pause zwei Abseitsfehlentscheidungen getroffen. Das war alles. Und diese Feststellung lobt ihn     . r.o.k. (aus dem 'Kicker' vom 24.05.1938)

 

 


 

 

Eintracht startete wie die Feuerwehr, aber ...

Eintracht Frankfurt — Hamburger SV. 3:2

Frankfurt, 22. Mai

Bei diesem Zusammentreffen stand die „Eintracht" vor einer Aufgabe, die sie nicht lösen konnte und der HSV. vor einem Spiel, das er nicht zu gewinnen brauchte. Die Einstellung beider Mannschaften entsprach diesen Umständen. Für die Frankfurter galt es nur, Revanche für das 0:5 des Vorspiels und einige in Hamburg genossene Unfreundlichkeiten zu nehmen. Der HSV. dagegen war auf allzugroße Schonung bedacht. So wurde das Spiel zwar zeitweise mit ziemlicher Nervosität durchgeführt, jedoch fehlte fast durchweg der wirkliche Kampfgeist.

Die Leistungskurve in diesem Treffen schwankte. Aber leider bewegte sich diese Kurve nur selten über der Mittellinie der Durchschnittsleistung und sehr oft und lange erheblich darunter! Die Zuschauer waren somit von beiden Mannschaften enttäuscht. An dieser Stimmung änderte auch der in den letzten Minuten erfochtene Eintrachtsieg nichts, da allzudeutlich war, daß der HSV. sich nicht voll einsetzte.

Das Spiel begann allerdings in einer Weise, daß die größten Eintrachtsoptimisten sich zu fragen begannen, ob das notwendige 6:0 nicht doch noch keine Utopie sei. Die „Eintracht" überrannte nämlich die Hamburger und erzielte nach wenigen Minuten durch Röll einen feinen Treffer. Doch der HSV. kam mit der Zeit auch ins Bild. In der 16. Minute lief Carstens durch und schoß für Peutler unhaltbar den Ausgleich. (Ein etwas besserer Torwart hätte den Ball wohl gehalten!) Mit dem 6:0 war es also bereits Essig. Das Spiel verlor an Reiz. In der 40. Minute schoß Dörfel unter die Latte, von wo der Ball ins Feld zurücksprang. Einen Zentimeter tiefer und es war ein sicherer Treffer.

Nach der Pause startete die „Eintracht" wie die Feuerwehr. Sie erspielte auch eine Reihe großer Chancen, aber entweder waren es die eigenen Stürmer, die damit nichts anzufangen wußten, oder es war Warning, der nicht das geringste Entgegenkommen zeigte. Als es dann in der 21. Minute Noack einfiel, wieder einmal mitzumachen, legte er den Ball seinem Mittelstürmer Höffmann so hübsch vor, daß dieser seinen ganzen Ruf riskiert hätte, wenn es kein Treffer geworden wäre. Es hieß also 2:1 für den HSV. und Mathematiker behaupteten, daß die „Eintracht" jetzt noch 10 Tore schießen müßte, wenn sie Gruppenmeister werden wollte.

Die „Eintracht"stürmer dachten aber wenigstens daran, doch noch einen Sieg herauszuholen, nur um das Dekorum zu wahren. Sie wurden dabei durch die Untätigkeit des Hamburger Angriffs unterstützt, der ihnen allzu großzügig den Ball überließ. Zunächst hielt aber der muntere Warning alles, wobei ihm Peutler sicherlich staunend zusah. In der 24. Minute kam jedoch Wirsching aus einem Gedränge heraus zu seinem Tor und damit dem Ausgleich.

Damit schien auch der Ehrgeiz der „Eintracht"spieler befriedigt zu sein. Nur Adam Schmidt dachte anders und gab die erzwungene Rolle als Angriffs-Mittelläufer auf. Er stürmte, und zwar in der 40. Minute mit Erfolg. Unheimlich hart aber fair setzte er sich durch und gab den Ball zur sicheren Vollstreckung an seinen Nebenmann Arheilger. Damit war wenigstens eine kleine Revanche gelungen.

Den neuen Gruppenmeister HSV. kann man wohl nach diesen Leistungen nicht beurteilen. Er muß es sich aber wegen seiner laxen Spielweise gefallen lassen, daß es in Frankfurter Zuschauerkreisen hieß: „Die können ja auch nix." Am meisten durch Leistungen aufgefallen sind Warning und Carstens. Dagegen war Noack von einer so vornehmen Zurückhaltung, daß man ihm „Herr Senator" zurief. Das Publikum machte aus seinem Herzen auch keine Mördergrube und rief „Hummel, Hummel" und ähnliches. Spaß muß sein, wenn die Spieler die Sache selbst nicht ernst nehmen.

Die Frankfurter spielten unter Form. Sie haben aber fast die ganze Saison unter Form gespielt. Alles Übel geht wohl davon aus, daß die Elf keinen Torwart von Verlaß hat. Sonst müßten so gute Leute wie Lindemann, Groß, Gramlich, Schmidt und Röll besser zur Geltung kommen.      Dr C.E.L. (aus dem 'Fußball' vom 24.05.1938)

 

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