Gau Südwest - Nationalmannschaft China

Freundschaftsspiel 1936/37

8:3 (2:3)

 

Termin: 13.08.1936 im Stadion Frankfurt
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter:
Tore: 0:1, 1:1 Karl Röll, 1:2, 2:2 Novotny, 2:3, 3:3 Fuchs, 4:3 Simon, 5:3 Eckert, 6:3 Fuchs, 7:3 (Eigentor), 8:3 Karl Röll

 

>> Spielbericht <<

Gau Südwest Nationalmannschaft China

 


 

Trainer
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In Frankfurt

Chinas Nationalelf verliert gegen Gau Südwest 3:8 (3:2).

Der Bericht über diesen seltensten Fußballbesuch, den Frankfurt jemals empfangen hat, beginnt mit der wahren Geschichte von einem Fahnenträger. Ich sah ihn auf dem Bahnsteig Nummer 5. Der FD-Zug aus Berlin wurde erwartet. Der Fahnenträger war ein blutjunger chinesischer Student mit grauem Anzug und einer Brille. Er wartete auf den Zug, um seine Kameraden zu empfangen. Die mohnrote Fahne Chinas mit dem blauen Gösch und der silbernen Sonne darin. Neben dem Fahnenträger stand ein zweiter mit einer weißer Flagge, auf der in schwarzer Tusche chinesische Zeichen gemalt waren: Willkommgruß für die asiatischen Meister des Fußballs.

Der Zug rollte ein. Koffer flogen aus den Fenstern. Junge, bescheidene, gut aussehende Sportsleute in weißen Strohhüten oder hellgrauen Filzhüten kletterten aus den Abteilen und der kleine ernste Student führte mit feierlichem Gesicht die in Zweierkolonnen aus dem Bahnhof marschierenden chinesischen Sportsleute über die Straße hinweg ins Hotel. Es war ein kurzer Weg, aber die Feierlichkeit des Fahnenträgers war ergreifend und rührend sie griff ans Herz — Tausende von Kilometern fern der Heimat empfing dieser kleine Student seine niegesehenen Landsleute aus Südchina stolz und ernst.

Der Respekt vor den Chinesen war groß. Groß im Publikum, groß bei der Presse, groß unter den Männern, die sich um Südwest Aufstellung sorgten: Dr. Raßbach und Kai Schenk. Nur der Regen hatte keinen Respekt. Er rasselte und trommelte sein eintöniges Lied stundenlang, halbtagelang — das Spiel wurde verschoben; 24 Stunden später erst konnte es ausgetragen werden.

Vielleicht war dieser Umstand viel daran schuld, daß am Donnerstag abend nur 3000 Menschen im Stadtwald von Frankfurt standen. Der Himmel hing grau über der Stadt und ganz feine Nasen von Melancholikern rochen schon den Herbst aus den ersten welken Blättern auf dem Weg.

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Siehe da, es war eine famose südwestdeutsche Kombination zustandegekommen: Eigenbrodt-Offenbach; Hunkel-FSpV. Frankfurt, Stubb-Eintracht; Fürbeth-Eintracht, Kiefer-Wormatia, Schucker-Rüsselsheim; Röll-Eintracht, Eckert-Wormatia, Fuchs-SpV. Wiesbaden, Novotny-Offenbacher Kickers, Simon-Offenbacher Kickers.

Die chinesischen Namen brauche ich doch nicht zu nennen? Es wäre eine ungehörige Zumutung an den Leser. Es ist zu schwer für Europäer, diese Namen zu behalten. Mittelgroße, kräftige Figuren. Dunkelblaue Hemden mit gewaltigen weißen Ziffern auf dem Rücken: „17" und „3" und „8" und „20" - jeder der 22 Spieler dieser Reisegesellschaft hatte seine eigene Nummer.

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6000 neugierige Augen werden vor Staunen noch größer: die Chinesen gehen mit steilen und doch weich hingleitenden Angriffen vor, ein Spiel wie auf Butter und Oel und — der Linksaußen dreht eine Ecke ins Tor, dank der Fassungslosigkeit und halben Mithilfe von Eigenbrodt. Noch in derselben Minute glich Röll-Eintracht aus. Und dann gab es noch eine Sache von klassischer Leichtigkeit, der Linksaußen flankte flach und der Halbrechte hob den Ball, indem er wie ein Zicklein über Eigenbrodts Hände sprang, ins Tor. Dann glich kraftvoll Novotny aus und kurz vor der Pause paßte Kiefer nicht recht auf, so daß der schlanke, schmale Mittelstürmer Chinas den verdienten 3:2-Sieg der Pause holen konnte.

Und nun schnell noch alle Tore nennen, die es nachher gab: Ausgleich durch Fuchs-Köpfler, Führung durch den schon verletzten, tapferen Simon, 5:3 durch Eckerts Strafstoß, 6:3 durch Fuchsköpfler, 7:3 durch Eckertschuß mit anschließendem chinesischem Selbsttor und 8:3 durch Röll.

Aus! Die Dämmerung eines regenschweren Tages senkt sich allzu früh über ein Spiel, dessen letzte Viertelstunde schon ganz verschleiert war.

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Vor mir liegt ein schmaler, rosafarbener Zettel. Herr Lee Wai-Tong hat mir seine Mannschaft darauf verzeichnet, der Kapitän. Während mein Blick über diese Namen geht und ich an die verschiedenen Begegnungen mit den 22 höflichen, jungen Leuten aus den großen Städten Schanghai und Hongkong und während ich an die erste Halbzeit zurückdenke, fällt es immer schwerer, die große Niederlage zu begreifen.

„Plötzlich rauschten die Tore hinein", würde ein Belletrist schreiben. Aber hier ist eine Fußballkritik zu schreiben.

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Es war so: der Rasenteppich, vollgesaugt mit Nässe, verbrauchte die Tempokraft unserer Freunde aus dem Fernen Osten und als erst einmal der Ausgleich gefallen war, klappte es in der Hintermannschaft nicht mehr. Die drei Künstler des Innentrios aber standen allein und warteten auf Bälle für ihr wundersam-trickreiches Spiel. Der Südwestelf glückte jetzt alles.

Karl Zimmer hätte seine helle Freude an ihr gehabt. Dieses Spiel ist eine erste großartig geglückte Probe für die Bundespokalspiele. Mit dem glänzenden Bewähren von Röll, dem jungen Eintracht-Rechtsaußen, von Fuchs, diesem feurigen Fighter-Typ und Toreschützen, von Simon, einem sehr verbesserten Linksaußen, von dem in großer Frische spielenden Stubb --versagt hat niemand. Nur Eigenbrodt machte zwei Fehler. Aber das ist noch lange kein Beweis gegen ihn.

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Fußballergebnisse sind Schall und Rauch, mitunter. „8:3 — und da wollen Sie die Chinesen noch loben?" Oder: „Na, wenn die Südwestler 8:3 gewonnen haben, wird es mit dem Widerstand nicht so weit hergewesen sein!" Ich höre die Einwürfe. Sie sind nichtig. Die Chinesen waren Fußballkönner. Haben sie nicht fast jedes Einzelduell um den Ball gewonnen, ehe es zur Pause ging und nachher noch oft? War ihr Spiel nicht englisch-modern, wie sie es von ihren Lehrmeistern, den englischen Mannschaften im Reich der Mitte lernten?

Nur fehlte den Chinesen die Erfahrung der Kämpfe mit europäischen Mannschaften. Sie haben auf ihrer Weltreise gelernt. Auf der nächsten Olympiade werden sie gewichtiger auftreten.

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Es war ein seltenes und schönes Ereignis. Wir denken gern daran zurück — als an ein wirklich gutes Fußballspiel — mit seltenen Reizen. China — wenn das Wort fällt, denken viele Menschen noch an die engen, firmenfahnendurchflatterten Gassen von Nanking: an geheimnisvolle Dschunken auf dem großen gelben Fluß; an die höflichen Verneigungen von Männern in Seidengewändern mit wehenden Zöpfen und Mandarinenmützen. China ist aber nicht mehr das Land der großen Mauer. Jung-China spielt Fußball, mit nackten, braunen, kräftigen Knien fegen die Burschen in blauen Sweatern übers Feld, schaut sie nur an und bedenkt, wie rasch sie gelernt haben!

Auf Wiedersehen, Herr Wai-Tong und ihr anderen Einundzwanzig!      Jan Jansen. (aus dem 'Kicker' vom 18.08.1936)

 

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