Eintracht Frankfurt - Bayern München

Deutsche Meisterschaft 1931/32 - Finale

0:2 (0:1)

Termin: 12.06.1932 in Nürnberg
Zuschauer: 55.000
Schiedsrichter: Alfred Birlem (Berlin)
Tore: 0:1 Rohr (35., Elfmeter), 0:2 Krumm (75.)

 

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Eintracht Frankfurt Bayern München

 


  • Lechler
  • Haringer
  • Heidkamp
  • Beindel
  • Goldbrunner
  • Naglschmitz
  • Bergmaier
  • Krumm
  • Rohr
  • Schmid
  • Welker

 

Trainer Trainer
  • Dombi

 

Der Anmarsch von Frankfurt

Wir starten um 5 Uhr früh in der Erwartung, die erwachende Straße im Glanz der entgegenstrahlenden Sonne frei zu finden; Wälder und Wiesen sind noch sanft umnebelt von der balsamischen Nacht. Der süße Duft des frischen Heus, leise narkotisierend, läßt den Raub, den wir an Morpheus vollzogen, träumend vergessen. Bis Offenbach schweben wir fast allein die Mainuferstraße aufwärts. Aber die Kickersstadt ist auf den Beinen. Frühbegeisterte umsäumen, rot-weiße Eintracht-Fähnchen schwingend, die Straße. Im Wald von Germania Bieber kampieren Gruppen von Sportenthusiasten, Siegeswünsche schreiend. Bald müssen wir einsehen, daß wir uns fast zu spät auf den Weg gemacht haben. Lastwagen auf Lastwagen rollt vor uns her, behängt mit Menschenköpfen; wie reife Trauben taumeln sie hin. Hundert Fähnchen stoßen bei unserer Vorbeifahrt in die duftende Morgenluft. Hipp-Hipp-Hurra! Hanau 93 wird linksmainisch umsegelt. Hinter Seligenstadt die bayerische Grenze. Aber immer noch Mainbezirk. Eintracht noch Trumpf! Bis weit hinter Aschaffenburg der Viktorianer! Heulende Limousinen überfliegen uns, Wagen auf Wagen. Wir haben Mitleid mit den Menschenknäueln, die die Federn platt biegen und wir genießen den unvergleichlichen Sonntagmorgen im behaglichen 50-Kilometer-Tempo, bewußt mit Weile zu eilen und in demütiger Dankbarkeit gegen die Herlichkeiten der Natur. Der Spessart mit seinen sanft umwaldeten Höhen und den fliehenden Serpentinen wird den unbekümmert dahinrausenden Behelfsautos zum Verhängnis. Sie tränken und singen und jubeln ob des kommenden Siegs.

Hinter Rohrbrunn liegt ein Wagen, der uns eben noch hänselnd überholt hatte, auf dem Rücken, alle viere zum Himmel streckend, die Eintrachtfahne weit von sich werfend. Zwei Frauen werden weggeführt. Ich halte an. „Ist was passiert?" ,.Kein Mensch zu Schaden gekommen" meldet der Sportwart von Frankfurt 80. Wir fahren weiter. Enger, schieben sich Autos und Räder und Motorwagen ineinander. Exemplare von musealem phantastischem Wert sind frisch geputzt und lackiert, mit unmöglicher Last. Alles rollt nach Nürnberg. Eine einzige mächtige Korsofahrt von Frankfurt bis zur Noris. Eine sportliche Mobilmachung, die ihresgleichen sucht.

Kurz vor Würzburg ändern sich die Zurufe. Das Käppele winkt noch freundliche Grüße, aber die Massen werden feindselig. ,.Fünf" brüllt ein Fanatiker und streckt uns die Hand wie ein Warnungsschild der Agrippina entgegen. Das war in Kitzingen und sollte unsere Packung bedeuten. In Neustadt ein Sprechchor der Jugendlichen: „Eintracht verliert". Die ortsansässigen Massen nehmen immer lebhafteren Anteil. In jedem Dorf steigert sich die Aufregung über die preusische Invasion, Plötzlich liegt Frankfurt jenseits der Mainlinie. — Was sehen wir? Da flitzt Hitlers Mercedes mit Eskorte uns entgegen; die Insassen erkennen, daß auch König Fußball die Massenbegeisterung in steigendem Maße erwirbt trotz Reichstagsfieber und Notverordnungen. In Nürnberg ist ein Volksfest. Markt! Tausend Wagen jeder Art. Singende, tänzelnde, siegesfrohe Münchener kochen auf der Straße ab. Noch zwei Stunden bis zum Ziel. Vor dem Hauptbahnhof Wallensteins Lager. Alle süddeutschen Stämme sind vereint, das Fahnensymbol ihrer heißesten Wünsche in den Händen verkrampft. Das schützende Grand-Hotel läßt unsere mit der Annäherung an Nürnberg schon reichlich gesunkene Hoffnung nicht neu erwachen. Nürnberg glaubt an einen Münchener Sieg — ! Dr. David RothschiId.

Saison 1931/32
Mannschaft vor dem Endspiel 1932

Endspielzauber

Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von hoffnungsvollen Siegen. Kommt dann die größte aller Enttäuschung gerade noch am Endziel, — so bleibt ein schmerzlich bitteres Gefühl zurück --- Arme Eintracht! Aus ist's mit dem Meisterschaftstraum — erblaßt ist der

Glorienschein — nun müßt ihr warten und euch trösten auf ein andermal. Dabei seid ihr mit der größten Hoffnung unter dem Jubel eurer vielen Anhänger in die alte Noris gekommen. Tapfer hat jeder von euch bis zur letzten Minute gekämpft — im Schweiße seines Angesichts hat jeder sein Bestes gegeben, aber letzten Endes mußtet ihr doch vor einem noch besseren Gegner unbarmherzig kapitulieren. Die Nerven haben nach der Pause versagt — triumphiert haben die Bayern, deren gute Klasse, spielerische Fußballkunst und Kampfkraft sie schon seit vielen Jahren, zu einer der führenden deutschen Mannschaften stempelten. Münchens leidenschaftliche Siegesstimmung, die alle Bayernspieler nach dem gerechten Elfmeterstoß durchglühte, genügte, um den größten aller Siege zu erkämpfen, sie genügte, um den Frankfurtern alle Hoffnung zu rauben.

Der Weg zur deutschen Meisterschaft ist wahrhaftig nicht mit Rosen gepflastert. Davon weiß ja unser Club, die Spielvereinigung, aber auch der HSV. und ganz besonders die Berliner Hertha ein Liedchen zu singen. Ein mühselig dornenvoller Weg führt bis zum größten Triumph und die Bayern als heutiger glückstrahlender verdienter Sieger im schönen Nürnberger Stadion haben bei dieser harten Nervenprobe deutlich genug spüren müssen/was es heißt, zum erstenmal deutscher Fußballmeister zu werden, Ihr habt es geschafft — wunderbar habt ihr euch im Glänze der heißen Frühlingssonne geschlagen — dem FC Bayern gratuliere ich vom ganzen Herzen.

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Herrgott war das aber eine Aufregung! Nürnberg bebte im Fußballfieber wie noch nie, und man muß schon die interessanten Intermezzis in der Königstraße, Mautkeller, Sebaldusklause bsw. selbst miterlebt haben, um sich ein genaues Bild machen zu können. Es gab in Nürnberg überhaupt kein anderes Gesprächsthema mehr als das vom Spiel. Der Kampf um die Eintrittskarten war ein Kapitel für sich. Die größte Aufregung war wohl in der Gartenstraße Nr. 5. Hans Rahl, der Vielgeplagte, war nicht zu beneiden — Tag und Nacht klingelte das Telephon, aber mit echt Dachauer Gemütlichkeit bewältigte Süddeutschlands Geschäftsführer sein schwieriges Pensum. Auch Finanzrat Aichinger, der fanatische Exkluberer, hätte sich am liebsten zerreißen mögen. Hie Bayern, hie Eintracht! Wem sollte er seine Sympathie geben? Aber ich glaube, daß sein niederbayerisches Herz doch mehr für München schlug. Jedenfalls, diese ganze Aufregung mit all dem Drum und Dran war sicher ein neuer Nährboden für Franzens bösen Zucker.

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Obwohl Nürnberg durch das Ausscheiden seines Clubs ganz desinteressiert war, gehörten die Sympathien doch mehr dea Münchnern. Leicht erklärlich, denn mit den „Bayern" sind wir ja schließlich doch mehr verwachsen, als mit den Frankfurtern, die mancher nebenbei als halberte „Preußen" betrachtet. Eintracht ist eben in Nürnberg etwas fremd und nicht so populär als die Münchner Rothosen, die sich schön seit fast 30 Jahren in die Herzen der Nürnberger gespielt haben. Wohl haben sie unsern Club von 14 Tagen recht unsanft aus dem Rennen geworfen, allein dieser Schmerz war bereits vergessen. Nürnberg hatte sich damit abgefunden und beschäftigte sich in den letzten Tagen nun mit anderen Dingen. Man betrachtete den Genuß eines Schlußspiels von zwei hochklassigen Gegnern im eigenen Stadion als Aequivalent für die Mannheimer Niederlage.


Klapppostkarte vom Nürnberger Stadion zum Endspiel

Es gibt Augenblicke, die mit einer Leuchtkraft sondergleichen Bilder in die Erinnerung prägen, zu diesen zähle ich den Anblick des gefüllten Stadions mit seinen 55000 Zuschauern. Nach dem Spiel der Studentenmannschaften war die Erwartung dann aufs höchste gespannt — die Stimmung des Endspielzaubers setzte ein. Eintracht und Bayern erscheinen unter Riesenbeifall mit der gemeldeten Besetzung. Dazu in Birlem-Berlin ein hervorragender Schiedsrichter, sekundiert von den zwei Nürnberger Schiedsrichterkanonen Sackenreuther und Maul.

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Lechler (München) klärt
vor Ehmer. (Trumpf-Sammelbild)

Viele Mannschaften verstehen es, gleich in den ersten Minuten die Sympathien des Publikums zu gewinnen. Dazu gehören bestimmt die Bayern. Ihr Spiel bezaubert, ihr schmuckes Auftreten ist gewinnend, und wenn erst — wie heute nach der Pause — ihr zündendes Kampfspiel einschlägt, dann sind sie eben die Bayern, wie wir sie seit Jahren kennen, die Leute, die das Geheimnis des eleganten, erfolgreichen Fußballs, dank der guten Schule eines Townley, Kürschner, Kalman Konrad und Dombi aufs gründlichste durchforscht haben. Es dauerte heute allerdings lange, bis sich der Bayernangriff einigermaßen richtig gefunden hatte. Die Nervosität von Rohr, Krumm und Welker war deutlich zu spüren, so daß dem Sturm trotz der Kaltschnäuzigkeit eines Schmidt und Bergmeier vorerst der nötige Schwung fehlte. Die famose Frankfurter Abwehr Schütz-Stubb fuhr bei allen Bayernattacken oft mit spielender Leichtigkeit dazwischen, so daß vorerst gar keine Gefahr drohte. Frankfurt kam entschieden besser in Fahrt, wobei ihr in tiefer W-Formation operierender Sturm, gewürzt mit einer guten Portion körperlichen Einsatzes, an die Münchner Abwehr große Anforderungen stellte. Aber der ruhig überlegende Heidkamp und der Teufelskerl Haringer standen an Qualität ihrem Gegenüber kaum nach, so daß alle Tankangriffe des Frankfurter Sturms zum Scheitern kamen. Ehmer wurde von dem arbeitsamen Goldbrunner ziemlich kalt gestellt und auch Nagelschmitz und Breindel sorgten dafür, daß die Schaller, Trumpler, Dietrich und Möbs nicht übermütig werden konnten. Bei Frankfurt lieferte der fast unscheinbare Mittelläufer Leis eine gute Partie, aber der beste Mann war doch Gramlich, der ausgezeichnet gefiel, während Mantel weniger in Erscheinung trat. Die beiden Torleute gefielen hüben wie drüben durch ihre Sicherheit.

Mit großer Verbissenheit versuchten die Spieler ihre jeweiligen Gegner abzuschütteln — man spielt teilweise recht derb (Trumpler!) und die aufgeregten Sonderzügler sorgten mit Kuhglocken, Autohupen und blödsinnigem Geschrei dafür, daß beide Gegner erst richtig aufgepeitscht wurden. Schiedsrichter Birlem ließ sich trotz mancher Anpflaumung nicht aus der Ruhe bringen und seine raschen präzisen Entscheidungen wirkten geradezu wohltuend. In der 35. Minute gelang dann Bayern durch Elfmeterstoß die Führung. Aus einem Eckball entstand ein wüstes Gedränge, wobei Stubb in höchster Gefahr mit der Hand zu retten suchte. Rohr verwandelte den Elfer, womit natürlich bei München erst die richtige Ruhe einkehrte, während Eintracht mit aller Macht nun zum Ausgleich kämpfte.

Beiderseits ist man recht gehässig — Haringer holt sich eine Verwarnung — Dietrich scheidet wegen Kopfverletzung vorübergehend aus, aber gleich darauf begeht der rappelköpfige Trumpler an Nagelschmitz ein grobes Foul, so daß der Münchner bis zur Pause nicht mehr in Frage kam. Alle diese kleinen Vorkommnisse bildeten Zündstoffe der Erregung und es kam, wie es kommen mußte — durch die vielen Fouls der Frankfurter schwenkte allmählich der Nürnberg-Fürther Anhang immer mehr ins Münchner Lager. Nach der Pause merkten die Bayern, daß sie die Massen nun ganz hinter sich hatten, während man die Eintracht mit einem unsportlichen Pfeifkonzert empfing. Das war natürlich nicht schön, aber die Frankfurter scherten sich doch wenig darum, denn schließlich machte ja auch der Frankfurter Block genügend Krach, so daß es auch nach dieser Seite hin nicht an Stimmung fehlte.

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Und die Eintrachtler begannen nun die zweite Hälfte mit einer kräftigen Offensive, so daß man fast annehmen konnte, daß die Gäste vom Main den Kampf diktieren würden. Aber dies war ein Trugschluß. Der langsame Ehmer war wirklich eine aufgelegte Niete, Dietrich nur ein Schatten seiner einstigen großen Zeit und nur der temperamentvolle Trumpler, der schnelle Schaller und auch Möbs brachten durch kolossalen Energieaufwand einigemal Leben in die Bude. Trumpler, dann am linken Flügel, und auch Schaller gaben alles her, um zu Erfolgen zu kommen, allein der gut gedeckte Innensturm wurde zur Hilflosigkeit verurteilt und die bestgemeinten Flanken eines Schaller wurden nicht verwertet oder wurden zu einer Anzahl Ecken ausgeschlagen. Zu allem Pech kam nun auch die Läuferreihe Gramlich, Leis und Mantel bedenklich ins Schwimmen und zwischen Sturm und Läuferreihe klaffte ein zu großer Abstand, so daß dem Angriff fast jede Unterstützung von hinten fehlte. Nur Stubb und Schütz sorgten durch weite Schläge, daß der Eintrachtsturm einigermaßen ins Gefecht kam.

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Von der 60. Minute an war Bayern nun in Front und die Eintrachtler so gut wie erschossen! Der Münchner Sieg stand jetzt kaum mehr in Frage, denn die Bayernspieler überwanden nun fast alle gegnerischen Hindernisse. Besonders Rohr und Krumm kamen auf volle Tourenzahl, aber auch alle anderen Spieler zeigen nun im Punkt Technik, Ballbeherrschung und Kombinationsgabe eine solch eminente Sicherheit, daß der Siegestreffer trotz der vielen verknallten Chancen jeden Augen-Blick kommen mußte. Noch höre ich den Beifallssturm in der 75. Minute!

Bergmeier hatte Mantel und Stubb raffiniert getäuscht — Krumm demonstriert eine wunderbare Einzelleistung und mit einem Prachtschuß sitzt der unhaltbare zweite Treffer. Damit war auch das Frankfurter Schicksal endgültig besiegelt, denn auch weiterhin beherrschte nun der neue deutsche Meister mit klassischer Ruhe die Lage. Nochmals strengt sich Frankfurt mächtig an und versucht nun unter dem Druck von Stubb eine Gewaltoffensive einzuleiten. Aber Bayern spielt nun durch Zurücknahme von Krumm und Schmid taktisch richtig und einen famosen Ehmerschuß meistert Lechler in der 83. Minute ausgezeichnet. Das Spiel neigt sich seinem Ende — Münchens Sonderzügler lassen sich in ihrer Siegesfreude nicht mehr halten und als der Schlußpfiff ertönt, da überfluten Tausende das Spielfeld und unter frenetischem Beifall und Begeisterung trägt man die wackeren Bayernspieler, unsern neuen deutschen Meister, in die Kabinen.      Hans Stoll. (aus dem 'Kicker vom 14.06.1932)

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