Eintracht Frankfurt - VfL Neckarau

Süddeutsche Meisterschaft, Gruppe Nord-West 1931/32 - 12. Spiel

3:1 (2:1)

Termin: 10.04.1932 im Stadion
Zuschauer: 4.500
Schiedsrichter: Wacker (Niefern)
Tore: 1:0 Karl Ehmer (8.), 2:0 Karl Ehmer (17., Elfmeter), 2:1 Schmitt I (44.), 3:1 Walter Dietrich (58.)

 

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Eintracht Frankfurt VfL Neckarau

 


  • Diringer
  • Kurz
  • Lauer
  • Siegel
  • Schmitt II
  • Orth
  • Größle
  • Schmitt I
  • Zeilfelder

 

Trainer Trainer

 

Neckarau ausgeschaltet.

Was die Neckarauer im Frankfurter Stadion zeigten, war so harmlos, daß man sich verwundert fragt, wie diese Mannschaft ernstlich ein Konkurrent der Eintracht werden und diese sogar im Vorspiel schlagen konnte. Nur die schwache Form des überspielten Mainmeisters und die Gefährlichkeit des Neckarauer Platzes sind hierfür eine Erklärung. Sonst muß man schon sagen, daß Neckarau sich mit beiden Frankfurter Vertretern nicht messen kann und in der Spielkultur — im Gegensatz zur Tabelle — auch bestimmt hinter Waldhof zurücksteht.

Die Mannheimer Gäste hatten einen eifrigen Sturm, der gelegentlich mit überraschenden und gefährlichen Schüssen aufwartete. Aber eine Angriffsreihe, die der gegnerischen Hintermannschaft Kopfschmerzen bereitet, war das nicht. Der alte Zeilfelder ist unbeweglich geworden. Für den Mittelstürmerposten, den er nur die letzten zehn Minuten bekleidete, reicht anscheinend die Kraft nicht mehr; als Rechtsaußen steht jedoch Zeilfelder, der sehr langsam ist und nicht flanken kann, auf verlorenem Posten. Man hält ihn anscheinend in der Mannschaft seines bekannten Spitzenschusses wegen, den er jedoch im ganzen Spiel nur einmal anwenden konnte. In dieser Form nützt der alte populäre Spieler seiner Mannschaft weniger als jeder junge Durchschnittsstürmer.

In der Läuferreihe hatten die Gäste ihren besten Mann, sogar einen überragenden Spieler: Größle. Dieser stellte Schaller kalt und die Eintrachtläufer weit in den Schatten. Ein guter Torwart, eine zuverlässige Hintermannschaft; das ist alles. Dazu mehr Kampfgeist als Sinn für verfeinertes Fußballspiel. Eine bessere süddeutsche Durchschnittsmannschaft mit einiger Tradition, jedoch kein Meisterschaftsanwärter. Mit der heutigen Niederlage sind übrigens alle Träume nach dem 1. Platz und wohl auch die nach dem 2. Platz ausgeträumt.

Eintracht „überspielt".

Die etwas umgestellte Mannschaft der Eintracht hat besser gespielt als gegen Fußballsportverein, aber noch lange nicht, wie man es von ihr gewohnt ist. Die Verbesserung lag teils an der Umstellung, teils an den geringeren Anforderungen, die der Gegner stellte. Das frische Spiel Sobanskis und die Beweglichkeit Trumpplers, die beide längere Zeit aus der ersten Mannschaft verschwunden waren, stachen angenehm hervor. Dagegen sind Schaller, Gramlich und Stubb vollkommen überspielt. Auch bei Dietrich und Leis zeigen sich Ermüdungserscheinungen.

Leute, die nicht selbst Sport getrieben haben, können sich anscheinend von dem Phänomen des „Überspieltseins" keine richtige Vorstellung machen. In einer Unterhaltung sagte ein Eintrachtanhänger: „Aber was wollen Sie denn, die Jungens haben doch immer sechs Tage Zeit, sich auszuruhen!" Überspieltsein hat mit körperlicher Erschlaffung nicht das geringste zu tun, wenn es auch manchmal damit zusammentreffen kann. Der Mensch kann das ewige Einerlei nun einmal nicht vertragen. Setzt man ihm tagtäglich die gleiche Speise vor, so wird er sie auch bei bestem Appetit schließlich nur mit Widerwillen verzehren. Die Lust am Spiel ist ein innerer Trieb, der durch die Tretmühle der langweiligen süddeutschen Verbandsspiele langsam abgetötet wird. Es fehlt auch der Anreiz. Die Eintracht ist fünf Jahre hintereinander Meister. Zuerst war es die Erfüllung eines außerordentlichen Wunsches. Mit Lust und Liebe wurde dann im nächsten Jahre der Titel verteidigt. Die Süddeutsche Meisterschaft lockte. Sie wurde errungen. Und dann geht es weiter. Wieder Mainmeisterschaft, wieder Endspiele. Wenn auch diese Saison alle Meisterschaften unter Dach und Fach sind, dann fängt im Herbst der Rummel von vorne an. Mit anderen Worten: den Spielern hängt die Geschichte zum Halse heraus und selbst die Zuschauer finden es mit der Zeit langweilig. (Ob die Erfinder des jetzigen Spielsystems endlich daraus lernen werden?!)

Es ist mit eine der Ursachen des guten Spiels der Eintracht bei dem Osterturnier in Berlin, daß darin schon eine gewisse Abwechslung gegenüber den Verbandsspielen lag. Die Spieler brauchen jedoch mehr. Sie müssen nicht etwa zur Erholung ins Sanatorium, aber sie sollten einmal drei bis vier Wochen keinen Fußball sehen! Die anstrengendsten Bergtouren, Tennis,Schwimmen oder sonstiger Sport können die Zeit ausfüllen. Aber die Leute sollten vom Fußball nicht einmal etwas hören, bis — sie von einem derartigen Hunger nach dem geliebten Lederball ergriffen werden, daß sie es kaum abwarten können, wieder einmal tüchtig zu kicken. Eine solche Eintrachtelf würde die Deutsche Meisterschaft spielend gewinnen. So aber wird es vom Glück und Zufällen abhängen, wie weit die Eintracht diesmal kommt.

3:1

Zu Beginn des Spieles hat Neckarau eine Riesenchance, der Ball geht an die Latte, prallt an vielen Füßen ab und wird schließlich kläglich verschossen. Das war unverzeihlich.

Dann spielte die Eintracht überlegt und überlegen. Der gut aufgelegte Ehmer wird eingesetzt. Er schießt eine Bombe, die gehalten wird. In der 8. Minute kommt er von rechts durch und jagt den Ball unter den sich werfenden Hüter unheimlich scharf ins Netz. 1:0 für Eintracht.

Zwischenzeitlich ist Dietrich, der im Feld ausgezeichnete Vorarbeit leistet, vor dem Tore äußerst schußunsicher. Immer wieder ist jedoch Ehmer vorne, auch von dem quecksilbrigen Trumppler bestens unterstützt: typisches Spiel in W-Formation. In der 17. Minute läuft der Torwart Neckaraus heraus und wirft sich vor Ehmer nach dem Ball. Der Eintrachtmann zieht den Ball zurück und will jetzt den hilflosen Torwart überspielen. Dieser hält jedoch Ehmer am Bein fest und verwirkt dadurch einen Elfmeter. Ehmer verwandelt sicher. 2:0 für Eintracht. Ehmer ist weiterhin ausgezeichnet.

In den letzten Minuten greift Neckarau energisch an. Zeilfelder verletzt sich zwar bei einem Zusammenprall mit dem unsicheren Stubb, der Ball kommt trotzdem zur Mitte, so daß der Linksaußen in der 44. Minute ungehindert aus nächster Nähe einschießen kann, da auch Leis vorher den Ball verpaßt. Halbzeit 2:1 für Eintracht.

Nach der Pause wird die Eintracht überlegener. Schaller schießt an die Latte, verpaßt aber sonst recht viel. Schließlich, in der 13. Minute, setzt sich Dietrich mit feiner Kombination energisch und raffiniert durch und schießt flach ein. Der 3:1-Sieg ist gesichert.

Der Rest des Spieles sieht die Eintracht stark im Vorteil. Schaller kommt zum Schuß und trifft den Innenpfosten. Es sah aus, als wäre der Ball im Tore gewesen. Dann köpft auch noch Trumppler an die Latte. Pech! Bei Neckarau werden einige Schüsse riskiert; einer ist von Zeilfelder aus gut 25 Meter Entfernung. Soweit die Bälle Richtung Tor kommen, ist aber Schmitt voll und ganz auf dem Posten.

Die Eintracht kann ihre Mannschaft größtenteils so belassen. Nur der Linksaußen-Ersatz Groth war sehr schwach. Krumme Beine wie ein Jockey, doch fußballerisch nicht viel... Übrigens ist Willy Pfeiffer von seinem Unfall (dreifacher Armbruch) wieder soweit hergestellt, daß er bereits in der Eintracht-Pokalelf erfolgreich mitwirkte. Der unverwüstliche alte Kämpe dürfte ruhig die nächsten Wochen einmal den überspielten Stubb ersetzen. Das Mittelläuferproblem dagegen bleibt. (aus dem 'Fußball' vom 12.04.1932)

 

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