Holstein Kiel - Eintracht Frankfurt

Deutsche Meisterschaft 1929/30 - Viertelfinale

4:2 (2:0)

 

Termin: 01.06.1930
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Alfred Birlem (Berlin)
Tore: 1:0 Ludwig (24.) 2:0 Widmaier (34.), 3:0 Esser (51.), 3:1 Theodor Trumpler (58.), 4:1 Ritter (83.), 4:2 Theodor Trumpler (87.)

 

>> Spielbericht <<

Holstein Kiel Eintracht Frankfurt

  • Kramer
  • Lagerquist
  • Zimmermann
  • Baasch
  • Ohm
  • Lübke
  • Voß
  • Ritter
  • Ludwig
  • Widmaier
  • Esser

 


 

Trainer
  • Carlos Heinlein
Trainer

 

Frankfurter Echo nach Holsteins Sieg: Enttäuschung

Es kam alles so, wie es die Pessimisten erwartet hatten: Die Eintracht war in vielen Dingen besser als die Gegner und doch blieb sie geschlagen. Die Frankfurter hielten den Ball flach am Boden, sie schoben ihn sauber von Mann zu Mann. Mit ihrer ziemlich präzisen Kombination drängten sie auch meist den Gegner in seine Spielhälfte zurück. Es war ein schönes Spiel, das die Frankfurter zeigten. Leider aber ebenso unzweckmäßig wie schön.

Als vor einigen Monaten die Eintracht noch bei Kräften war, da strebte sie in wenigen Spielzügen zum Tor, da waren noch Schnelligkeit und Elan in der Elf. Aber schon die letzten Spiele haben es gezeigt, daß der süddeutsche Meister vollkommen überspielt ist. Eine Tatsache, die ja an sich weiter nicht wunderlich ist, wenn man sich das Spielpensum betrachtet, das der Meister in der letzten Saison absolviert hat. Heute ist die Mannschaft ermüdet. Da die Schnelligkeit, die körperliche Kondition zurückgegangen sind, spielt man immer mehr in die Breite, übertreibt man die Kombinationen. Es fehlt auch die Kraft zum energischen Durchsetzen. Diese Dinge sind alle zu verstehen.

Unverständlich aber bleibt das völlige Versagen der Elf in taktischer Beziehung. Daß man es nicht verstand, den Gegner mehr durch steil angelegte Angriffe zu verwirren, daß man das Spiel nicht auseinanderziehen kann, die Flügel zu sehr vernachlässigt und daß man zu wenig schießt. Das sind Dinge, die weniger zu verstehen sind. Die Torwächterfrage hat mit zum Verhängnis beigetragen. Man ersetzte Trumpp durch Schüler, und der junge Ersatzmann war keineswegs besser als Trumpp. Immerhin trägt er aber nicht allein an den vier Treffern des Gegners Schuld. Die Verantwortung muß zu einem großen Teil die Verteidigung übernehmen, die am weitesten von allen Mitgliedern der Mannschaft von ihrer Höchstform entfernt ist. Der schnelle Stubb war in Berlin bedenklich langsam und steif. Er mußte oft den Kieler Rechtsaußen Voß ziehen lassen. Und auch Schütz machte manchen Schnitzer. Der beste Mannschaftsteil war wieder die Läuferreihe und die besten Leute überhaupt Goldammer und Mantel, Auch Gramlich ging noch an. Im Sturm wurde Kellerhoff vernachlässigt. Das rächte sich, Dietrich ist sichtlich zur Zeit untrainiert und abgespielt. Ehmer zeigte gute Ansätze, aber die letzte Entschlossenheit ging ihm in jeder Beziehung ab. Trumppler hatte auch hier kein Schußvermögen. Schaller war der frischeste, eifrigste Stürmer, Er schoß auch beide Tore. Aber seine Flanken kamen reichlich ungenau.

So hatten wir uns die Holstein vorgestellt: Eine Mannschaft, die von den Raffinessen des Kombinationsfußballs nicht viel versteht und nicht wissen will. Es wird im „Hurra-Stil" gespielt, der sich ja für Pokalkämpfe immer wieder eignet. Man treibt den Ball mit weiten Vorlagen in die Hälfte des Gegners, setzt dem Leder munter nach und wenn man es erwischt, dann wird lustig auf das Tor geknallt. Es schadet nichts, wenn dabei einmal ein Ball turmhoch über das Tor steigt. Zweimal verfehlt man das Ziel, der dritte Schuß trifft es. Da steht eine Läuferreihe die sich in der Hauptsache defensiv beschäftigt und den Sturm dem glücklichen Zufall überläßt. (Glück muß man natürlich haben.) Da steht weiter hinten eine Verteidigung die unbekümmert zwischen die Füße des Gegners fährt, den Ball trifft oder aber auch manchmal nicht gerade sanft den Mann. (Es gab deshalb auch manchen Strafstoß gegen Kiel.) Die ganze Elf spielte in Berlin nach dem Motto: Was kann uns passieren? Sie war unbeschwert und hatte deshalb einen klaren Kopf So klar war der Kopf, daß man auch die kleinste Chance erkannte und sie hurtig benützte. („Sport-Echo", Offenbach.)

Der süddeutsche Meister ist nach der schweren Saison, die hinter ihm liegt, vollkommen überspielt. Daß sah man schon in den letzten Privatspielen. Die Mannschaft hat dringend Ruhe notwendig. Sie ist steif und langsam geworden. Aber trotzdem war diese Niederlage nicht notwendig. Die technische Ueberlegenheit war gegenüber dem primitiven Spiel des Gegners so groß, daß es zum Siege hätte kommen müssen.

Zur Niederlage aber führten zwei Dinge:

Die Torwärterkalamität und die großen taktischen Schwächen. Scheinbar ist die Elf dermaßen überspielt, daß ihr jede Spielfreude abhanden gekommen ist und daß man darum sich auch nicht mehr zu taktisch richtigem Handeln findet. Das Spiel gegen Holstein hätte wesentlich raumgreifender, weitmaschiger angelegt werden müssen. Man mußte die Flügel mehr einsetzen und damit auch die Verteidigung des Gegners auseinanderziehen. So aber ballte sich die Spielhandlung immer auf die Mitte zusammen und der Gegner hatte es leicht, sich auf eine zweckmäßige Verteidigung einzustellen. Schüler hat einen Teil der Schuld an dieser Niederlage, aber auch Trumpp hat ja schon mehr als einmal versagt. Beide werden auf die Dauer nicht mehr zu verwenden sein. Die Verteidigung ist zurzeit mit ihren Kräften und Nerven am Ende. Bekommt sie keine Ruhe, dann wird sie so bald ihre „internationale Form" nicht wiederfinden. Stubb und Schütz waren an diesem Tag nichts mehr als Durchschnitt. Einigermaßen an ihre alte Form erinnerte bei der Eintracht nur eine Reihe, die Läuferreihe. Goldammer war, abgesehen davon, daß auch er taktische Mängel zeigte, sogar recht gut, und auch Mantel und Gramlich genügten. Im Sturm war die linke Seite Kellerhoff-Dietrich zu weich, zu unbestimmt in ihrem Handeln. Ehmer zeigte wiederholt gute Ansätze, aber den notwendigen „Mumm" hatte er auch nicht. Trumpler dribbelte zuviel und schoß so gut wie gar nicht. Schaller war sehr fleißig und auch schußfreudig. Er brachte beide Treffer auf sein Konto. Aber sein Zuspiel, seine Flanken waren sehr ungenau.

So sah der Sieger aus!

Keine Klasse, kein Spieler über Durchschnitt. Primitiv das Spiel. Reines Kick-and-Rush. — Steilvorlagen an die Flügel, denen man mit letzter Kraft und Schnelligkeit nachsetzt.

Birlem-Berlin bemühte sich um eine korrekte Leitung. Es unterliefen ihm zwar einige Fehler, im allgemeinen aber konnte man ihm kein schlechtes Prädikat geben. (FN. Sport-Frankf.) (aus 'Die Fußball-Woche' vom 04.06.1930)

 


 

 

Die Katastrophe des süddeutschen Meisters

Eintracht Frankfurt eine große Enttäuschung, Holstein Kiel eine angenehme Überraschung. — Nur 10.000 Zuschauer.

Präludium.

Trotzdem einer unserer beiden Vertreter in den Kämpfen um die deutsche Meisterschaft bereits ausgeschieden ist (Tennis Borussia durch die 1:4-Niederlage gegen Spielvereinigung Fürth) und der andere Berliner Teilnehmer in der Vorrunde auf Heimatboden antreten durfte, kamen wir Berliner dennoch in den Genuß eines Zwischenrundenspieles. So ein Genuß ist allerdings bei der sommerlichen Hitze ein zweifelhaftes Vergnügen, besonders für die Akteure. Aber immerhin, es war eines jener Spiele, zu denen der geplagte Reporter gehen muß, und mag er noch so sehr den Wunsch haben, seinen Sonntag anderweitig zu verbringen. Auf Ehre, ich wäre heute zu keinem Fußballspiele gegangen, wenn nicht die zwingende Notwendigkeit bestanden hätte; ich hätte den Tag lieber irgendwo in der schönen Umgebung Berlins verbracht. Doch das nur nebenbei.

Die beiden Gegner des heutigen Spieles in Berlin brachten nicht gerade überzeugende Resultate aus ihren Spielen in der Vorrunde als Empfehlung mit. Der 1:0-Sieg der Frankfurter Eintracht gegen Benrath wirkt nicht eindrucksvoller als das 4:3 Holsteins über die Leipziger Bewegungsspieler. Hinzu kommt der mißglückte Probegalopp der Frankfurter am Vorsonntag, die bekanntlich gegen die Stuttgarter Kickers 3:4 unterlegen waren. Aber das mäßige Abschneiden der noch an den Spielen um die „Deutsche" beteiligten Mannschaften drückte dem vorigen Sonntag sowieso den Stempel auf. Fürths Spielvereinigung konnte ja in Würzburg auch nur 3:3 remisieren, die Sülzer verloren 1:2 gegen 1860 München und Hertha-B.S.C. wurde vom Spandauer Sportverein ebenfalls 3:4 geschlagen. Man sieht, daß sich alle diese Bewerber um die höchste Ehre im deutschen Fußballsport nicht gerade durch allzu große Beständigkeit auszeichnen.

Man gab in Berlin der Eintracht durchwegs die besseren Aussichten auf den Sieg. Mit Recht! Wir kennen die Frankfurter von ihrem Gastspiel am Bußtage, als sie eine recht starke Kombination Hertha B.S.C.-Tennis Borussia sehr sicher 5:3 schlugen. Damals überschrieb ich meinen Bericht: „Der Meister vom Main imponiert an der Spree." Wir sahen die Eintrachtler beim Länderspiel gegen England und haben die feste Überzeugung, daß der norddeutsche Meister gleichwertige Kräfte nicht aufzuweisen hat. Ein Sieg Holsteins, der an sich durchaus nicht völlig ausgeschlossen ist — beim Fußballspiel ist ja alles möglich! —, wäre aber bestimmt eine recht große Überraschung.

Geschlagen! Wie war das möglich?

So wird sich am Sonntagabend wohl jeder in Süddeutschland gefragt haben. Und doch, es war keine Überraschung für den, der Zeuge dieses Spieles war. Zählen wir die Grunde auf, die diese Katastrophe des süddeutschen Meisters herbeiführten:

1. Holstein Kiel spielte frisch, begeistert, aufopfernd, energisch, immer mit dem einen Ziel: Tore machen!

2. Eintracht Frankfurt spielte erst 50 Minuten lasch, wachte erst beim Stande 3:0 auf.

3. Holstein spielte unkompliziert, aber doch ideenreicher, abwechslungsreicher, unter ausgiebiger Benutzung der abwechselnd ins Treffen geschickten Flügel.

4. Eintracht spielte schablonenhaft, versuchte die später massierte Deckung des Gegners immer wieder durch Innenspiel zu bezwingen, und vergaß immer wieder aufs Schießen. Beide Tore schoß der Rechtsaußen Trumpler! Gibt es ein abfälligeres Urteil über den Frankfurter Innensturm?

5. Holstein hatte einen Mittelstürmer, der energisch nach vorn drückte, seine Flügel mit weiten und doch genauen Vorlagen versorgte und über ein nicht alltägliches Schußvermögen verfügte. Und davon auch reichlich Gebrauch machte!

6. Eintrachts Mittelstürmer Ehmer dagegen fummelte und fummelte und konnte sich nicht vom Ball trennen. Dietrich ließ sich nur zu rasch von ihm anstecken, und damit war die Eintracht zur Erfolglosigkeit verurteilt.

7. Holstein verfügt über eine durchaus ausgeglichene Mannschaft, aus der kein Spieler sonderlich herausragt, aber auch keiner schwach ist. Die Mannschaft erinnert in ihrem Spiel an den H.S.V., an seine guten — aber nicht an seine besten! — Tage. Ob sie soweit kommen kann, muß dahingestellt bleiben. Denn Ludwig ist bei aller Anerkennung seiner Fähigkeiten kein Tull Harder!

8. In der Mannschaft der Frankfurter machten sich einige auffallende Versager bemerkbar, oder wenigstens, es versagten einige Leute streckenweise sehr. Die ganze Mannschaft ist überspielt und dringend der Ruhe bedürftig. Die Nerven müssen wieder restauriert werden. Und ein anderer Torwart muß herbei. Aber außer Schüler waren auch Stubb und Kellerhoff sehr schwach.

9. Die Kieler waren körperlich ausgezeichnet durchgebildet, sie waren um vieles wendiger als ihre Gegner, die zum großen Teil außerordentlich steif wirkten.

10. Der kurze, aber starke Gewitterregen, der zu Beginn des Spieles herniederging, hat die schweren Leute des Süddeutschen Meisters zweifellos mehr geschädigt als die Kieler. Der Boden war äußerst glatt und rutschig geworden.

11. Beim Stande 3:0 für Holstein drehten die Frankfurter stark auf und waren von nun an stark überlegen. Dennoch ist dies nicht zuletzt ein Verdienst der verfehlten Taktik der Kieler, den agilsten Sturmer Ludwig als vierten Läufer zurückzunehmen und fast ausschließlich defensiv zu spielen. Die Eintrachtler konnten zwar das Eckenverhältnis auf 7:2 zu ihren Gunsten schraubcn, aber als Sieger kamen sie auch in dieser Zeit nie ernstlich in Frage.

12. In der Halbzeitpause hatte ich Gelegenkeit, ein wenig an der Kabine der Frankfurter zu lauschen. Es war erschütternd, wie sich die Leute gegenseitig die bittersten Vorwürfe im bittersten Tone machten. Mit einem solchen Mannschaftsgeist kann man eine an sich nicht aussichtslose Partie — denn 0:2 bei Halbzeit kann immer noch aufgeholt werden! — natürlich nicht gewinnen.

*

Die Mannschaften standen sich unter Leitung von Alfred Birlem, Berlin, wie folgt gegenüber

Eintracht Frankfurt: Schüler; Schütz, Stubb; Gramlich, Goldammer, Mantel; Trumpler, Leis, Ehmer, Dietrich, Kellerhoff.

Holstein Kiel: Kramer; Lagerquist, Zimmermann; Baasch, Ohm, Lübke; Voß, Ritter, Ludwig, Widmaier, Esser.

Wie die Tore fielen.

24. Minute: 1:0 für Holstein. Ein Frankfurter verschuldet einen Strafstoß. Den tritt Ludwig aus gut 25 Meter zwar placiert, aber nicht sonderlich scharf aufs Tor,Schüler ist entgegenkommend genug, sich langsam und bedächtig nach dem Balle zu werfen, der so die Linie passieren kann.

34. Minute: 2:0. Widmaier schießt aus vollem Lauf absolut unhaltbar flach ins Eck. Ein sehr schönes Tor. Halbzeit.

51. Minute: 3:0. Ein sehr neckisches Tor, das die Kopflosigkeit in der Frankfurter Hintermannschaft bestens illustriert. Der Torwart Schüler fängt einen Weitschuß. Statt den Ball nun — was er sich schleunigst angewöhnen muß! — sofort ins Feld zurückzuschlagen, läßt er ihn noch ein paarmal tippen. Zwei Kieler greifen ihn an, bedrängen ihn, und die Frankfurter Verteidiger sehen sich die Sache ruhig an, ohne ihren Tormann zu schützen. Der kommt schließlch zu Fall, läßt die Lederkugel dabei los, und Esser trudelt den Ball entschlossen ins Netz.

58. Minute: 3:1. Nach längerem Hin und Her sitzt Trumplers Nachschuß unhaltbar im Holsteinnetz.

83. Minute: 4:1 für Holstein. Ritter setzt einer Vorlage nach, Stubb laßt sich in Fummeln ein, statt den Ball wegzuschlagen, der zähe Kieler klebt am Ball, läßt sich nicht wegdrängen, erspäht den geeigneten Moment und jagt aus nächster Nähe Schüler eine Flachbombe ins Netz. Dagegen war nichts zu machen.

87. Minute: 4:2. Ein ganz famoser Schrägschuß Trumplers bezwingt den tapferen Kramer zum zweiten Male.

Was sonst noch zu sagen wäre?

An sich standen die in diesem Spiel gebotenen Leistungen auf einem recht niedrigen Niveau. Aber die natürliche Frische der Kieler ließ das Spiel nie langweilig, eintönig werden. Sie sorgten von der ersten Minute an für Leben, Schwung, und man konnte gar bald sehen, daß es mit einem sicheren Siege der Eintracht nichts werden würde. Es wäre verfehlt, dem Tormann Schüler die ganze Schuld an der Niederlage zuzuschreiben. Die andern haben fast alle ebenso einen Grund, an ihre Brust zu schlagen und zu sagen: „Mea culpa!" Ausgenommen sei hiervon in erster Linie Leis, der enorm schaffte, dann gingen noch Trumpler, Schütz, Mantel und Goldammer an. Als die Eintracht beim Stande 3:1 erbittert auf den Ausgleich hinarbeitete, hatten die Kieler eine große Chance bei einem blitzschnellen Durchbruch von Voß, dessen stahlharten Flachschuß aus kurzer Entfernung Schüler großartig meisterte. Damit hat er vieles wieder gut gemacht. Auch Pech hatten die Frankfurter mitunter; zweimal rettete der Pfosten die Kieler vor dem unvermeidlichen Tore, aber sie haben sich dieses Glück verdient. Sie waren mit Recht Sieger über eine technisch bessere, aber überspielte Mannschaft geblieben, und sie haben den norddeutschen Fußballsport überaus würdig vertreten. Ihre besten Kräfte waren Kramer, Ludwig, Voß und Esser; ihnen standen die andern aber nur wenig nach. Ohmr der in der ersten Halbzeit Goldammer in den Schatten stellte, baute nach dem Wechsel ab.      Joseph Wipp.

 

Süddeutschland

Frankfurter Intermezzo

Die Form des süddeutschen Meisters.

(Für die „Fußball"-Ausgabe von voriger Woche verspätet eingetroffen, haben wir keinen Zweifel, daß die Ausführungen auch heute noch, insbesondere nach der Niederlage des Eintracht, allgemein interessieren. D.R.)

Es gehört zu den Ungerechtigkeiten der D.F.B.-Meisterschaft, daß der süddeutsche Meister, bevor er in die Endspiele eingreifen kann, die schwersten Spiele zu überstehen hat. Man wundere sich nicht darüber, Hertha-B.S.C. immer in der vordersten Reihe der Endspielteilnehmer zu sehen. Was haben denn die Berliner zu leisten? Eine Abteilungsmeisterschaft mit höchstens zwei bis drei ernst zu nehmenden Gegnern, die nicht einmal dem Kraftaufwand einer Meisterschaft der stärkeren süddeutschen Bezirke entspricht. Damit kommt Hertha in die Endspiele, frisch und ausgeruht, wobei sie als die beiden ersten Gegner nach Möglichkeit noch Vereine erhält, die aussichtslose Bewerber sind. Auf diese Weise ist es nicht so kompliziert, in die Endrunden zu kommen und dort Mannschaften gefährlich zu werden, die vorher Hertha ganz leicht geschlagen haben, jetzt aber abgekämpft sind.

Der süddeutsche Meister hat schwerste Endkämpfe zu überstehen. Er muß seine Kraftreserven verbrauchen, um die Teilnahmeberechtigung an den Endspielen zu erzwingen, so daß er zuletzt mit entspannten Muskeln und Nerven diese Pokalspiele bestreitet. Daher kommen oft Enttäuschungen. Es erklärt sich daraus auch, weshalb der Trostrundensieger, der es schon wesentlich leichter hatte, meistens einen stärkeren Eindruck macht, als der Meister. Die D.F.B.-Meisterschaft ermittelt oft nicht den absolut besten Verein der Saison, sondern die Elf, deren Kraftreserven am besten erhalten geblieben sind.

Unter diesem Gesichtspunkte sind auch die Aussichten des süddeutschen Meisters Eintracht Frankfurt zu beurteilen, die deutsche Meisterschaft zu erringen. Eine Elf, die mit derartigem Vorsprung vor Fürth und München Meister werden konnte, verdient bestimmt auch die höchste Auszeichnung, die der Bund zu vergeben hat. Man wird allerdings in Frankfurt auch nicht unzufrieden sein, wenn Nürnberg die Meisterschaft wieder holen würde, denn beim 1. F.C.N. ist sie immer gut aufgehoben, selbst wenn dieser etwas zurückgegangen ist. Fällt aber die Meisterschaft an einen außersüddeutschen Verein, dann kann man ohne Übertreibung sagen, daß dieser glückliche Sieger aus der Schwächung Vorteil zieht, die Süddeutschlands Vertreter im Kampfe untereinander erleiden! Einen kleinen Ausgleich für Süddeutschland bildet nur der Umstand, daß dieser Verband drei Favoriten zu stellen pflegt, die alle drei zu schlagen sehr schwer ist. Dafür; sieht man aber fast nie süddeutsche und deutsche Meisterschaft in einer Hand vereint.

In ihrer Frühjahrsform oder in reinen Punktspielen hatte die Eintracht erhebliche Chancen, die Bundesmeisterschaft zu erringen. So muß sie aber schon zufrieden sein, die Vorschlußrunde zu erreichen, ohne natürlich ihren Ehrgeiz darauf beschränken zu müssen. Aber die Form der Elf hat nachgelassen. Dies äußert sich wie gewöhnlich in einem Nachlassen der Schußkraft und Schußfreudigkeit der Stürmer sowie in einem Ermatten des Mittelläufers. Man darf daher der Eintracht keinen Vorwurf machen, wenn sie sich gegen Benrath in so unbefriedigender Form zeigte und vielleicht noch weiter zeigen wird. Der Mensch ist keine Maschine und selbst diese kennt Ermüdungserscheinungen. Es geziemt sich, diese Erwägungen anzustellen, um nicht auf den Gedanken zu kommen, die Eintracht vertrete unberechtigt Süddeutschland an erster Stelle. (aus dem 'Fußball' vom 03.06.1930)

 

 


 

 

Nach der Niederlage des süddeutschen Meisters

Daß die Frankfurter Eintracht die Endrunde der Deutschen Meisterschaft nicht erreichen würde, wurde vorausgesehen. Die tapfere Elf ist aber eine Runde zu früh ausgeschieden. Ihr ist gegen Kiel etwas passiert, was in einer Ligameisterschaft vorkommen darf, in Pokalspielen dagegen nicht. Deutlich kommt wieder die unlogische Durchführung der Deutschen Meisterschaft zum Ausdruck: sie ist eine Zwittererscheinung, einerseits Liga-, andererseits Pokalmeisterschaft. In regelrechten Kämpfen würden sich die Mannschaften anders placieren können. Da würde auch nicht die Entscheidung einem Zufallstreffer in der Verlängerung überlassen bleiben wie es bei Fürth — Dresden der Fall war. In der Meisterschaft gibt es einen Ersten, Zweiten, Dritten, Vierten ... Gewöhnlich sind es auch die einwandfrei Besten, die sich hier aneinanderreihen. In Pokalspielen gibt es die Finalisten und Semifinalisten, eine ehrenvolle Auswahl, die aber keineswegs die Leistungen und das Können früher ausgeschiedener Mannschaften verdunkelt. Man vergleiche die Verhältnisse in England, wo Ligameisterschaft und Pokalmeisterschaft fast nie in einer Hand vereinigt sind. Die D.F.B.-Meisterschaft in dieser Form ist dagegen Unsinn. Man sollte entweder eine reine deutsche Pokalmeisterschaft durchführen (das wäre am vernünftigsten!) oder aber den Meistertitel im Punktekampf ausfechten. Das Ligapokalgemisch wie in Deutschland ist nämlich in keinem Lande der Welt mehr zu finden. Es trägt den Keim der Ungerechtigkeiten in sich, die natürlich um so größer werden, je eigenwilliger der D.F.B. vorgeht. Pokalspiele ohne Auslosung und mit willkürlicher Platzbestimmung, das ist natürlich auch so eine Erfindung, die nur im D.F.B. möglich ist.

Die Gründe des spielerischen Rückganges der Eintracht sind hier bereits dargelegt worden. Trotz dieses Rückganges hätte es aber zu einem Siege gegen Kiel langen müssen. Da hat aber die Eintrachtleitung zwei schwere Fehler begangen, die auch in der Erregung und Ratlosigkeit der Endspiele nicht vorkommen durften, nämlich die Ausschaltung der Spieler Trumpp und Pfeiffer aus der Mannschaft! Daß Trumpp mit seinen wenig widerstandsfähigen Nerven kein idealer Torwart mehr war, wußte man überall. Aber er kann doch noch immer etwas, ist eingespielt und hat Routine. Ihn zu ersetzen wäre kein Fehler gewesen, hätte man eine bessere Kraft zur Verfügung gehabt, wie z.B. zur Zeit Judischs. Aber einen gänzlich unerfahrenen jungen Spieler, der noch nie den Beweis erbringen konnte, daß er auch nur so gut ist wie Trumpp, einfach bei einem Zwischenrundspiel um die Deutsche Meisterschaft ins Tor zu stellen, das war doch ein höchst gewagtes Hasardspiel. Die Frage, ob Trumpp das Tor besser gehütet hätte, braucht gar nicht gestellt zu werden, denn wesentlich war die moralische Einwirkung auf die Mannschaft, die das Experiment spürte und dadurch gelähmt wurde. In dieser Lage hatte ein Mann helfen können: Willy Pfeiffer, der älteste, treueste und erfahrenste Spieler der Eintracht. Alle Internationalität von Stubb und Schütz darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie noch kein ideales Vereidigerpaar bilden, da es ihnen an Taktik fehlt. Jeder von ihnen, mit Pfeiffer zusammengestellt, leistet mehr, als wenn sie aufeinander angewiesen sind. Pfeiffer ist aber nicht nur der Taktiker der Verteidigung, seine Mannschaftsführung wirkt sich sogar bis in den Sturm hinein aus. Daß er aus der Mannschaft gelassen wurde, ist der größte Fehler, den die Eintracht begehen konnte. Dieser Fehler kostete den Sieg gegen eine Mannschaft, die dem süddeutschen Meister bestimmt an Klasse nachsteht.

Die Niederlage soll uns aber den Blick nicht trüben. Ziehen wir das Fazit der Eintrachtleistungen 1929/30, so sehen wir, daß diese Elf für ihren Verein zum erstenmal die Mainmeisterschaft dreimal hintereinander erringen konnte, daß sie die süddeutsche Meisterschaft erstmals nach Frankfurt brachte und erstmals in eine Zwischenrunde um die deutsche Meisterschaft gelangt ist. Das ist schon sehr, sehr viel. Bemerkenswert ist weiter, daß die Eintracht einen neuen Internationalen hervorbringen konnte (Stubb) und drei Spieler für die Ländermannschaft gestellt hat (Mantel, Stubb, Schütz), dazu gegen England! Auch das hat noch kein Frankfurter Verein fertig gebracht.

Die Junischwächen der Eintracht, die nächsten Sonntag gegen Fußballsportverein spielt, rauben ihr keineswegs die Favoritenstellung für die nächste Saison im Mainbezirk, wenn es vielleicht auch nicht mehr so einfach sein wird wie das letztemal. Vor allen Dingen hat die an Ersatzleuten reiche Eintracht neuen Zuzug erhalten. Vornehmlich sind die Hoffnungen auf den [...] Kreisliga, ferner auf den Stürmer Möbs, der den Angriff wieder frisches Blut zuführen soll. Ist die Eintracht bei der Heranziehung dieser Spieler mit dem bei ihr üblichen Glück und Geschick vorgegangen, so wird sie mit alter Schlagkraft die neue Saison antreten.

Eintracht Frankfurt hat in dieser Saison nicht weniger als 30 Verbandspiele ausgetragen, davon hat sie 22 gewonnen, fünf unentschieden gespielt und nur 3 verloren, auch ein Rekord! Ihre Besieger heißen: Holstein Kiel, Bayern München und Union Niederrad. Auf eigenem Platze errang die Eintracht nur Siege. Diese kleine Statistik gibt wohl erst ein richtiges Bild von der Größe der Leistung des süddeutschen Meisters. (aus dem 'Fußball' vom 11.06.1930)

 

 

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