Eintracht Frankfurt - FC Bayern München

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 14. Spieltag

3:2 (1:1)

Termin: 27.04.1930 im Stadion
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Schmitt (Offenburg)
Tore: 1:0 Karl Ehmer (4.), 1:1 Bergmaier, 1:2 Pöttinger, 2:2 Walter Dietrich (bzw. Eigentor Schwab) (80.), 3:2 Karl Ehmer

 

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Eintracht Frankfurt FC Bayern München

 


  • Schwab
  • Kutterer
  • Hutsteiner
  • Heidkamp
  • Goldbrunner
  • Naglschmitz
  • Trausenecker
  • Schmid II
  • Pöttinger
  • Haringer
  • Bergmaier

 

Trainer Trainer
  • Kálmán Konrád

 

Entscheidende Kämpfe in Süddeutschland

Eintrachts größter Sieg

Die Münchener Bayern nach herrlichem Kampf 3:2 geschlagen. — Die Internationalen des kommenden Sonntags in großer Form. — Frankfurter Verteidigung und Münchener Sturm Hand in Hand.

Eintracht — Bayern 3:2

Diesen 27. April 1930 werden wir in der Frankfurter Fußballgeschichte als ganz besonders bemerkenswerten Erfolgtag vermerken müssen, obschon er uns keine jener Ehren bescherte, die besonders rubriziert werden können. Der Fußballsportverein holte sich in Mannheim die Qualifikation für das Entscheidungsspiel gegen den "Club". Das ist Grund zur Freude. Aber die festliche Stimmung, die die ganze Stadt in den Abendstunden dieses herrlichen Frühlingstages mit dem vom Taunus herüberduftenden Ozon atmete, hat nur wenig mit dem Erfolg des F.Sp.V. zu tun. Wir haben einen größeren Erfolg errungen.

Größer? Am Ende gar den Grundstein für die „Deutsche" gelegt? Größer! Höher hinaus! Die Eintracht hat die Münchener Bayern geschlagen!

Die Bayern? Aber das haben andere Mannschaften doch auch, Pirmasens sogar im Vor- und Rückspiel, werden Sie sagen, ohne unserer gewaltigen Siegesfreude auch nur ein einziges Gramm nehmen zu können. Man muß Frankfurter sein, um voll und ganz zu erfassen, was dieser Sieg bedeutet.

Noch nie hat bisher die Eintracht über die Bayern siegen können! Die einzige Niederlage der diesjährigen Meisterschaftskampagne brachten die Bayern der Eintracht bei! Und das mit jenem 5:1, das nicht nur in Frankfurt als Katastrophe empfunden wurde.

Man hatte in ganz Frankfurt ein besonders feines Empfinden dafür, daß eine Meisterschaft ohne einen Sieg über die Bayern nur eine halbe Meisterschaft gewesen wäre. Der Wert des Meistertitels verlangte den Sieg, den die Mannschaft holen mußte.

Umgekehrt mußten auch die Bayern gewinnen. Ihr Prestige verlangte den Sieg, der den Verein auf den zweiten Platz vor Fürth bringen sollte. Man sieht, in Frankfurt wurde eine Entscheidungsschlacht in dem nunmehr 5jährigen Krieg geführt, ob Nürnberg-Fürth, oder München Hochburg wird, Hochburg bleibt.

*

Beide Mannschaften mußten also gewinnen, und beide Mannschaften konnten gewinnen. Ein Sieg der Bayern war ebenso gut möglich, wie der zustandegekommene der Eintracht. 25000 Zuschauer haben das ohne jede Einschränkung bereitwilligst zugegeben, wie sie sich auch mit freudiger Hingabe an der berauschenden Symphonie des flachen Bayernspiels begeisterten, das der Schönheit geweiht ist, wo die Eintracht nackte Zweckmäßigkeit vor den ästhetischen Genuß setzt. Beide Stils haben ihre innere Berechtigung, nur, wenn man die Verschiedenheit der Spielauffassungen in hartem Kampf aufeinanderprallen sieht, wie heute, kommt einem die Wehmut, daß beide Stils vereinigen so schwer ist, wie die Vereinigung der ewig feindlichen Elemente Feuer und Wasser.

Wer von den 25000 Zuschauern dachte, als die Bayern nach schwachen 10 Minuten (die ihnen sogar ein Handicap von 0:1 bescherten) zu spielen begannen und die ganze Schönheit ihrer Spielkultur demonstrierten, noch an das Wort, mit dem ihr Mittelstürmer aus seinem jugendlichen Temperament heraus unseren ehrwürdigen Pfeiffer so bitter gekränkt hatte! Als Pöttinger mit gewisser Größe mit herrlichen Vorlagen und geistreichen Einfällen für seine umstrittene Internationalität demonstrierte, war man gern geneigt, zu glauben, daß diese innere Kraft manchmal ein Ventil sucht, um eine überströmende Freude am schönen Gelingen loszuwerden. Auch Pfeiffer in seiner Abgeklärtheit wird dem jungen Stürmer manches zugute gehalten haben, sich an die Zeiten erinnernd, da auch er im Fluß angenehmer und unangenehmer Rede seinem Herzen Luft machen mußte.

Schließlich war der Ausdruck „Gebirgsradfahrer", mit dem Pöttinger uns so empfindlich kränkte, originell wie seine Spielweise. Wir haben Humor genug, ihn nur noch als originelle Frozzelei zu werten.

*

Beide Mannschaften mußten je einmal eine schwere Depression überwinden. Daß die Eintracht sich rechtzeitig fangen konnte, während die Bayern eine falsch empfundene Sekunde Sieg und Spiel kostete, mag in der verschiedenartigen Spielauffassung begründet sein. Betrachten wir die beiden kritischen Momente etwas eingehender:

Nach 5 Minuten, in denen Eintracht stark drängte, bringt ein forscher Vorstoß des rechten Flügels den Ball vor, der über Trumpler zu Ehmer kommt, dessen wuchtiger Schuß für Schwab unaufhaltsam war. Langsam kommen die Bayern auf, ein Schuß Haringers fegt neben den Pfosten, Stubb rettet auf der Torlinie. Dann macht Eintracht 3 Ecken, die von den Bayern verhalten gewehrt werden. Aber schon kommt das leuchtende Rot wieder vor, Bergmaier legt ein Intermezzo ein, einen Weitschuß, der keine normale Chance bedeutete. Trumpp kalkuliert falsch, rührt sich nicht, und schon schlägt der Ball auf der für ihn falschen, für die Bayern richtigen Seite am Pfosten vorbei. Trumpp merkt erst, was los ist, als sich vor ihm die Bayernstürmer um den Hals fallen. Ein reguläres, aber unbefriedigendes Ausgleichstor, das 90 Prozent der Zuschauer vereitelt hätten.

Das machte die Eintracht nervös, aber die Verteidigung bleibt sicher und ruhig. Zwar drängen die Bayern stark, aber bis zur Pause bleibt's beim 1:1. Dann ist die Eintracht wieder im Bilde. Die Nerven halten sogar die Belastung aus, als Pöttinger in unerreichter Meisterschaft mit einer brillanten Vorlage Haringers durchbricht und raffiniert an Trumpp vorbeischießt, als dieser endlich sein Tor verläßt. Bis 10 Minuten vor Schluß bleibt Bayern in Führung, die ihnen starkes Selbstvertrauen bringt. Aber dann kommt für sie das Verhängnis. Schwab fängt eine Flanke Kellerhofs und wird von Dietrich im Moment, da er den Ball hält, über die Linie gedrängt. Die Bayern rebellieren, aber der Schiedsrichter bleibt bei seiner Entscheidung, daß der Ball die Linie überschritten hat und daß Dietrichs Angriff korrekt gewesen war.

Das aber ist für die Bayern zuviel. Sie waren nicht mehr in der Lage, weiter auf Sieg zu spielen, daß eine Möglichkeit bestand, wenigstens taktisch auf Halten zu spielen, kam ihnen überhaupt nicht in den Sinn. Die Schuld hieran trifft m.E. die Läuferreihe, in der weder Heidkamp, noch Nagelschmitz, noch Goldbrunner intelligent genug waren, der aufkommenden Depression entgegenzuwirken. In diesen kritischen Minuten ließ Heidkamp zum ersten Male im ganzen Spiel Kellerhof ungedeckt; Dietrich erfaßt, daß München die bündige Gefechtsparole, konsequent die Flügel zu decken, vergessen hat, daß Heidkamp mit Haringer Platz getauscht hat, schon jagt er Kellerhof gegen Schwab und Ehmer verwandelt exakt eine schöne Flanke ins leere Tor.

Der eiserne Wille fehlte den Bayern, 10 Minuten vor Schluß beim Stand von 2:2 noch einmal von vorn anzufangen und den einen Treffer kaltblütig vorzubereiten und zu machen, der der Eintracht zufallen mußte, weil sie auf der Höhe der Situation war.

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Den größten taktischen, man kann schon sagen, strategischen Fehler beging Heidkamp, als er nach dem Ausgleichstor Haringer zurückrief und an seiner Stelle stürmte. Glaubt Heidkamp, ein besserer Halbrechter zu sein als Haringer, dieser Stürmer von Geburt! Dieser Mangel an Mannschaftsdisziplin kostete die Münchener wenigstens einen Punkt. Die famose Einheit Haringer-Bergmaier, das Beste, was wir seit Jahren in Frankfurt sahen, wurde durch Heidkamps Disziplinlosigkeit zerrissen. Die abgerundete Läuferleistung des langen Internationalen fällt der Vergessenheit anheim, ein trüber Nachgeschmack bleibt.

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Herrlich hat sich die Verteidigung der Eintracht geschlagen. Die Tatsache, daß dieser Bayernsturm furchtbar war, reicht den beiden zum höchsten Ruhm. Wir bedauern, daß Hofmann Wiggerl nicht bei der Mannschaft spielen konnte, er hätte Schütz gezwungen, sich so restlos auszugeben, wie Stubb es gegen das Prachtpaar Haringer-Bergmaier mußte. Diesen vollends ungetrübten Genuß müssen wir uns auf das kommende Jahr aufsparen, wobei wir, und sei es nur deswegen, hoffen, daß die Gegner von heute auch im kommenden Jahr wieder die Klingen kreuzen werden.

Die Bayernverteidiger konnten den Eintrachtsturm leichter, müheloser abschlagen. Ihre Klasse haben sie unter Beweis gestellt, wenn es eines solchen nach den Siegen über Fürth, Dresden und Hertha noch bedurft hätte.

Wenn es gälte, den Besten der vier Verteidiger auszuzeichnen, würde einem die Wahl schwer fallen: Kutterer oder Stubb sind genau so überragende Repräsentanten schnellen Angriffsspiels, wie Hutsteiner und Schütz Musterexemplare jener Gattung sind, die Müller Sepp als Type nennt.

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Die Last des Kampfes ruhte auf den Schultern der Läufer. Ich habe gesagt, warum ich Heidkamps nicht froh sein kann. Sogar Gramlich, diesen gewissenhaften Arbeiter muß ich ihm vorziehen. Beide werden überragt von Mantel und Nagelschmitz, bei denen ausgefeilteste Technik, großer Sinn für Verantwortung und Genialität im Erfassen der taktischen Lage einen vollen, angenehmen Klang ergeben. Alle 4 Außenläufer standen den Kampf bis zur letzten Minute mit voller Kraft durch, eine imposante Leistung.

Goldammer und Goldbrunner fielen weniger auf, beide könnten große Klasse sein, wenn sie ihr erfolgreiches Zerstörungsspiel durch zweckmäßiges und genaues Abspiel ergänzen könnten. Aber, ist das nicht schon die Lösung des Rätsels, das für 99 Prozent aller Mittelläufer im Moment gegeben ist, da sie ihren Posten antreten?

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Die Stürmerreihen! Dürfen wir der von München den Vorzug geben, obschon sie ein Tor weniger machte als die Frankfurter. Wir tun es trotzdem, denn während des Spiels haben wir allzu oft vergessen, daß ein Mann fehlte, ohne den das Bayernstürmerspiel nicht zu dem Begriff geworden wäre, als den wir es heute empfinden. Diese Stürmer begeisterten, wo die der Eintracht bestenfalls Anerkennung fanden. Pöttinger, Bergmaier, Haringer, Schmid II. Wer von ihnen wäre nicht wert, in der Ländermannschaft zu stehen. Bergmaier kommt am kommenden Sonntag zum Zug. Wir werden Albrecht und Reimann vergessen und froh sein, wenn dieser Schüler Schaffers den Rechtsaußenposten so in Erbpacht nimmt, wie Hofmann den des Linksaußen. Auch Haringer werden wir eines Tages da finden, wohin Pöttinger zurückkehren wird. Wir Frankfurter wollen stolz sein, die Verteidigung zu diesen Stürmern zu stellen. Dann wird auf Sieg gespielt. Aber wer liefert die Läuferreihe? (1860. D. Red.)

Hat so der Bayernsturm mit Hofmann fünf ausgesprochene Individualitäten, so muß Frankfurt zufrieden sein, wenn man Kellerhof und Dietrich diesen Charakter zugesteht. Die andern sind brave Vollender, kleben am Boden, wo jene beiden Höhenluft atmen. Aber man soll sie deshalb nicht verachten. Ehmer schoß zwei Tore totsicher ein, weil er die natürlichen Grenzen seiner Begabung einhält. Er lauert und ist zufrieden, wenn das Genie der andern ihm die Gelegenheit gibt, seine Stärke, den kaltblütigen, sichern Schuß anzubringen. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister." Ehmer darf nach dem heutigen herrlichen Sieg diesen Spruch Goethes voller Stolz auf sich beziehen.

Enttäuscht haben eigentlich Trumpler und Schaller, die vor Kutterers forschem Angriffsgeist aber auch restlos kapitulierten.

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Zum Schluß die Spieler dieses denkwürdigen Tages:

Bayern: Schwab; Kutterer, Hutsteiner; Heidkamp, Goldbrunner, Naglschmitz; Trausenecker, Schmid II, Pöttinger, Haringer, Bergmaier.

Eintracht: Trumpp; Schütz, Stubb; Gramlich, Goldammer, Mantel; Schaller, Trumpler, Ehmer, Dietrich, Kellerhof.

Schiedsrichter war Schmitt-Offenburg.     R. N. (aus dem 'Fußball' vom 30.04.1930)

 

 


 

 

Frankfurter Echo

Eintracht Frankfurt — Bayern München 3:2 (1:1)

Seit der humorvolle „Pöttschge" anläßlich der 1:5-Niederlage der Frankfurter in München zu Willy Pfeiffer gesagt hat: „Da schaut's ins Gebürge, Ihr Radfahrer!", hat man in Frankfurt den Münchner Bayern den Scherz- und Kosenamen „die Radfahrer" gegeben. Diese Radfahrer traten am vergangenen Sonntag im Frankfurter Stadion zur Revanche in einem Mannschaftsrennen in zwei Läufen über je 45 Minuten an. Der erste Lauf wurde von der aus elf Fahrern bestehenden Mannschaft Frankfurts gewonnen, im zweiten Lauf lagen die Münchener klar in Front. Im Gesamtklassement siegten die Frankfurter mit 3:2 Punkten und fuhren unter dem Jubel von 25000 Zuschauern die Ehrenrunde, während diesmal die Rothosen „ins Gebürge schauten".

„Radfahrer"-Rufe und brancheübliche „All Heils!" bereiteten den in Frankfurt stets gern gesehenen Bayern einen freundlichen Empfang. Winke-winke mit weiß-roten Fähnchen und stürmische Bravos setzten ein, als Eintracht das Stadionfeld betrat. Damit war die Ouverture zu diesem denkwürdigen Fußballnachmittag verrauscht. Das Spiel konnte beginnen.

Nach neun vergeblichen Versuchen ist es dem neuen süddeutschen Meister, der Frankfurter Eintracht, zum ersten Male seit Kriegsende geglückt, die Bayern zu schlagen. Wir Frankfurter freuen uns ungeheuerlich, daß der Bann endlich gebrochen und unsere Elitemannschaft seit Erringung ihrer neuen Würde immer noch unbesiegt ist. Wir sind aber ehrlich genug, zuzugeben, daß uns ein klein wenig Glück zu dieser großen Freude verhalf, betrachten aber diese symbolische Andeutung einer bis dato ganz ungewohnten Gunst der launischen Dame Fortuna als gerechten Ausgleich für die kleinen Nachteile, die uns — allerdings sicherlich völlig ungewollt — die Spielleitung des Schiedsrichters Schmitt aus Offenburg brachte. Kein Zweifel! Der Offenburger war in seinem Wollen grundehrlich. De facto aber kamen die Frankfurter mehrfach bei ihm zu kurz. Wir Frankfurter waren es uns und der Außenwelt schuldig, unserem langjährigen guten Freunde Kurt Landauer auch einmal eine schmerzliche Enttäuschung zu bereiten. Unser Egoismus war geheiligt, wie nie ein anderer zuvor. Im übrigen bedauern wir, daß mit den Bayern eine Mannschaft aus dem DFB-Wettbewerb ausscheiden mußte, die nach wie vor die süddeutsche Fußballkunst in Reinkultur beherrscht und bei den Bundesspielen zweifellos allerbeste Figur gemacht hätte.

Das Treffen stand technisch auf sehr hoher Stufe. Beide Parteien beherrschten den Ball mit einer Sicherheit, wie man sie selten bei 22 Spielern zugleich sieht. Was Pöttinger in Ballverteilung, Heidkamp in Ballführung, Kutterer in Schlagsicherheit zeigten, das brauchten fürwahr die Dietrichs, Mantels, Gramlichs und so weiter nicht erst abzugucken. In der Ballbehandlung gab keiner dem andern etwas nach, und manch einer von den Aspiranten anderer Landesverbände auf die Deutsche Meisterschaft hätte sich getrost da die berühmte Scheibe abschneiden können. Um mit den Worten meines Platznachbars zu reden: „Es ist etwas Herrliches, zwei körperlich gut ausgebildete, technisch reife Mannschaften in fairem Kampfe um einen Fußball zu sehen!"

Trotz allem! Will man eine Mannschaft auch weiterhin in guter Verfassung halten, dann muß man Schmeichler und Speichellecker von ihr fernhalten, muß ruhig und sachlich, ohne herabsetzen zu wollen, auf das aufmerksam machen, was noch zu verbessern, zu vervollkommnen ist. Höre also, dearest Eintracht! Das Zuspiel genügt noch nicht. Es muß viel genauer werden, vor allem aber darf beim Abspiel nur dem Gegner ein ewig unergründliches Geheimnis bleiben, ob auf den Mann oder auf den freien Raum zugespielt werden soll, Der Mitspieler muß die Intensionen seines Kameraden vorausahnen und sich demgemäß in Bereitschaft halten. Vor allem aber: das Kommando über den weiteren Weg des Balles hat nicht der jeweilige Besitzer, sonderen der Nachbar, der durch Aufsuchen einer geeigneten Stellung den Erhalt des Balles reflexiv erzwingen muß. Ein Fußballspieler von Qualität darf kein Mann des „laissez aller, laissez faire" sein. Er darf die Dinge nicht gottergeben auf sich zukommen lassen, er muß den Ereignissen entgegengehen, dem Spiel seinen Willen aufzwingen. Niemals darf man zwischen sich und dem Ball, auch wenn er noch so weit entfernt ist, einen Gegner dulden. Das sind die Mängel, die auf Eintrachts Seite diesmal noch zeitweilig zutage traten.

Im übrigen schlug sich die gesamte Elf nicht schlecht und braucht weitere Begegnungen mit Hochburgmannschaften nicht zu scheuen. Die linke Angriffsseite mit Kellerhoff und Dietrich war wohl für einen Heitkamp und Hutsteiner etwas weich, half sich jedoch auf andere Weise um so wirksamer aus dem Dilemma. Kellerhoff flankte allerdings meistens um einige Meter zu weit. Dietrich entschied das gesamte Treffen zugunsten seiner Partei durch den famosen run auf den bayerischen Torwächter. Fabelhaft korrekter Angriff auf einen Keeper. Vielleicht bekommt man am 10. Mai, wenn die Engländer in Berlin spielen, noch einmal ein solches Tor vorgeführt. Die rechte Sturmseite arbeitete eifrig. Vielleicht wird der kleine Wühler Trumpler dermaleinst ein würdiges Pendant zum Dresdener Hofmann. Mittelläufer Goldammer spielte zeitweilig unter Form. Seine beiden Nebenleute übertrafen sich gegenseitig in Ballartistik. Eintrachts Schlußleute paukten sich mit Vehemenz für Zürich ein. Sie werden vermutlich keine Enttäuschung bereiten. Trumpp war beim ersten Treffer für Bayern unsagbar leichtsinnig und auch beim zweiten Tore keineswegs schuldlos.

Schade, daß Bayern nicht mehr dabei sein wird, wenn es gilt, Süddeutschlands Fußballkunst in anderen Landesverbänden ad oculos zu demonstrieren. Auch ohne Hoffmann und Welker machte die Elf einen ganz vorzüglichen, vor allem sehr homogenen Eindruck. Vorzüglich die allgemeine Ballsicherheit, vorzüglich das genaue Zuspiel, vorzüglich auch die präzisen Kopfbälle. Am meisten interessierten natürlich die beiden Spieler Bergmaier und Heidkamp, die in Zürich mitwirken sollen. Beide kann man getrost nach der Schweiz entsenden. Wir Frankfurter hätten allerdings auch gerne unseren Mantel in der Länderelf gesehen. Die Tatsache, daß in manchem Duell Heidkamp—Mantel der Eintrachtler Sieger blieb, ließ das Bedauern über die Nichtberücksichtigung Mantels immer lebhafter werden. In der Schweiz weiß man an sich nie, was es für Wetter gibt. Da sollte man auf alle Fälle einen „Mantel" mitnehmen.

Pöttingers Sturmführung ist die alte; seine Wucht ist wieder im Anwachsen, nur seine Schießkunst will sich noch nicht wieder einstellen. Was Bayerns Läufer ausnahmslos mit dem Kopfe erreichten, bewerkstelligten beide Verteidiger mit der Sicherheit ihrer Füße. Das Duo Kutterer-Hutsteiner bildete mit Schwab ein recht sicheres Bollwerk.

Eintracht legte mit Macht los. Nach vier Minuten landete im Anschluß an den ersten Eckball Ehmers Schuß im Bayernnetz. Die ersten 30 Minuten gehörten den Frankfurtern klar und deutlich. Inzwischen hatten allerdings die Bayern durch einen vehementen Vorstoß und Diagonalschuß Bergmeiers ausgeglichen. Trumpp rührte sich nicht nach dem von ihm völlig falsch berechneten, Ball, der unbedingt hätte gehalten werden müssen. Die letzten 15 Minuten vor dem Wechsel verliefen ziemlich ausgeglichen Ein kleines Plus für die Bayern ließ sich nicht wegleugnen. Nach der Pause kamen die Gäste zeitweilig prächtig in Fahrt. Unter dem Drucke Heidkamps und unter der taktisch sehr geschickten Führung Pödingers beherrschten sie die nächste halbe Stunde. Ein Ball, nach dem Trumpp zu unrecht startete, kam vor Haringers Füße. Bayern führte 2:1. Der weitere Verlauf brachte ihnen vor allem zwei waschechte Chancen, bei denen kleine Schönheitsfehler im Schuß den fast sicheren Erfolg wieder illusorisch machten. Dann kam der plötzliche, kaum noch erhoffte Umschwung. Ein hoch vor das Bayerntor gegebener Ball Goldammers wurde von Schwab gefangen. Dietrich rannte den Keeper und den Ball über die Torlinie. „Ein Unglück kommt nie allein", mögen die Bayern gedacht haben, und schon saß nach einem schnellen Vorstoß Kellerhoffs Ehmers Schuß wiederum im Bayernnetz.      Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 29.04.1930)


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