Wormatia Worms - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 13. Spieltag

1:2 (1:1)

Termin: 06.04.1930
Zuschauer: 7.000
Schiedsrichter: Fritz (Oggersheim)
Torschützen: 1:0 Schüler (Eigentor), 1:1 Bernhard Leis (43.), 1:2 Karl Ehmer (75.)

 

>> Spielbericht <<

Wormatia Worms Eintracht Frankfurt

  • Gispert
  • Völker
  • Kiefer
  • Ludwig Müller
  • Hocke
  • Winkler
  • Debussy

 


 

Trainer
  • Ludwig Philipp
Trainer

 

Meister Eintracht siegt knapp

Wormatia — Eintracht 1:2.

Das Wormatia-Stadion hatte die Ehre, den neuen süddeutschen Meister im frischen Glanz seines jungen Ruhmes begrüßen zu dürfen, was ungefähr 7000 Zuschauer auf die Beine brachte. Man darf aber wohl annehmen, daß diese 7000 mehr der in der Luft liegenden Sensation einer Eintracht-Niederlage halber, als wegen jener heiligen Ehrfurcht kamen, die der Titel eines „Süddeutschen Meisters" erheischt. Die Sensation, die man nach den Siegen über Fürth und München erhofft und herbeigesehnt hatte, blieb aus. Nur das eine kann Worms von seiner Mannschaft behaupten, daß sie den Meister anderthalb Stunden lang das Leben wirklich sauer gemacht hat, und daß sie die, alles in allem, vorzüglich spielenden Frankfurter gezwungen hat, ganz aus sich herauszugehen und die letzte Kraft in den Endspurt der letzten Viertelstunde zu legen, der dem 15 Minuten vor Schluß erst sichergestellten Sieg Frankfurts eine hübschere, imposantere Fassung geben sollte.

Der Kampf war, besonders in der ersten Hälfte, unheimlich hart, stellenweise sogar unfair. Vom Anstoß weg übernahmen die Frankfurter das Kommando und zwangen die Wormaten zu rein defensiver Tätigkeit, die diesen ja sehr liegt. Aber die Durchbrüche der Wormser hatten es in sich, brachten regelmäßig prekäre Situationen, und so wunderte man sich keineswegs, als bei einer Flanke des Linksaußen Debussys von einem sehr nervös gewordenen Verteidiger ins eigene Tor geschlagen wurde. Man muß es den Eintrachtleuten, besonders den Läufern, die wirklich wunderbar schafften, lassen, daß dieses Handicap von einem Gegentor, das im Wormatia-Stadion wirklich nicht leicht auszugleichen ist, ihnen nichts ausmachte. Angriff auf Angriff unter Vermeidung jeder schematischen Note rollte aufs Gisperttor, einmal mußte die Sache klappen und schließlich kam dann auch kurz vor der Pause Kellerhof zu einer derart exakten Flanke, daß Leicht sie spielend verwandeln konnte.

Nach der Pause hatte man fast den Eindruck, daß Wormatia bestrebt sei, das Resultat zu halten. Aber dieser Eindruck täuschte, denn Worms war seinem Gegner so unterlegen, daß es nicht dazu kommen konnte, den allmählich verheerend werdenden Druck der Gäste abzuschütteln. Bei diesen machte sich dann, als Minute auf Minute verging, ohne daß das ersehnte Tor fiel, eine gewisse Nervosität breit. Und man fühlte die große Erleichterung bei allen elf Mann und dem nicht zu knapp bemessenen Frankfurter Anhang, als in der 75. Minute Ehmer einen Bombenschuß abgehen ließ, den Gispert nicht ganz rein halten konnte, Dietrich spritzte heran und schoß endlich, endlich den zweiten Treffer heraus. Auch der Rest der Spielzeit gehörte den Frankfurtern, die mit ihrem Sieg über die Wormatia nachdrücklich betont haben, daß sie besser sind als Fürth und Bayern.

Das beste bei Frankfurt ist die herrliche Läuferreihe, in der Goldammer einer Mittelläuferleistung bot, die in Worms noch kein Leinberger und kein Kalb zeigen konnte. Neben Goldammer muß man Mantel und Schütz besonders nennen. Im Sturm waren Kellerhof und Dietrich die besten.

Worms stellte eine famose Verteidigung, die es mit jeder anderen süddeutschen Vereinsmannschafts-Verteidigung aufnimmt. Schwach war die Läuferreihe, weil sie nicht zum offensiven Spiel kommen konnte. So war der Sturm lediglich auf seine eigene Kraft angewiesen, die aber zu einem Unentschieden oder einem Sieg nicht ausreichte, weil Winkler, der geistige Führer der Vorderreihe, von Goldammer restlos kaltgestellt wurde.

Schiedsrichter Fritz, Oggersheim, war unbefriedigend. (aus dem 'Fußball' vom 09.04.1930)

 

 


 

 

Wormser Woche

Wormatia Worms — Eintracht Frankfurt 1:2.

Es ist ein seltsames Faktum festzustellen. Eintracht spielte Wormatia in Grund und Boden. Dennoch hatte die Elf noch Dusel, daß sie überhaupt zum Sieg kam. Das hängt damit zusammen, daß Gispert, Wormatias Torwart, wohl sein größtes Spiel kämpfte. Die Eintracht schoß oft. Gefährlich. Placiert. Gispert wehrte mit der Ruhe eines Stoikers. Er war fast zu bedauern. Er wehrte Blitzschüsse aus zwei Metern. Er fing Kopfstöße, raffiniert in die Ecken gedeutete. In einem ganz verzweifelten Fall nahm er den Fuß und schließlich ging nur über seine „Leiche" der Ball zum Siegestreffer ins Tor. Das war so: Einer der unzähligen Angriffe der Eintracht in der zweiten Hälfte war mit einem plötzlichen Schuß Dietrichs abgeschlossen worden. Gispert schlug bravourös ab — mehr konnte in diesem Augenblick kein Torwart der Welt tun — Ehmer nahm den Ball auf und schoß ihn ein. Das geschah 15 Minuten vor Spielschluß. Ein unerhört zähes Ringen war entschieden.

Fußballer sind seltsame Menschen. Wormatia hatte nichts mehr zu gewinnen. Die Eintracht nichts mehr zu verlieren. Außer der Reputation. Die beiden Teams aber gingen sich mit einer bissenen Wut zuleibe, als hätten sie um die höchste deutsche Würde zu kämpfen. In der ersten Halbzeit blieb man noch im Rahmen. Nachher war es oft nicht mehr schön, wie man sich die Knochen polierte. Völker mußte verletzt vom Platz, Dietrich wurde einmal wegen allzuheftigen Reklamierens gegen Fritz verwarnt. Kiefer wegen gefährlichen Spiels. Wenn man feststellt, daß auch Herr Fritz-Oggersheim Fehler machte, dann begeht man keine Gotteslästerung. Der Mann hat seine Meriten. Aber heute war er nicht immer Herr der Lage. Er tat beiden Mannschaften manchmal unrecht. Der Eintracht einmal besonders hart: als Ehmer völlig frei vorm Tor stand und nur einzuschießen brauchte, pfiff er ihn ab und gab Strafstoß für den Gast, weil Ehmer zuvor ein wenig hart angefaßt worden war. Der nicht geringe Eintrachtanhang — 500 Leutlein - bewies seine Lungenstärke.

So ist das Leben und so ist das Fußballspiel: Jeder macht es Jedem so sauer, wie möglich. Die 22 Spieler heute haben sich nichts erspart. Ein Glück, daß es ohne schwerere Verletzungen abging Gesiegt hat die weitaus bessere Mannschaft. Wormatia ist bekanntlich keine Elf aus Pappfiguren. Aber sie wirkte fast so - gegen die stämmigen Athleten der Eintracht. Die waren außerdem schneller, stoppten besser den Ball und hatten die beste aller süddeutschen Läuferreihen. Außenläufer wie Mantel und Gramlich haben wir in dieser Saison noch bei keiner Mannschaft gesehen. Immer noch ist Eintracht nicht die Elf des „Fußballgenüßlings", des Aestheten. Immer noch fehlt jener Hauch des genialen Spiels, das wir an den besten Tagen der Nürnberg-Fürth-Münchner Mannschaften bewundern. Trotz der enormen Eintrachtüberlegenheit muß ich es feststellen: das Eintrachtspiel ist gefährlich; es ist hochintelligent; von topfiten Mathematikern des Fußballspiels gekämpft; dennoch ist es nicht hinreißend. Schlagt mich tot - aber es fehlt der letzte Schliff. Die vollkommene Harmonie des Zusammenspiels. (Die man etwa bei einer Spielvereinigung Fürth im Endspiel gegen Hertha BSC. im Frankfurter Stadion 1926 bewundern konnte.)

Selbstredend war dieser Sieg dicke verdient. Für Wormatia gab es in dieser Saison zu Hause keinen einzigen besseren Gegner. Jeder wird dieser Eintracht auch den Titel gönnen. Sie hatte heute den rechten Flügel mit Krohn-Leist besetzt. Gewiß ein Wagnis. Nach Halbzeit spielten die beiden Leute, als stünden sie seit sieben Jahren auf diesem Platz in dieser Elf. Das sagt genug.

Wormatia hatte in Gispert den Helden des Tages; in Völker einen herrlichen Verteidiger; in Ludwig Müller zwar keinen überragenden Mittelläufer, aber einen, dessen Defensivspiel in der ersten Hälfte allein das ehrenvolle Ergebnis zu danken ist; in Debusi und dem Neuling Hocke zwei hoffnungsvolle, prächtige Außenstürmer; in Winkler einen durch Goldammer und Schütz vollkommen kaltgestellten Mann. War das Alles? Das war alles. Philipp, dem vor Wochen die Wormser Blätter schon Abschiedshymnen singen mußten, weil er tatsächlich nach Nürnberg zurückgekehrt war, saß wieder auf der Tribüne. Vielleicht wäre mit diesem Giganten der Abwehrtaktik dieses Spiel unentschieden geblieben? Nach 15 Minuten geschah ein gewaltiger Sprung Winklers — von der Fußspitze des Internationalen flog der Ball ausgezeichnet auf den freien Raum. Debusi startete und stoppte. Seelenruhig flankte er. Schüller hob die Arme. Er boxte den Ball. Der muß ein merkwürdig Effet gehabt haben. Der Boxhieb ließ das Leder ins eigene Tor schwirren. Worms führte. Von diesem Augenblick an schaltete Eintracht alle Gänge ein. Immerhin fiel erst zwei Minuten vor Halbzeitpfiff durch Leis — Vorlage Kellerhoff — der Ausgleich. Das Siegestor ist im ersten Absatz schon geschildert.      Richard Kirn. (aus dem 'Kicker' vom 08.04.1930)


>> Spieldaten <<

 

© text, artwork & code by fg