SpVgg Fürth - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 10. Spieltag

1:1 (0:0)

Termin: 16.03.1930
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Glöckner (Pirmasens)
Torschützen: 0:1 Bernhard Leis (55.), 1:1 Faust (70.)

 

>> Spielbericht <<

SpVgg Fürth Eintracht Frankfurt

  • Neger
  • Hagen
  • H. Krauß
  • Kleinlein
  • Leinberger
  • K. Krauß
  • Auer
  • Franz
  • Faust
  • Frank
  • Kießling

 


 

Trainer
  • Hans Krauß (Spielertrainer), zusammen mit Leineberger/Hagen
Trainer

 

Hans Krauß (SpVgg Fürth) wurde wegen einer Tätlichkeit in diesem Spiel nachträglich vom DFB
für drei Monate (13. Mai bis 12. August 1930) gesperrt. Hans Hagen wurde vom Vorwurf der Tätlichkeit freigesprochen.

 

 


Trumpp klärt

Die Eintracht-Abwehr stoppt Frank

Mit Eintracht Frankfurt beim Deutschen Meister

Fesselnde anderthalb Stunden in Fürth-Ronhof, die mit 1:1 wieder den Beweis erbringen, daß die Spielvg. Fürth nicht ohne weiteres zu schlagen ist, aber der Frankfurter Eintracht weiterhin freie Bahn zur Meisterschaft von Süddeutschland lassen.

Die Spiele um die Meisterschaft von Süddeutschland sind trotz allen Mängeln des Spielsystems seit nunmehr dreißig Jahren die vollwertigste, interessanteste und schwerste Probe im deutschen Fußballsport.

Vom ersten bis zum letzten Jahre der vergangenen drei Jahrzehnte stand der Sieger dieser Konkurrenz, der Meister von Süddeutschland, ohne Unterbrechung im Mittelpunkt der Kämpfe um die Deutsche Meisterschaft.

Wer Deutscher Meister werden wollte, mußte erst Süddeutschlands Vertreter schlagen.

In den Endspielen Süddeutschlands wird um die Deutsche Meisterschaft gekämpft.

Fünf ehemalige Deutsche Meister sind in diesem Jahre an Süddeutschlands Schlußrunden beteiligt: Spiel-Vgg. Fürth, 1. F.C. Nürnberg, Karlsruher Fußballverein, Phönix Karlsruhe, 1. Freiburger Fußballklub, außerdem noch ein ehemaliger Süddeutscher Meister: F.C. Bayern München.

Kein deutscher Landesverband hat auch nur annähernd eine solch imposante Liste klangvoller Namen in seiner Meisterrunde. Zu ihnen gesellt sich (in der Nordrunde der Zweiten) mit dem F.Sp.V. Frankfurt ein weiterer namhafter Konkurrent (er war Endspielgegner in der Deutschen Meisterschaft 1925 gegen 1. F.C. Nürnberg, 0:1).

Wenn wir nun noch erwähnen, daß vier ehemalige Meister von Süddeutschland (Stuttgarter Kickers, Wacker München, V.f.R. Mannheim, 1. F.C. Pforzheim) bei den jetzigen Schlußspielen nur Zuschauer sind, so ist mit dieser Konstatierung weiterhin deutlich die klassische und klassenstarke Bedeutung der Endspiele Süddeutschlands zum Ausdruck gebracht.

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In der Runde der Ersten stehen wir in diesen Wochen vor einem Novum: Eintracht Frankfurt steht mit allen Chancen für die Meisterschaft an der Spitze. Noch einige aufregende Sonntage, dann wird die Fußballwelt wissen, ob im Jahre 1930 zum ersten Male nach dreißig Jahren eine Frankfurter Elf Meister von Süddeutschland ist.

Wir stehen im Brennpunkt der Entscheidungen. Mit der Begegnung Eintracht Frankfurt — Spielvereinigung in Fürth am vergangenen Sonntag fiel der Startschuß zum letzten, allerletzten Endspurt. Wie steht's nun eigentlich um die Spielstärke des Deutschen Meisters und des heißen Frankfurter Favoriten um die Meisterschaft von Süddeutschland? Im Vorspiel Fürth — Eintracht in Frankfurt a. M. hatte die Eintracht 2:1 gewinnen können. Damals war für die Spielvereinigung noch nicht aller Tage Abend - damals konnte noch so manches passieren, und es passierte in der Tat so manches — allerdings nicht im Sinne der Konkurrenten Eintrachts. Wir haben ja alles jeden Sonntag miterlebt, wir wissen also Bescheid. Die Eintracht vor den Toren Fürths! Um die Meisterschaft abzuholen!

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Fürth, die verhältnismäßig kleine Fabrik- und Handelsstadt; ihr Name, der im Schatten des weltgeschichtlichen Nürnberg steht, wurde durch die Taten ihrer Spielvereinigung weltberühmt. Die vielen, vielen Erfolge des Kleeblatts haben die Fürther Fußballgemeinde im Laufe der Jahre satt gemacht, man wurde verwöhnt, wählerisch und anspruchsvoll. Der Ronhofplatz hat in letzter Zeit wenig Massenbesuch gesehen.

Aber am Sonntag war Fürth in hellem Aufruhr. Unendliche Menschenreihen pilgerten an diesem Vorfrühlingstag über die Wiesen und Wege, die den Ronhof von der Stadtgrenze trennen. Schutzleute mit blank geputzten Helmspitzen bildeten zwischen Autokolonnen und Menschenstrom Schützenlinien. Fürth ist erwacht. 15000, eine gewaltige Zahl für Fürth (aber doch zu wenig für die Hochburg Nürnberg-Fürth), sind zum entscheidenden Kampf gekommen. Und einige hundert Frankfurter haben die weite Reise vom Main an die Pegnitz zurückgelegt. Mit der Bahn, im eigenen Auto. Im Rolls Roys der Masse, dem großen Postomnibus. Einer von diesen Giganten der Landstraße war überfüllt, stehend zusammengepfercht machten die unentwegten Passagiere the long way durch den Spessartwald — durch Nacht und Nebel. Der Eintrachtanhang steht eben noch in der Brautzeit dieser Endspiele; wenn er einmal die Jungfernschaft verloren und wie Fürth-Nürnberg lange Jahre mit der Meisterschaft verheiratet sein wird, geht auch bei ihm der Enthusiasmus in beschaulicheren Bahnen. Mit dem Erfolg selbst ist ja die reinste Freude immer schon vorbei — das schönste ist der Kampf um den Erfolg. In diesem Sinne erleben die Frankfurter jetzt die schönsten Tage ihres Fußballdaseins.

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Soll ich sie alle nennen mit ihrem Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Die Herren Steigerwald und Reiß mit ihren ebenso liebenswürdigen als charmanten Frau Gemahlinnen, samt Schappenstinnes-Neumann usw. Nein, ich muß auf diesen Familienausflug leider verzichten. Das Spiel beginnt.

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Im Rahmen der Fünfzehntausend stehen die Zweiundzwanzig.

Eintracht: Trumpp, Staupp, Pfeifer; Grumlich, Goldammer, Mantel; Kellerhof, Dietrich, Ehmer, Leiß, Trumpler.

Fürth: Neger; Hagen, Krauß I; Krauß II, Leinberger, Kleinlein; Auer, Frank, Faust, Franz, Kißling.

Beide Mannschaften sind also nicht vollständig. Eintracht mußte Schütz wieder durch Staupp und Schaller durch Leiß ersetzen. Bei Fürth fehlt Reschke, für den Kleinlein spielt; im Sturm der Meisterelf fehlt Rupprecht. Beide Mannschaften sind durch den Ersatz ziemlich gleich gehandicapt, was Schaller für Eintracht im Sturm ist, bedeutet Reschke für die Läuferreihe der Spielvgg. Beide Ersatzleute waren schwach. Die Voraussetzungen für einen Maßstab der beiderseitigen Spielstärke waren also gleich.

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Der Kampf hielt die Anhänger beider Parteien von der ersten bis zur letzten Minute in höchster Spannung, er fesselte zeitweis auch den Unbeteiligten, es wurde zäh und hartnäckig um jede Position gerungen, es fehlte auch nicht an ganz großen Augenblicken, ein Vergleich mit süddeutscher Extraklasse muß jedoch negativ ausfallen. Unsere Spielstärke hat zweifellos nachgelassen; unsere Spitzenmannschaften können nicht mehr so überzeugen. (Die natürlichen Ursachen sind bekannt, verzichten wir also auf das alte Lamento. Wir wissen alle, daß die Spieler seit Jahren ohne Rast und ohne Ruh von Spielfeld zu Spielfeld gehetzt sind. Daß sie in kunterbunter Folge heute einem Gegner im Länderspiel gegenüberstehen, um mit einer klassearmen Elf einen ungleichen Kampf aufzunehmen. Wo soll unter solchen Umständen die Spitzenklasse herkommen!)

Trotzdem wird auf keinem deutschen Fußballfeld die Klasse überboten, die wir bei der Partie Fürth—Eintracht sahen. Eintracht gab zunächst den Ton an. Nachdem Goldammer gleich in der ersten Minute einen Vorstoß Fürths bei Frank abgestoppt, zogen die Frankfurter überraschend vom Leder. Kleinlein konnte den sehr guten linken Flügel Kellerhof-Dietrich nicht halten, Hagen war noch nicht ganz im Bilde. Schon verfehlt er eine Flanke, mit der Ehmer an ihm vorbeistoppt und loszieht. Aber im Nu dreht sich der überlaufene Internationale um seine eigene Achse, mit einem Satz hat er den Durchreißer eingeholt, der ist eben im Strafraum angekommen, er und Neger sind allein, der Torschuß kann nicht ausbleiben — in diesem Atom eines Augenblicks ist jedoch auch Hagen da — seine Abwehr von hinten bringt Ehmer um die Chance. Neger nimmt den Ball auf, man denkt an Elfmeter, Schiedsrichter Glöckner, Pirmasens, hat jedoch robustere Nerven. Das Spiel geht mit Eintrachts Offensive weiter, ein- ums anderemal kommt der linke Flügel durch, eine flache Bombe Dietrichs bannt Neger auf den Boden. Nach einer Viertelstunde kommt Fürth auf. Sofort stehen Hagen-Krauß auf der Mittellinie. Vor Eintrachts Tor lauert die Gefahr, Zuschauer reklamieren Handabwehr Mantels, also Elfmeter, aber Auer hatte klar angeschossen. Nach und nach weicht auf beiden Seiten die Hast und Nervosität. Krauß I, der leibhaftige Buster Keaton auf dem Spielfeld, spielt blendend.

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Jetzt hat Fürth seine Chance. Franz ist in alter Manier durchgekommen, aus vollem Lauf setzt er zu einer Bombe an, haarscharf streicht der Flachschuß an der linken unteren Torecke vorbei. Alles kann wieder aufatmen. Einen von den bekannten Durchstichen Kißlings mit Flankenschuß findet Trumpp auf dem Posten. Die erste halbe Stunde ist vorbei. Die erste Hälfte gehörte Eintracht, die zweite Fürth, aber Fürths Angriffe waren positiver. Noch eine Viertelstunde bis zur Halbzeit; sie brachte einen dramatischen Endspurt, und wieder ein Plus für Fürth.

Zunächst ein Intermezzo Kellerhof-Neger. Der Torwart war nach der Seite herausgelaufen, Kellerhof täuscht, Neger verfehlt, die Situation wird kritisch, niemand ist da — in diesem Augenblick hilft sich Neger durch Sperren mit dem Hintern. Strafstoß von der Seite der Strafraumgrenze. Kellerhof gibt ihn gut vors Tor: Kopf — Kopf — noch einmal Kopf, endlich kommt der Ball zurück, zu Trumpler: Schuß — hoch über das Gedränge saust der Ball aus. Fürth erwidert: Faust ist durch, Trumpp wirft sich ihm beherzt entgegen, stoppt die Gefahr und stoppt auch gleich darauf in letzter Sekunde ein Zusammenspiel Stupp-Frank. Fürths Angriffe werden durch eine witzige Episode unterbrochen. Spiel im Mittelfeld. Plötzlich hat Dietrich den Ball, ein gutes Zuspiel, eine gute Chance. Aber ebenso plötzlich steht der ehemalige Schweizer Internationale (dem jede Woche mit Recht sein intelligentes Spiel bescheinigt wird) abseits. Wieso? Ja, das weiß nur Hagen, der schlaue Fuchs hatte sich mit raschem Gedankenflug und auf leisen Sohlen unmittelbar vorher nach vorne geschoben, Dietrich also abseits gestellt.

Noch 5 Minuten zur Pause. Kißling bleibt im Dribbling wieder einmal Sieger, Stupp kann nur noch zur Ecke abwehren. Frank ist ungemein aktiv, jetzt stehen drei Deckungsleute gegen ihn, er kann nicht durchkommen. Und das Zuspiel, das Zusammenwirken, ist durch Franzens Fehlen in der Mitte unübersichtlich.

Noch einmal stürmt Frankfurt vor, Kellerhof, allein, schießt nicht, er flankt weit hinüber. Neger verwirkt durch Laufen mit dem Ball Strafstoß von der 16-m-Linie. Hart und knapp geht der Schuß neben die rechte untere Ecke, in der Neger und Krauß überdies zur Deckung kauerten.

Mit noch zwei Eckbällen für Fürth, von denen der letzte ein lebhaftes Kopfballgefecht vor Eintrachts Tor brachte, ist die erste Halbzeit vorbei.

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Mit zwei Attacken vor beiden Toren begann die zweite Halbzeit recht lebhaft. Zunächst kam der Ausgleich für die 11-m-Szene Hagen-Ehmer, denn Franz, allein auf weiter Flur, wurde in schußreifer Position durch Stupp regelwidrig vom Ball getrennt, und der Schiedsrichter ließ diese Szene mit Abstoß Trumpps abrollen. Dann konnte Neger einen Strafstoß Trumplers eben noch über die Köpfe boxen.

Schon sind die ersten 10 Minuten vorbei, Fürth im Angriff und aufgerückt. Da bekommt Trumpler den Ball, er reißt durch und flankt sofort, hoch hinüber zum Linksaußen, Kellerhoff stoppt auf der Linie, Linienrichter winkt abseits. Kellerhoff spurtet davon, flankt. Flankt Leiß vor die Füße, eine leichte Berührung, und Neger muß vom linken Torpfosten aus sehen, wie der Ball unten rechts das Tor passiert.

Das Spiel steht 1:0 für Eintracht. Der Kampf wird schärfer. Leinberger und Goldammer geraten hart aneinander, der Frankfurter hinkt etwas. Strafstoß für Eintracht. Geht weit daneben. Krauß I macht das besser. Halbhoch, getragen kommt ein 40-m-Strafstoß von ihm über die Köpfe, unmittelbar vors Tor, hier senkt er sich, langsam, unheimlich für die verteidigende Partei, aber Trumpp ist da. Mit entschlossenem Sprung boxt er aus dem gefährlichen Gedränge.

10 Minuten Eintrachtoffensive. Jetzt spielen die Frankfurter überzeugend. Neger kann eine Flanke Trumplers zu Dietrich, dem Schwyzer, gerade noch vom Kopf wegboxen. Bezeichnend ist, daß auch diese Offensive, ebenso wie diejenige Fürths, mit einem Erfolg der verteidigenden Partei endet, just in dem Augenblick, in dem niemand an etwas Böses denkt. Bekommt da Faust den Ball, etwa 25—30 m vor des Gegners Tor. Flankt oder schießt er, oder geht er allein weiter vor? Nichts davon, er flankt nicht und schießt nicht, aber sein Ball kommt doch von der Seite (halbrechts) das Tor entlang, Trumpp erwischt ihn, und im selben Augenblick muß er ihn aus dem Tor holen. Effetball, halb Schuß, halb Flanke. So ein Pech (dem braven Sportsmann standen noch am Abend die Tränen in den Augen), sagen die Frankfurter. So ein Glück, denken die Fürther.

Aber Fürth hat ausgeglichen!

Und Fürth drängt weiter, Trumpp steht oft im Feuer des Gegners. In 10 Minuten ist alles vorbei. „Wenn nur Fürth nicht noch ein Tor macht", sagen die Frankfurter Schlachtenbummler. Da raffen sich ihre Mannen wieder auf. Kellerhoff wird unfair gestoppt, er rast weiter, hört den Pfiff des Schiedsrichters nicht — schießt Tor. 2:1- für Eintracht? Nein, Strafstoß für Eintracht, der Schiedsrichter hat in falscher Auslegung des Sinnes der Regel abgepfiffen. Noch zwei Eckbälle erzwingt jetzt Fürth, noch in der letzten Minute winkt dem Kleeblatt der Sieg, Trumpp war im Gedränge der Ball entglitten.

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So blieb es beim 1:1. Ich habe nach eingehender Würdigung aller Umstände den auf einen ziemlich deutlichen Sieg rechnenden Frankfurtern mit meinem Tip 0:0 keine rechte Freude gemacht (Dietrich z. B. rechnete mindestens mit einem torreichen Resultat, etwa 4:3, für wen, weiß ich nicht mehr genau). Jetzt habe ich doch recht behalten. Zuerst mit dem Unentschieden, aber auch mit der Torzahl. Denn keines von beiden Toren war das Ergebnis einer zwingenden Leistung, also 0:0.

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Beide Verteidigungen samt Läuferreihen konnten von den Stürmern nicht überwunden werden. Die Torwächter hatten nur wenige Schüsse zu halten. Angriff auf beiden Seiten: 0:0.

Eintracht hat in diesem Jahre entschieden die stärkste Elf seit des Fußballmenschen Gedenken. Wird sie zum ersten Male die Meisterschaft, das Erbgut Mittelbadens und Bayerns, an den Main bringen? Diese Frage beantworten heute noch nicht einmal alle Frankfurter; heute noch, mit drei Punkten vor Fürth und fünf Punkten vor den Münchener „Bayern", rechnen sie an Hand der Tabelle aus, daß zwischen ihrem Hoffen und Wünschen immer noch eine gewisse Ungewißheit liegen könnte. So unberechenbar war der bisherige Verlauf der süddeutschen Schlußspiele 1930.     Eugen Seybold. (aus dem 'Fußball' vom 18.03.1930)

 

 


 

 

Nürnberg-Fürther Gedanken

SpV. Fürth — Eintracht Frankfurt 1:1.

In Fürth war am letzten Sonntag tiefe Landestrauer! Die Hiobsbotschaft aus Worms wirkte im Lager der Spielvereinigung einfach niederschmetternd und bei Martin Langmann wurde sofort die stolze Grün-Weiß-Flagge auf Halbmast gestellt. Zuerst Pirmasens und dann die Kunde von der Stadt des Waffenschmieds — es war ein harter Schlag für das siegesgewohnte Kleeblatt und mit einmal lagen die Meisteraussichten soviel wie auf dem Gefrierpunkt. Man hat also schon seinen Grund, etwas kleinlaut zu werden, denn solche Rückschläge sind auf die Dauer für das Hochburgprestige kaum tragbar, wie ja auch die letzten ASN.-Niederlagen gegen 1860 München und Heilbronn sowie das Klubdebakel in Regensburg und auch das Unentschieden gegen den KFV. (Grüß Gott, Dr. Mengis) als sehr unangenehm empfunden wurden.

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Es hat gar keinen Zweck, sich resigniert in den Schmollwinkel zurückzuziehen und vielleicht die gekränkte Leberwurst zu spielen; allmählich wird man sich in Nürnberg-Fürth schon an solche Schlappen gewöhnen müssen, denn der Ansturm auf die fränkische Feste wird von Jahr zu Jahr immer kräftiger. Anderswo spielt man eben auch einen guten Fußball, während die hiesige Spitzenklasse einen auffälligen Rückgang zu verzeichnen hat. Offen und ehrlich zugestanden: bei unseren Vereinen fehlt die Tätigkeit eines guten Trainers und auf die Dauer wird sich das auch immer mehr bemerkbar machen. Ob sich die verantwortlichen Häupter und Führer mit ihrer teilweisen ganz verkehrten Einstellung der Situation klar sind? Ich weiß es nicht, auf jeden Fall, bei dem ausgezeichneten Material und gesunden Nachwuchs hätte ein tüchtiger Spezialist ein dankbares Feld und diese Erkenntnis wird sich vielleicht doch mit der Zeit wieder durchsetzen.

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So ging es heute für die Spielvereinigung, wie man so sagt: „Um die Wurscht!" Ein neuer Eintrachtsieg raubte den Fürthern nicht nur die letzte Meisterhoffnung, sondern sehr wahrscheinlich auch die große Chance um den vielbegehrten zweiten Platz. Diese Tatsache stempelte also den Meisterkampf in Ronhof zu einem prickelnden Ereignis — zu einem Großkampftag allererster Ordnung und riesengroßes Interesse machte sich überall bemerkbar. Der Kampf Fürth gegen Frankfurt war das Tagesgespräch und ein starker Besuch zu erwarten. Allgemein tippte man mehr für Frankfurt, allein die Fürther schwörten doch auf ihre Spielvereinigung und Bangemachen darf es schließlich auch für einen deutschen Meister nicht geben.

Auch diesmal rückten die Eintrachtler mit einem Troß Schlachtenbummler gegen die Noris. Wie üblich, wohnte die Mannschaft mit ihren Begleitern im Hotel Wittelsbach und von den vielen Bekannten begrüßte man dann den liebenswürdigen Eintrachtpräsidenten Graf v. Beroldingen, Schatzmeister Reiß, Ehrenmitglied Albert Sohn, den Schlappenstinnes mit Frau, Karl Zimmer, Schwarz und vom Spielausschuß Buhlmann und Rist. Von der Frankfurter Presse sah man Freund Krawutschke vom Sport-Echo, Nebhut vom F.N.-Sport und Weil vom Fußball. Die Exkursion in die Sebaldusklause dürfte nicht vergessen werden und wiederum lernten wir beim Heina ein neues „Frankfurter Universalviech" kennen. Max Landsberg, Besitzer des Frankfurter Promenaden-Cafés, diese Figur und diese Komik, einfach fabelhaft ... Die Stimmung im Eintrachtlager war siegessicher in höchster Potenz — wir machen es, meinte Graf Beroldingen, doch keiner sollte recht behalten.

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Gut 15000 Menschen umsäumten das Ronhofer Oval, auf der viel zu kleinen Tribüne ist ein Mordsgedränge. Man bemerkt Wohlschlegel, unseren süddeutschen Verbandskapitän, Paul Flierl mit Gemahlin und Dr. Hans Schregle a. D. Kurz vor dem Spiel löste ein telephonischer Glückwunsch von Stadtrat Schmude: „Heil und Sieg der Eintracht", außerordentliche Freude bei den Frankfurter Gästen aus. Es scheint überhaupt, daß die zwischen den Stadtreferenten und der Eintracht bestehenden schwarzen Differenzen in ein rosa Licht gerückt werden.

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Punkt 3 Uhr erscheinen die Frankfurter mit Trumpp; Stubb, Pfeiffer; Gramlich, Goldammer, Mandel; Trumpler, Leis, Ehmer, Dietrich und Kellerhoff. Also ohne Schütz und Schaller, aber auch die Fürther mußten Rupprecht und Röschke ersetzen und das Handicap war damit ziemlich gleich verteilt. Mit dem Anpfiff entwickelte sich sofort ein nervenkitzelndes Spiel, das die Zuschauer förmlich mitriß, denn dieser Meisterkampf kristallisierte sich trotz der teilweise unverschämten Härte und trotz der Hinterhältigkeiten einiger Sünder, wie Hagen, Kraus I, Leis und Dietrich, als einer der besten des letzten Jahres heraus. Man merkte, um was es heute ging und die nervöse Gereiztheit einiger Fürther, ganz besonders Hagens, machte die Kleeblattmannschaft ganz konfus. In den ersten Minuten hob sich der flache Eintrachtpaß ganz bedeutend von dem vorerst unbegreiflich hohen und ungenauen Spiel der Kleeblättler ab. Frankfurt ist sichtlich gefährlicher, denn sein glänzender Mittelläufer Goldammer ist gut auf dem Posten und durch seine überlegte Ballführung und haargenaues Zuspiel entwickelt sich der Frankfurter Angriff zu einer ganz gefährlichen Kombinationsmaschine, deren selbstverständliches Ineinandergreifen entzücken mußte. In höchster Not wird von Kraus I ein famoser Durchbruch von Dietrich ziemlich unfair abgestoppt, aber der Schiedsrichter Glöckner aus Pirmasens konnte sich zu keiner Elfmeterstrafe entscheiden! Der Frankfurter Druck dauert so ungefähr 10 Minuten und dann war es auch vorläufig mit dem wirklich guten System vorbei, denn die Fürther Spieler setzten sich jetzt mit einer hingebenden Kraft ein, wobei ein Neger, Kraus I und Kleinlein in der Abwehr alles, was in ihren Kräften lag, hergaben; auch Hagen hatte trotz seiner Nervosität große Momente, Leinberger arbeitete übermenschlich, um allerdings die große Linie eines Goldammer nicht erreichen zu können; Kraus II lieferte eine prächtige Partie, im Angriff gefielen Faust und Frank mit ihrem Temperament noch am besten, während Auer II durch die Langsamkeit von Franz sehr zu leiden hatte; Kießling fand in seinem gegnerischen Läufer Gramlich ein recht unangenehmes Hindernis. Zu einem Erfolg langte es aber in dieser Fürther Drangperiode nicht, denn Trumpp holte sich mit Sicherheit die schwierigsten Bälle, einmal schießt Franz, unheimlich scharf neben die Latte. Zudem zeigen die Abwehrmänner Pfeiffer und Stubb verblüffende Schlagsicherheit; für beide Angriffsreihen gibt es also kein Honiglecken und so verrinnt die erste Hälfte torlos.

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Die zweite Hälfte beginnt zuerst für Fürth recht vielversprechend, denn der Kleeblattangriff wird jetzt von Leinberger systemvoller aufgebaut, wie sich überhaupt das ausgekochtere Können verschiedener Fürther bei Einzelaktionen stark fühlbar machte. Sehr hart wird einmal Faust im Strafraum genommen und auch hier war die Elfmeterstrafe gegeben! Dann streift bei einem raffinierten Angriff ein schöner Kießlingsschuß knapp über den Torpfosten und in dieser Zeitperiode glaubte wohl kein Mensch an einen Frankfurter Erfolg. Eintrachts Taktik mit der massierten Abwehr, hinten 7 bis 8 Leute, bewährte sich glänzend, körperliche Gewandtheit und Schnelligkeit kamen gerade hier zur Geltung. Mit befreiendem Stoß wurde hinten im Gedränge ausgeputzt und im Nu war auch schon der Angriff in Aktion, wobei die zurückgenommenen Läufer sofort den Kontakt aufnahmen, während die übermäßig aufgerückten Fürther Verteidiger dabei oft in größte Verlegenheit gerieten. So fiel in der 55. Minute auch das Eintrachtstor, indem Kellerhoff einen weiten Ball aufnahm — Hagen, Leinberger und Kleinlein waren diesmal zu weit aufgerückt —, flankte, Kraus I kam in höchster Not zu spät und der talentierte aber noch zu rappelköpfige Leis ungedeckt die Flanke zum Führungstreffer einschoß.

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Erst nach diesem Erfolg sehen wir das Frankfurter Spiel in seiner ganzen Pracht, denn auch Mantel erreichte jetzt seine volle Form und das gefällige Dreieckangriffsspiel zeigt sich voll Laune und Eleganz, wobei aber die schwache Durchschlagskraft des Mittelstürmers Ehmer sehr störend wirkte. Dietrich, Kellerhoff und Leis waren die Matadoren im Eintrachtsangriff, während Ehmer und auch Trumpler weniger gefielen. Wie gesagt, jetzt war die ganze Frankfurter Mannschaft in Schwung und jeder einzelne wurde durch die prächtige Leistung eines Goldammer mitgerissen. Aber merkwürdiger Weise fiel auch der Fürther Erfolg in einer Zeit, wo niemand daran dachte. Neger hat den Ball weit nach vorn gebracht, Frank zieht davon, er schiebt ihn zu Faust und mit Hochschuß findet der Ball über die Hände Trumpps seinen Weg ins Netz. Damit war der Sieg für Frankfurt vergeben, denn die letzte Viertelstunde sieht durchaus Fürth in Front und die Kleeblättler zeigten den 15000 Zuschauern deutlich genug, daß sie doch noch vieles können, wenngleich ihre Fußballkunst lange nicht mehr an die vergangenen Zeiten heranreicht. Im Einzelkönnen zeigten die Fürther ohne Zweifel ein starkes Plus, aber die Eintrachtler waren körperlich bei weitem besser durchgebildet als die hüftensteife Spielvereinigung. In der Schnelligkeit und vor allem im Kopfspiel kam das sehr zur Geltung. Herr Glöckner als Unparteiischer pfiff zwar sehr oft, war aber in der Auslegung der Regeln viel zu weitherzig. Nur in der Abseitsregel war er erstklassig, dagegen in der Auffassung des Rempelns bei Vorteil ließ er absolut keine Routine erkennen; meines Erachtens war Glöckner trotz größter objektiver Auffassung nicht der gegebene Mann für ein solch schweres Meistertreffen.      Hans Stoll. (aus dem 'Kicker' vom 18.03.1930)


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