VfB Stuttgart - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 8. Spieltag

1:3 (0:2)

Termin: 23.02.1930
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Maul (Nürnberg)
Torschützen: 0:1 Walter Dietrich (6.), 0:2 Bernhard Leis (14.), 0:3 Walter Dietrich (75.), 1:3 Koch (85.)

 

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VfB Stuttgart Eintracht Frankfurt

  • Engelhardt
  • Vollmer
  • Leonberger
  • Rebmann
  • Buck
  • Grau
  • Seibold
  • Koch
  • Stadelmann
  • Pröfrock
  • Becker

 


 

Trainer
  • Lajos Nemes (Ludwig) Kovacs
Trainer

 

Eintracht behauptet die Spitze

V.f.B. Stuttgart - Eintracht 1:3 (0:2) — Ein schwaches Spiel unter schlechter Leitung — Eintrachts Läuferreihe entscheidet den Sieg

Für die 9000 Stuttgarter bedeutete dieses Spiel eine große Enttäuschung, da keine der beiden Mannschaften in der Lage war, eine auch nur bescheidenen Ansprüchen gerecht werdende Form zu finden. Von einer Meisterleistung überhaupt nicht zu reden. Der Hauptgrund hierfür ist wohl in den Bodenverhältnissen zu suchen, die denkbar ungünstig waren. Der Vf.B-Platz, der uns so lange durch seine morastige Oberflache entsetzt hat, war diesmal steinhart gefroren und so holperig und uneben, daß er kaum ein sicheres Laufen, geschweige denn eine sichere Ballbehandlung und exaktes Zuspiel zuließ. Das war bedauerlich, denn so waren beide Mannschaften nach mißglückten Anfangsversuchen, in ihren normalen Stil hereingekommen, bald gezwungen, ein halbhohes, stellenweise sogar ganz hohes, in jeder Beziehung unmodernes Kick-and-rush-Spiel vorzuführen, das eben heutzutage keine Befriedigung mehr auslöst. Eine solche Spielweise pflegt betonte Körperlichkeit mit sich zu bringen, die nur von einem Schiedsrichter gebändigt werden kann, der auf der Höhe ist und einen guten Tag dazu hat. Beides trat bei Herrn Maul, Nürnberg, der seit Jahren zur süddeutschen Eliteklasse gerechnet wird, in keiner Weise zu. Herr Maul bevorzugte heute das System der Großzügigkeit und beging damit einen grundlegenden Fehler. Er hätte von Anfang an rigoros kleinlich sein müssen, um später, wenn das Spiel ordentlich lief, den Versuch der Zügellockerung vorsichtig zu machen. Aber alles das lag Herrn Maul nicht, er ließ ganz krasse Vergehen gegen die Regel der Fairneß unbeachtet und forderte damit alle Spieler zu postwendender Revanche und schlimmeren Sachen heraus, denn schließlich wollten ja beide Mannschaften gewinnen.

Dazu kommt, daß ein Teil der Spieler, die hoffen dürfen, einmal zu internationalen Ehren zu kommen, durch die Anwesenheit des Bundesspielausschusses nervös und aufgeputscht waren. Man versteht, daß die Vereine nicht recht davon erbaut sind, einen Punktkampf unter den Augen der „hohen" Herren zu absolvieren.

Das Spiel war hart, unglaublich hart und stellenweise ausgesprochen unfair, beide Mannschaften trifft diese Feststellung in gleichem Maße. Der V.f.B. hatte aber durch die verfehlte Einstellung des Schiedsrichters mehr zu leiden als die Eintrachtleute, denn hauptsächlich die Eintrachtverteidigung versuchte immer wieder durch übertrieben körperliches Spiel die Stuttgarter Stürmer einzuschüchtern. Nachdem bald feststand, daß Maul diese Einschüchterungen auch im Strafraum zuließ, legten Pfeifer und Stubb die letzten Hemmungen auch im Strafraum ab und spielten "frankforterisch", wie es am Main üblich zu sein scheint. Das war um so mehr schade, als dadurch der Eindruck etwas getrübt wurde, den das unbestritten große Können dieser Verteidigung erweckte. Pfeifer spielte sein 701. Spiel, womit schon gesagt ist, daß er ein routinierter Verteidiger ist. Routine ist zweifellos seine hervorragendste Eigenschaft, die besonders in einem raffinierten Stellungsspiel und auffallender Kaltblütigkeit zum Ausdruck kommt. Da auch Kopfspiel und Schlagsicherheit wenig zu wünschen lassen, rundet sich das Bild eines famosen Standardbacks, der eine Stiitze einer jeden Mannschaft sein kann. Schütz fehlte, aber Stubb, von Pfeifer unauffällig dirigiert und von Gramlich blendend unterstützt, ließ ihn kaum vermissen. Trumpp hinter den beiden genügte in jeder Weise.

Aber das Beste bei der Eintracht war doch die Läuferreihe, in der Goldammer, trotzdem er sich merkbar zurückhielt (der schwere Boden machte ihn anscheinend etwas ängstlich), musterhaft für den Aufbau der Eintrachtangriffe sorgte, während seine Außenhalfs mit Nachdruck, den besonders Becker schmerzhaft empfunden haben mag, die Flügel abriegelten. Daß Gramlich mit unserm besten Stuttgarter Außenstürmer so spielend leicht fertig werden konnte, den so manche Fanatiker für länderspielreif halten, mag diesen zu denken geben. Denn selbst die Frankfurter stellen Gramlich nicht in die Reihe der Leute von Extraklasse. Mantel war der einzige, der unentwegt seine eminente Technik durchzusetzen versuchte. Mit großem, eindrucksvollem Erfolg, das muß man zugestehen, obschon man bei ihm weniger Eigensinn lieber sähe.

Problematisch ist für mich der Eintrachtsturm. Kellerhof war hier der erfolgreichste Mann, da Rebmann ihn das ganze Spiel hindurch in geradezu sträflicher Weise ungedeckt ließ. Er kam zum Flanken, wie und so oft er wollte. Es spricht sehr wenig für die Qualität des Innentrios, daß von diesen zahllosen Flanken nur eine mit Torerfolg verwertet werden konnte und daß hierbei der andere Außenstürmer (Leis, Ersatz für Schaller) als Torschütze fungieren mußte. Auch die beiden anderen Tore kamen nicht durch systematisches Angriffsspiel zustande: Nr. 1 erzielte Dietrich nach einem scharfen Schuß Goldammers, der vom Pfosten abprallte, und Nr. 3 fiel durch Kopfstoß Dietrichs aus einer gut hereingegebenen Ecke. Trumpler, den Frankfurt ebenso hartnäckig für die Ländermannschaft empfiehlt wie die Münchener ihren Pledl, bot recht wenig, weder sein Schuß, noch sein Dribbling, noch sein Erfassen der Situationen ergaben etwas Außerordentliches. Vielleicht wird er im Laufe der Jahre einmal so gut werden, wie man es in Frankfurt jetzt schon wahrhaben will. Genau so wie er boten Ehmer und Leis wenig, während Dietrich große Klasse darstellte. Sein blitzschnelles Erfassen plötzlich sich ergebender Situationen, und zwar nur dies, stellte den Eintrachtsieg sicher.

Stuttgart hatte die Mannschaft etwas umgestellt. Vor allem vermißte man Gabriel im Tor, für das Engelhardt wohl nicht die erforderlichen körperlichen Eigenschaften aufbringt. Die ganze Mannschaft spielte nervös und zerfahren, schwächer denn je, womit auch die Bedeutung und Größe des Sieges der Eintracht auf ein bescheidenes Niveau reduziert wird. Beide Verteidiger hatten große, aber auch erschrecklich dürftige Minuten. In der Läuferreihe fiel Rebmann, der gegen Kellerhof stand, fast aus, während Grau und Buck wenigstens einigermaßen ihren Aufgaben gerecht wurden. Im Sturm hatten die Außen, was schon erwähnt wurde, wenig zu bestellen, und das Innentrio, in dem Pröfrock übernervös und absolut unproduktiv war, mußte gegen Goldammer und die harten Verteidiger scheitern, zumal Stadelmann Führereigenschaften nur andeuten konnte. Koch war noch der Beste, daß er es war, der fünf Minuten vor Schluß das Tor für den V.f.B. erzielte, war nur gerecht.

Schon in der sechsten Minute fällt das erste Tor, aus einem Gedränge trifft Goldammer mit scharfem Schuß den Pfosten, und Dietrichs geistesgegenwärtiger Start sorgt für 1:0. Eintracht spielt ruhig und wird überlegen, Kellerhof jagt ein paar Flanken vors Tor, Leis, vor Engelhardt stehend, fängt bereits 8 Minuten nach dem ersten Tor eine ab, Engelhardts Abwehrversuch kommt zu spät, 2:0. Dann drängt V.f.B., ruft auch einige kritische Situationen im Eintrachtstrafraum hervor, bei denen mindestens zweimal ein Elfmeter verwirkt, aber nicht gegeben wurde. 2:0 bleibt's bis zur Pause. Nach Wiederbeginn spielt der V.f.B. zuerst einige Minuten überlegen, aber dann zieht Eintracht an, und als Dietrich in der 30. Minute eine Ecke zu 3:0 verwandelt, ist das Spiel entschieden. In den letzten Minuten kann Koch eine der seltenen Beckerflanken sehr schön einköpfen. Trumpp war hierbei allerdings sehr unaufmerksam, sonst wäre der V.f.B. wohl ganz torlos vom Feld abgetreten.      S. (aus dem 'Fußball' vom 25.02.1930)

 

 


 

 

Rund um Stuttgart

VfB. Stuttgart - Eintracht Frankfurt 1:3 (0:2)

Die Beziehungen zwischen Frankfurter und Stuttgarter Fußballmannschaften sind alt, aber ebenso selten. Man weiß eigentlich nicht recht, woran das liegt, daß die führenden Frankfurter Vereine mit Stuttgart so wenig in Fühlung kommen.

So wurde die Eintracht als derzeitiger Tabellenführer der Meisterrunde mit nicht geringer Spannung in Stuttgart erwartet. Der Besuch der Eintracht erhielt deshalb noch besondere Bedeutung, weil der Bundesspielausschuß, für den es für die Aufstellung der Länderelf Matthäi am letzten war, sich gerade aus diesem Spiel, wenigstens von der Eintrachtmannschaft, die Entdeckung einiger etatsmäßigen oder Reservekräfte für die Mannschaft gegen Italien versprach. Prof. Glaser und der Bundestrainer Nerz werden allerdings in diesem Spiel keine großen Neuentdeckungen gemacht haben. Wer kam eigentlich in Frage? Der kleine Halbrechte Trumpler der Eintracht zeigte wohl hie und da famose und etwas an den Fürther Halblinken Frank erinnernde Sololeistungen, ist aber körperlich nicht so stabil gebaut wie die Fürther Schußkanone. Einmal blies ihn ein scharfer Ball um, daß er für Minuten außer Gefecht gesetzt wurde. Kellerhof steht ja als Ersatzmann für die Länderelf sowieso fest, und er war schließlich einer derjenigen Eintrachtstürmer, die noch am besten gefallen konnten, Die anderen Beobachtungen des Bundesspielausschusses mögen sich wohl in Richtung des Läuferersatzes bewegt haben, und hier habe ich den Eindruck, daß entweder die komplette Eintracht-Läuferreihe, die, als Ganzes genommen, zweifellos zu den Besten in Süddeutschland zählt, in Betracht kommt oder gar keiner der Frankfurter.

Der Kampf an und für sich hinterließ, mit Stuttgarter Augen gesehen, nicht den befriedigenden Gesamteindruck, den man zum Beispiel von den Spielen gegen Freiburg und Bayern München hatte. War daran vielleicht die unzulängliche Leitung durch Herrn Maul-Nürnberg schuld, oder lag sonst auffallend, viel Nervosität auf den Spielern? Jedenfalls war die Kampfweise beiderseits nicht überhebend und von Eintracht nahm es wunder, daß die Frankfurter sich zeitweilig ebenfalls in halbhohen Angriffsmethoden versuchten. Den Frankfurtern mag der unebene und hartgefrorene Boden nicht sonderlich gelegen haben, er tat zweifellos ihrer Ballsicherheit erheblich Abbruch. Trotzdem schien der Eintrachtsturm lange nicht von der Gefährlichkeit, wie sie uns beispielsweise Pöttingers Mannen hier demonstrierten. Von Dietrich weiß man, daß er keine große Kämpfernatur ist, er verarbeitet in erster Linie die Ideen. Nur ganz wenig fiel der oft gerühmte Ehmer auf, und Leis merkte man den Ersatzmann für den etatsmäßigen Rechtsaußen Schaller an. Einer hat uns besonders gut gefallen, das war der rechte Verteidiger Stubb, schon figürlich eine feine Fußballererscheinung, wie man sie selten antrifft. Er ließ Schütz nicht vermissen und war ein ungemein agiler Angriffsspieler in der Frankfurter Hintermannschaft. Mantel ist der elegantere Läufer, Gramlich der forschere Kämpfer, Goldammer der intelligente Aufbauspieler. Aber alle Eintrachtspieler haben ein ausgeprägt gutes Kopfspiel und das war ihr größtes Plus gegenüber der in dieser Beziehung noch in den Kinderschuhen steckenden VfB.-Mannschaft.

Bei der jetzigen VfB.-Elf wird es sich in Jahren zeigen, ob sie hält, was sie verspricht. Es kann nicht sein, daß sie von heute auf morgen die Routine mitbringt, die man heute in den Großkämpfen unserer obersten Klasse verlangt. Aber eins kann man erwarten, Ballsicherheit und Ballgefühl, und das beherrschen nicht alle Spieler in gleichem Maße. Der Eifer allein tuts auf die Dauer nicht, es muß an der Mannschaft noch tüchtig gearbeitet werden. Diesmal waren Gabriel und Wieczorek durch jüngere Kräfte ersetzt; die Neueinstellungen gereichten aber zu keinem sonderlichen Vorteil. Gut schlug sich die Verteidigung mit Vollmer-Leonberger und die beiden Läufer Buck und Grau. Der Angriff spielte ohne Methode viel zu steil; der Halblinke Pröfrock war ein völliger Ausfall.

Eintracht hat dem Gesamtkönnen nach verdient gewonnen, doch wurde die einheimische Mannschaft vom Schiedsrichter nicht in der gegebenen Weise in Schutz genommen und einigemal im Strafraum stark benachteiligt. Herr Maul war kein Jota besser als das letzte Mal in Stuttgart, seine Leistung scheint sich zurzeit auf einer abwärtsgehenden Kurve zu bewegen.

Der Spielverlauf sah, wenn man überhaupt noch von lebendiger Spielweise reden konnte, diese mehr aufseiten der Frankfurter als bei Stuttgart. Es war jedoch kein Tempospiel wie die bisherigen Meisterkämpfe am hiesigen Platz und deshalb kam wenig Beifall für besonders hochstehende Leistungen aus der 9000köpfigen Menge. Die ersten 15 Minuten brachten zwei vermeidbare Tore durch Dietrich und Leis, die einmal durch den Torhüter hätten verhindert werden können, dann aber in schlechter Deckung ihre Ursache hatten. Bis 15 Minuten vor Schluß konnte VfB. das 0:2 halten, dann köpfte Dietrich entschlossen einen schön getretenen Eckball zum dritten Tor ein. Einige Minuten vor dem Abpfiff erzielte der VfB. den Ehrenerfolg, ebenfalls auf Kopfball von Koch. Die lauten Aeußerungen der enttäuscht auseinandergehenden Menge richteten sich am Schluß besonders gegen die Leistung des Spielleiters, nicht zum geringsten wurde aber auch die nicht sehr hochstehende Spielweise beider Mannschaften einer Betrachtung unterzogen.      Wingo. (aus dem 'Kicker' vom 25.02.1930)


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