Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 7. Spieltag

5:2 (2:0)

Termin: 16.02.1930
Zuschauer: 8.000
Schiedsrichter: Seyfferth (Pirmasens)
Torschützen: 1:0 Theodor Trumpler (14.), 2:0 Karl Ehmer (19.), 3:0 Walter Dietrich (46.), 4:0 Karl Ehmer (63.), 5:0 Bernhard Kellerhoff (70.), 5:1 Koch (82.), 5:2 Stadelmann (84.)

 

>> Spielbericht <<

Eintracht Frankfurt VfB Stuttgart

 


  • Gabriel
  • Vollmer
  • Leonberger
  • Wieczoreck
  • Buck
  • Grau
  • Seibold
  • Koch
  • Stadelmann
  • Rebmann
  • Becker

 

Trainer Trainer

 

Eintracht behauptet sich an der Spitze

5:2 gegen den V.f.B. Stuttgart - Man schlägt sich um Eintrittskarten zum Länderspiel - Willi Pfeiffers 700. Spiel

[...] Am Nachmittag bekam man dann am Riederwald von

Eintracht und V.f.B. Stuttgart

eine ganz andere Kost serviert. Der Mainmeister zeigte in diesem Spiel 8000 Zuschauern, was er kann. Sein Spiel riß zeitweise zu Begeisterung hin, und wenn er nicht zuletzt, nachdem er 5:0 führte, leichtsinnig geworden wäre, dann hätte sein Spiel auch in einem entsprechenden Ergebnis Ausdruck gefunden. Eintracht spielte — spielerisch gesehen — wohl das beste Spiel seit Beginn der Endspiele um die süddeutsche Meisterschaft.

Das Spiel stand auf sehr hoher Stufe, weil auch die Stuttgarter ansprechende Leistungen zeigten. Die Eintrachtspieler stellten, nachdem einige gefährliche Vorstöße in den ersten Minuten die Gefährlichkeit des Gegners gezeigt hatten, ihre Maschine auf höchste Tourenzahl ein. Von diesem Augenblick an hatten allerdings die Stuttgarter nichts mehr zu bestellen. Ein hervorragend angelegter Angriff führte in der 14. Minute zum ersten Tor der Eintracht. Dietrich zog den Stuttgarter Außenläufer auf sich, gab plötzlich eine lange Vorlage zu Kellerhoff, dessen Flanke Ehmer zu Trumpler durchließ, der ruhig stoppte und überlegt in die Ecke placierte. Gleich darauf hatte Stuttgart bei einem Alleingang Dietrichs großes Glück, da ein Verteidiger den Nachschuß Ehmers noch mit dem Kopf von der Torlinie herunterholen konnte; Gabriel war bereits geschlagen. Die 19. Minute brachte einen gut getretenen Strafstoß Mantels. Ehmer köpfte ihn, fast am Boden kniend, in die äußerste Ecke. Eintracht beherrschte bis zur Pause das Spiel vollkommen, einmal schoß Kellerhoff nach einem Eckball an die Latte, es sah aus, als sei der Ball im Tor gewesen.

Nach Halbzeit erhöhte Eintracht in der ersten Minute schon auf 3:0. Das Tor kommt auf das Konto von Dietrich, der einem von Wieczorek zurückgepaßten Ball nachsetzte, ihn eher als der Torwächter erreichte und einschob. Eintracht wurde immer überlegener und erhöhte das Eckballverhältnis allmählich auf 8:2. Eine dieser Ecken wurde von Ehmer wunderschön im Effet hereingegeben, und wäre beinahe direkt ins Tor gegangen, wenn nicht Gabriel im letzten Augenblick noch hätte zur Ecke lenken können. Eine fabelhafte Kombination brachte in der 18. Minute das vierte Tor. Dietrich gab eine steile Vorlage zu Ehmer, der weiter zu Kellerhoff paßte. Der Linksaußen gab flach zu Ehmer zurück, der im Lauf einlenkte. Die 25. Minute schien den Stuttgartern endlich den Ehrentreffer zu bringen. Trumpp hatte sich vergebens nach einer Flanke Beckers geworfen, Stadelmann hatte den Ball eher und schoß aufs Tor, Pfeiffer schlug, im Tor stehend, heraus: es „roch" nach Tor, die Stuttgarter reklamierten, doch konnte sich der Schiedsrichter nicht zum Pfiff entscheiden. In der allgemeinen Verwirrung erwischte Kellerhoff den abgewehrten Ball, ging auf eigene Faust davon und schoß auch flach in die Ecke das fünfte Tor. Damit war Eintracht scheinbar zufrieden, denn sie begnügte sich zehn Minuten lang mit endlosen Balltändeleien und drückte nicht mehr nach vorn. Stuttgart erkannte seine Chance und begann einige Minuten vor Schluß mit überraschenden Angriffen. Es gab ein schnelles Hin und Her vor dem Eintrachttor, der linke Läufer Grau gab einen abgewehrten Ball hoch aufs Tor zurück, Trumpp wehrte zu kurz ab und Koch drückte ein. Zwei Minuten später versuchten Pfeiffer und Stubb vergebens, den allein durchgehenden Stadelmann zu „klemmen"; der Stuttgarter Mittelstürmer konnte ein zweites Tor schießen. Bei dem 5:2 blieb es dann endgültig.

Über die gute Leistung der Eintracht täuschen auch die paar Leichtsinnsmomente gegen Schluß nicht hinweg. Es ist doch eigenartig, daß gerade immer die letzten Minuten der Eintracht die schlechtesten sind, und zwar nicht, weil die Spieler nicht mehr können, sondern weil sie nicht mehr — wollen. Für das Publikum haben die Eintrachtspiele daher fast immer einen bitteren Nachgeschmack. Der Fußballsportverein der Jahre 1925/26 schloß seine Spiele, obwohl seine damaligen Leistungen spielerisch weit unter denen der heutigen Eintracht standen, immer mit einem „fortissimo" ab. Das ist natürlich viel publikumswirksamer. Wir erinnern uns bei dieser Gelegenheit an ein Spiel des Sportvereins gegen den V.f.B. Stuttgart, das im Jahr 1926 stattfand. Damals führte der V.f.B. 3:0 und der F.S.V. konnte durch eine große Energieleistung in der letzten halben Stunde das Spiel schließlich noch 4:3 gewinnen. Damals waren die Massen hingerissen. Nach dem Eintrachtspiel am Sonntag verließen die Zuschauer den Platz sehr still, ja fast gedrückt. Und das alles wegen der zwei Tore. „Sie hätten nicht zu sein brauchen", war die allgemeine Stimme, und damit waren alle vorherigen guten Leistungen der Eintracht vergessen. Vox populi ... Nun: Für den Kritiker dürfen solche Stimmungsmomente nicht existieren, er hat die Gesamtleistung zu kritisieren ... und die Gesamtleistung der Eintracht war untadelig. Alle Mannschaftsteile arbeiteten wundervoll zusammen. In der Verteidigung zeigte sich Stubb wieder von seiner besten Seite. Er hatte in Becker einen der schnellsten Außenstürmer Deutschlands gegen sich, holte ihn aber durchweg fast mühelos ein: Stubb ist einer der schnellsten Spieler, die ich je gesehen habe. Auch Pfeiffer war in hervorragender Verfassung. Ebenso hielt Trumpp einige schwere Bälle gut. Der beste Mannschaftsteil der Eintracht war wieder die Läuferreihe. Es wäre vielleicht nicht das Schlechteste, wenn man diese Läuferreihe geschlossen gegen Italien stellte. Sowohl gegen Fürth als auch gegen Bayern München hat sich die Eintracht-Läuferreihe als besser erwiesen. Die drei Spieler sind in Hochform, im Gegensatz zu den anderen Kandidaten. Mantel hat bereits international gespielt, Goldammer hat sich schon oftmals in repräsentativen Spielen für Süddeutschland bewährt, lediglich Gramlich wäre ein Experiment, aber nach den bisherigen Leistungen dieses Spielers kein gewagtes (ich erinnere nur an sein gutes Spiel gegen Hofmann-Bayern). Auch das Spiel des Sturms hat gezeigt, daß hier ein ernsthafter Kandidat für die Ländermannschaft steht: Trumpler. Nach seinen Leistungen in Mannheim und gegen Stuttgart ist seine Aufstellung unbedenklich zu empfehlen. Noch einen Anwärter für die Nationalmannschaft hat die Eintrachtmannschaft: Kellerhoff. Gegen Italien wird man wohl besser noch Hofmann vorziehen, man sollte den Eintracht-Linksaußen aber einmal in einem anderen Länderspiel des Jahres berücksichtigen. Es wäre vom Bundesspielausschuß verfehlt, wenn er die Spieler der Mannschaft, die heute am Schluß der Vorrunde in der süddeutschen Meisterschaft führt, glatt überginge. — In der Eintracht-Mannschaft des Sonntags stand auf Rechtsaußen ein Ersatzmann für Schaller. Dieser Spieler, Walsch, ist für die Eintracht-Mannschaft in ihrer heutigen Form noch nicht geeignet. Er ist unbedingt talentiert, doch er ist noch nicht hart und überlegt genug. Er muß bei Privatspielen Gelegenheit bekommen, sich einzuspielen.

Stuttgarts Spieler zeigten teilweise vorzügliche Einzelleistungen. In der Verteidigung überragte Leonberger seinen Partner Vollmer. Die Läuferreihe mußte sich auf Zerstörungsspiel beschränken. Grau hatte es hier noch am leichtesten. Wieczorek hatte nach Halbzeit erst „den Bogen raus", wie Kellerhoff beizukommen war; ganz schaffte er es aber nie. Buck konnte gegen das Innentrio der Eintracht nicht zur Geltung kommen. Im Sturm beanspruchte der Linksaußen Becker die volle Aufmerksamkeit Gramlichs; er wurde zwar gehalten aber nur mit größter Mühe. Außer ihm gefiel noch der Halbrechte Koch, dessen Vorlagen imponierten. Stadelmann hatte in der zweiten Halbzeit gute Momente. Seibold war durch Mantel völlig kaltgestellt und Rebmann scheiterte durchweg an Stubb.

Vor dem Spiel gab es eine kleine Feier anläßlich des 700. Spiels von Willi Pfeiffer. Es war ein Ehrentag für den alten Kämpen, der eine Reihe von Blumensträußen und Ehrengeschenken in Empfang nehmen konnte. Besonders bemerkenswert war, daß auch der Fußballsportverein sich durch ein Vorstandsmitglied an der Ehrung beteiligte. Pfeiffer hat in 18 Jahren 700 Spiele für einen einzigen Verein ausgetragen. Das durfte wohl noch kein Spieler erreicht haben. Er hat sich sein Können bis auf den heutigen Tag bewahrt, obwohl er bald sein 35. Lebensjahr beendet. Der starke Beifall der Zuschauer zeigte, welche Beliebtheit sich Pfeiffer erworben hat.      José Weil. (aus dem 'Fußball' vom 18.02.1930)

 

 


 

 

Frankfurter Echo

Eintracht Frankfurt — VfB. Stuttgart 5:2 (2:0).

Das Meisterschaftsspiel Eintracht Frankfurt gegen VfB. Stuttgart hatte eine sehr sympathische Ouverture: einer der ältesten aktiven Ligaspieler Frankfurts konnte ob eines seltenen Jubiläums gefeiert und ausgezeichnet werden Willy Pfeiffer absolvierte am heutigen Tage sein 700. Spiel in der 1. Mannschaft des Vereins, in dem er groß geworden ist und spielen gelernt hat und dem er in neunzehn aktiven Jahren unverbrüchliche Treue und Anhänglichkeit bewahrt hat. Unter den Gratulanten und aufmerksamen Spendern wundervoller Blumen befand sich übrigens auch der FSpV. Frankfurt, der seine Sympathie durch sein Vorstandsmitglied Poike zum Ausdruck bringen ließ.

Eintracht war diesmal wieder in recht guter Form, trotzdem das Fehlen von Schütz und Schaller gewisse Sorgen aufkommen lassen konnte. Mit Spielbeginn waren sie jedoch sofort verscheucht, denn Stubb als Ersatzmann des Internationalen bewies ja nicht zum ersten Male, daß man ihn ohne Bedenken neben Pfeiffer stellen kann, und Walsch, ein Nachwuchsspieler, zeigte auf rechtsaußen zum mindestens ganz löbliche Veranlagung. Sehr gut bewährte sich die Frankfurter Läuferreihe. Goldammer erregt mehr und mehr Aufmerksamkeit durch sein produktives Spiel, Gramlich als rechter Nebenmann ließ sich nur ein einziges Mal auf Glatteis führen, und auch bei Mantel, der nicht ganz in bester Form war, überwogen immerhin bei weitem die guten Leistungen. Namentlich in Zusammenarbeit mit seinen beiden vorzüglichen Vordermännern, Kellerhoff und Dietrich, zeigte Mantel, was er kann. Vor Ehmer, dessen Selbstvertrauen zusehends wächst, ist noch der Halbrechte Trumpler zu nennen, der jetzt erst allmählich in der Eintrachtmannschaft richtig warm wird und zweifellos vor einer großen Zukunft steht. Schade, daß ein so wichtiges Länderspiel wie das gegen Italien unter keinen Umständen Experimente gestattet. Bei jedem anderen Gegner wäre man versucht, den jungen Trumpler noch in letzer Minute Herrn Dr. Nerz für seine Elitemannschaft zu empfehlen.

Der VfB. Stuttgart steht in Frankfurt in angenehmstem Rufe. Die breite Masse macht aus ihren Sympathien für den wohlgelittenen Torwächter Gabriel kein Hehl. Die Eintracht aber hat im Grafen von Beroldingen einen vom berechtigten Vertrauen seiner Mitglieder getragenen 1. Vorsitzenden, der sich die Fundamente für die korrekte Führung seines verantwortungsvollen Amtes in gleicher Eigenschaft beim VfB. Stuttgart angeeignet hat. Leider trat die Elf des VfB. Stuttgart nur nominell in stärkster Aufstellung an. Die Mehrzahl der Spieler hatte noch bedenklich deutliche Narben aus den letzten Nibelungenkriegen und war demgemäß zweifellos benachteiligt. Man merkte dieses Handicap der ganzen Spielweise an. Die Aktionen waren recht häufig nur eine leise Andeutung dessen, was man könnte, wenn ... man nicht kurz zuvor in Worms gewesen wäre. Die Mannschaft spielte fast nur defensiv. Wenn sie aber in die Nähe des gegnerischen Tores vordrang, dann wohnte den Angriffen eine merkliche Gefährlichkeit inne. Die Mannschaft ist unbedingt fair, sehr fair sogar, und schnell. Technische Dinge werden von den einzelnen Spielern unterschiedlich vorgeführt. Schade, daß kein Selbstvertrauen aufkam. Die Partie wäre sicherlich weniger einseitig verlaufen. Gabriel ist sehr sicher. Stellungsfehler seiner beiden Vorderleute hatte er fünfmal büßen müssen. Die Stuttgarter Läuferreihe hat in Wieczoreck ihren besten Mann. Daß ihm Kellerhoff trotzdem sehr häufig durchging, ändert an dieser Einschätzung absolut nichts. Grau auf dem linken Läuferposten hatte eben in dem Eintracht-Rechtsaußen einen unvergleichlich schwächeren Flügelmann zu halten.

Das Treffen ergab die einseitige Ueberlegenheit des in guter Fahrt befindlichen Mainmeisters, der etwas ideenreicher spielte, als man gewohnheitsgemäß annehmen konnte. Das 5:0 bis 8 Minuten vor Schluß war durchaus gerechtfertigt. Dann bekam dieses Prunkresultat zwei kleine Schönheitsfleckchen. Die beiden Tore für Stuttgart, so wenig sie unvermeidbar waren, konnte man als gerechten Ausgleich für zwei Vorgänge betrachten, bei denen man eine andere Meinung als der Schiedsrichter hegen konnte. Einmal schlug Pfeiffer den Ball aus dem Tore, und man hatte von den entfernten Pressesitzen aus den Eindruck, als sei ein reguläres Tor ungewertet geblieben. Ganz zu Anfang wurde ein Handspiel Mantels im Strafraum unbestraft gelassen, von dem man nicht unbedingt annehmen mußte, daß es unabsichtlich war.

Damit soll nicht gesagt sein, daß der Leiter des Spieles, Herr Seyfferth vom VfR. Pirmasens, ein schlechter Schiedsrichter gewesen sei. Im Gegenteil. Man kann ihm mit bestem Gewissen bezeugen, daß er seine Aufgabe in überzeugendem Stile hinter sich brachte.

Eintracht kam bei unentwegt andauernder Ueberlegenheit durch Trumpler zum ersten Tor. Kellerhoff hatte dem Halbrechten zu einer famosen Schußgelegenheit verholfen. In der 19. Minute trat Mantel einen Strafstoß, den Ehmer mit einem zierlichen Hofknix an Gabriel vorbei ins Netz köpfte. Eine Minute nach der Pause fing der dem Ball nachsetzende Dietrich eine zu schwache Rückgabe Wieczorecks ab und erzielte den dritten Treffer. Ein Strafstoß Goldammers brachte den Ball zu dem leicht abseits stehenden Kellerhoff, dessen flache Flanke von Ehmer verwandelt wurde. Dann schloß Kellerhoff einen eigenen Vorstoß mit Torschuß ab. Acht Minuten vor Schluß endete ein lebhaftes Geplänkel vor dem Frankfurter Tor mit einem Treffer Kochs, und zwei Minuten später brachte ein Durchstoß Stadelmanns das Endergebnis von 5:2 Toren für Eintracht.      Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 18.02.1930)


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