FK Pirmasens - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1929/30 - 3. Spieltag

4:4 (1:3)

Termin: 19.01.1930
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Speidel (Stuttgart)
Torschützen: 0:1 Theodor Trumpler, 0:2 Karl Ehmer (20., Elfmeter), 0:3 Bernhard Kellerhoff, 1:3 Hartmann (37.), 2:3 Hartmann (51.), 3:3 Michel (60.), 3:4 Karl Ehmer, 4:4 Babo (80.)

 

>> Spielbericht <<

FK Pirmasens Eintracht Frankfurt

  • Schaub
  • Germans
  • Krautwurst
  • Weilhammer
  • Babo
  • Hartmann
  • Hergert
  • Michel
  • Fuhrmann

 


 

Trainer
Trainer

 

Eintrachts Punktverlust in Pirmasens

Pirmasens holt von 0:3 bis 4:4 auf - 10000 begeisterte Zuschauer tragen zum Erfolg bei - Ein herrlicher Endspurt

Unsere Prophezeiung, daß Pirmasens in der diesjährigen Meisterrunde die Rolle des punktesammelnden Home-Teams spielen würde, scheint sich zu bewahrheiten. Nach den Bayern mußte diesmal die Eintracht dulden, daß ihr nach dem Kampf gegen Fürth in frischen Siegesfarben leuchtendes Meisterkleid etwas gerupft wurde. Jetzt steht nur noch der Dritte der „Ganzgroßen", die Sp.Vg. Fürth aus und, beim Zeus, die Pirmasenser haben in keiner Weise vor, mit dieser berühmtesten der drei voraussichtlichen Spitzenmannschaften eine Ausnahme zu machen.

In Pirmasens wird gekämpft. Spielhärte, die erlaubt ist und ja auch sein soll, ist Trumpf. Der Eintracht aus Frankfurt liegt diese Kampfesweise, die ja auch das A und O der Punktspiele am Main ist, ebenfalls. So kam ein Spiel zwischen Männern zustande, an dem über 10000 Zuschauer ihre helle Freude hatten, eine Freude, die vorübergehend getrübt wurde, als Frankfurt mit einer gewissen Selbstverständlichkeit das Spiel auf 3:0 stellte, die aber in helle Begeisterung umschlug, als die Pirmasenser auf die Zähne bissen und Tor um Tor aufholten, bis die letzten Steine vom bedrängten Herzen fielen und Michel aus einem Gedränge aufatmend den Ausgleichstreffer an Trumpp vorbeischoß.

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Die letzte halbe Stunde der zweiten Halbzeit brachte eine Wiederholung des bisherigen Kampfes. Mit Tränen in den begeisterten Augen mußten die Zehntausend es erleben, wie Schaller, der rasante und famose Frankfurter Rechtsaußen, Torgelegenheit auf Torgelegenheit schuf und wie Ehmer die klarste davon unhalthar verwandelte. Dann wurde der Kampf grandios. Pirmasens läßt das Feuer seiner Begeisterung und seines Mutes hellauf brennen, Angriff auf Angriff. Die Eintracht steht einem unbekannten Phänomen gegenüber, wird nervös. Der Schiedsrichter muß Veranlassung nehmen, einen Strafstoß gegen Frankfurt zu verhängen. Zwar scheint dies keine Erfolgschance zu sein, denn die Entfernung bis zum Tor ist zu groß — 35 m. Aber Babo ist imstande, die Wünsche und das verzweifelte Sehnen von 11 Spielern und zehntausend Zuschauern auf seinen Schuß zu konzentrieren, nimmt Anlauf und dann schlägt das Geschoß über dem verdutzten Trumpp, dem keine Abwehrmöglichkeit blieb, ins Tor. Das war der zweite Ausgleich!

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Was nach diesem, mit tobendem Beifall und grenzenlosem Jubel — Männer gebärden sich wie Kinder — aufgenommenen Torerfolg folgte, war wieder das Spiegelbild des Spieles vorher. Aber in umgekehrter Beziehung. Vorher hatte Frankfurt beim Stand von 3:0 diesen Erfolg zu verteidigen, zu halten versucht, aber diesmal ging Pirmasens mit kurzem Entschluß in die Defensive. Mit mehr Aussichten, denn es fehlten nur noch 10 Minuten bis zum Endpfiff. Frankfurts Meister drängt beängstigend, den Zuschauern wird die kurze Zeitspanne zur Höllenewigkeit, aber einmal muß die Qual ein Ende nehmen. Speidel schaut permanent mit einem Auge auf die Uhr, aber es kann sich nur noch um Sekunden handeln. Und auch diese Sekunden nehmen ihr Ende, ein langer Pfiff verkündet, daß Pirmasens um einen Punkt reicher und die Eintracht um einen Punkt ärmer ist.

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Diese Rechnungsart, Gewinnpunkte zu zählen oder Verlustpunkte, scheidet die Teilnehmer an der Meisterrunde in zwei Lager. Auf Enderfolg haben wohl nur die Mannschaften Anspruch, die die zweite Zählweise pflegen, und das dürften nach altem Brauch die zwei bayerischen Klubs und die Eintracht sein. Alle anderen, ob sie jetzt Wormatia oder Waldhof, V.f.B. oder Freiburg heißen, werden nur auf Platz spielen, auf möglichst ehrenvolles Abschneiden. Darüber ist man sich auch in Pirmasens klar, wo man sich keinen Phantasien hingibt.

Pirmasens hat seine Mission jetzt schon erfüllt, es hat gezeigt, daß man die Vereine der Saargruppe nicht ohne weiteres zu den Akten legen soll, hat bewiesen, daß die Einschätzung unserer Spielstärke nach dem gewohnten Mißerfolg der Borussia und des F.V. Saarbrückens heute nicht mehr angebracht ist. Seit langen Jahren rechnet man wieder mit dem Saarmeister als ernstem Gegner, ja als mit dem Gegner, vor dem man ein leichtes Grauen empfindet, wenn es gilt, gegen ihn in Pirmasens anzutreten.

Das ist gegen die bisherige Auffassung vom Saarmeister ein Fortschritt, den man mit Worten kaum festlegen kann. Und im Saargebiet mit dem zu dieser Gruppe gehörenden Teil der Rheinpfalz erkennt man dies an.

Der Großteil der Vereine wird den Erfolg merken, wenn's im Sommer an die Verpflichtung süddeutscher Klassemannschaften geht.

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Die Eintracht machte einen ausgezeichneten Eindruck und gefiel weit besser als die Bayern. Körperlich sind diese Leute tadellos im Schwung und die Flügelstürmer mit ihrem unbändigen Drang aufs Tor gehören zum Besten vom Besten. Der neue, in Süddeutschland noch unbekannte Halbrechte Trumpler steht in der Mannschaft und im Innentrio als ob er von klein auf dazu gehört hätte. Das Innentrio ist energisch und auffallend schußfreudig, aber die Gesamtleistung der Außenstürmer Schaller und Kellerhoff überragt die der Innenleute um ein Bedeutendes.

Die Läuferreihe enttäuschte und konnte an die von Pirmasens nicht heran. Sie hat keine Variationen im Spiel, und Variationen im Dribbling machen noch keinen taktischen Schachzug aus. Die Läufer spielten technisch hochklassig und taktisch primitiv, absolut unbefriedigend.

Aber gegen Pfeifer und Schütz, die beiden Standardverteidiger, soll man nichts sagen, die beiden sind Extraklasse, raffiniert im Stellungsspiel, sicher im Schlag, mutig im Angriff und, wie die ganze Mannschaft, bereit, den letzten Blutstropfen für den Sieg herzugeben.

Trumpp im Tor war unsicher, aber an keinem der heutigen Tore hat er die Schuld, also auch nicht am Punktverlust.

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Die Stärke von Pirmasens lag diesmal, wie überhaupt immer, im Spiel der Läuferreihe. Weilhammer, der junge Mittelläufer, gab seinem berühmten Vis-a-vis Goldammer nichts nach, in der taktischen Auffassung der Spielnotwendigkeiten übertraf er ihn. Krautwurst machte mehr Deckungsfehler, als man ihm zugestehen darf. Nach der Läuferreihe gefiel heute wieder der Sturm, den Hergert fein führte und in dem Michel (allerdings zu langsam!) und Hartmann feine Verbinder waren. Diese drei Mann hatten die Schablone des Goldammerschen Spiels bald erkannt und wären sicher noch erfolgreicher gewesen, wenn sie die technische Reife der Eintrachtspieler gehabt hätten. Fuhrmann bekam wenig Gelegenheit zum Spielen, Babo hatte weit mehr Arbeit, seine Flanken sind ein Kapitel für sich.

Die Verteidigung, in der Germans intelligentes Spiel auffiel, überraschte nach der angenehmsten Seite hin. Schaub im Tor hielt haarsträubende Sachen, hielt sich aber bei den beiden ersten Frankfurter Treffern nicht ganz einwandfrei, er hätte beide halten müssen.

Schiedsrichter Speidel, Stuttgart, hätte eine gute Kritik verdient, wenn er kurz vor Schluß den Elfmeter gegen Eintracht gegeben hätte, der fällig war, weil Michel 4 m vor dem Tor in äußerst gefährlicher Weise gelegt wurde. Der Tatbestand war sehr klar, das Delikt schrie nach Sühne, aber Herr Speidel wollte offenbar das Spiel nicht durch einen Elfer entscheiden, ein Standpunkt, der gegen die klaren Regeln ist. Drum muß man feststellen, daß seine Spielleitung den Spielausgang entscheidend beeinflußt hat, also muß man seine Spielleitung tadeln.

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Pirmasens wollte den Gegner überrumpeln, aber der Druck der ersten Minuten brachte keinen Erfolg. Aber einer der ersten Angriffe Eintracht wurde von Trumpler mit gutem und erfolgreichem Schuß abgeschlossen. In der 20. Minute bringt ein berechtigter, aber überflüssiger Elfmeter, der nicht unhaltbar war, den zweiten Eintracht-Erfolg, und Kellerhoff erhöht bald darauf auf 3:0, so daß man mit klarer Niederlage rechnete. 8 Minuten vor der Pause holt Hartmann ein Tor auf, als Hergert sich schön durchspielte und ihm einen bildschönen Paß servierte. Nach der Pause will Eintracht das Resultat halten, dadurch kommt die Pirmasenser Mannschaft zu deutlicher Überlegenheit. Hartmann stellt nach guter Vorlage Hergerts das Spiel schon in der sechsten Minute auf 3:2 und in der 15. Minute zieht Michel gleich. 3:3. Frankfurt sieht die Felle davonschwimmen und stürmt wieder mit Elan. Ehmer sorgt nach Schallerflanke für 4:3 und 20 Minuten später fällt durch den schon erwähnten 35-m-Strafstoß Babos der vierte und letzte Treffer.

Man serviere uns den nächsten Gegner!      Pi. (aus dem 'Fußball' vom 21.01.1930)


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