Germania Bieber - Eintracht Frankfurt

Bezirksliga Main-Hessen 1929/30 - 1. Spieltag

2:2 (1:1)

Termin: 25.08.1929
Zuschauer: 3.000
Schiedsrichter: Dölker (Stuttgart)
Torschützen: 0:1 Bernhard Leis (12.), 1:1 Dochtermann, 2:1 (Elfmeter), 2:2 Bernhard Kellerhoff (85.)

 

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Germania Bieber Eintracht Frankfurt

  • Winter
  • Dochtermann

 


 

Trainer
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Frankfurter Echo

Germania Bieber — Eintracht Frankfurt 2:2.

Bereits der erste Verbandsspiel-Sonntag brachte in der Gruppe Main einige Ueberraschungen, deren größte vielleicht der Punktverlust der Eintracht in Bieber ist. In einem zähen und erbitterten Ringen haben die Germanen dem Mainmeister, genau wie im Vorjahre, einen Punkt abgetrotzt, mit etwas Glück und Aufmerksamkeit hätte es tatsächlich zu zweien gereicht: das Ausgleichstor fiel wenige Minuten vor Schluß. Heilfroh durfte die Eintracht sein, daß es gerade noch so klappte, nach Lage der Sache war allgemein mit einem 2:1-Sieg der Germanen gerechnet worden.

Ich sprach von Ueberraschung. Handelt es sich denn hierbei tatsächlich um eine solche? Die Frage muß bejaht werden, wenn man sich an die Papierform der Mannschaften hält und die Ergebnisse der letzten Spiele beider Gegner vor Augen führt. Keine Ueberraschung ist aber das Ergebnis für den, der die Bieberer Elf genauer kennt und weiß, welch ungeheurer Eifer und Ehrgeiz die Mannschaft beseelt, jeweils dann, wenn zu den Punktekämpfen geblasen wird. Hier wird alle Energie entfaltet, gespielt und — was die Hauptsache ist — gekämpf, und das bis zur letzten Minute. Diese Eigenschaften sind für Bieber typisch, was heute wieder treffend unter Beweis gestellt wurde.

Warum büßte Eintracht einen Punkt ein? Ich hatte den Eindruck, als nähme man den Gegner zu leicht und werde hierin besonders gestärkt, wenn ich mir die erste Hälfte vergegenwärtige. In dieser Periode war das Eintrachtspiel darauf zugeschnitten, durch rasche Kombination den Gegner unbedingt zu zermürben, man hatte aber nicht damit gerechnet, daß nach der Pause das Erwartete nicht eintreten könnte. Bieber hielt Stand. Speziell in der ersten Hälfte hatte die Eintracht auch im gegnerischen Strafraum glatt die Oberhand (in der zweiten waren die roten Adler wohl noch feldüberlegener, wurden aber im Strafraum förmlich abgeriegelt) und hätte hier den Sieg nicht nur sicherstellen können, sondern sogar müssen. Warum tat sie es nicht? Da fehlte immer ein Stürmer, der scheinbar glaubte, sich in der Läuferreihe nützlicher machen zu können: Dietrich war im entscheidenden Moment auf halblinks nie zur Stelle. Ehmer spielte recht verhalten und ängstlich, Leiß auf halbrechts hingegen zu langsam. Und so tänzelte man denn mit dem Leder hierhin, dorthin, bis letzten Endes ein Bieberer immer wieder dazwischenfuhr. Als sich dann Eintracht auf sich selbst besann, führte Germania mit 2:1 Toren; es war Zeit, daß Schütz einige Minuten später in den Sturm ging und den nötigen Schwung in diesen brachte. Erfolg: der Ausgleich!

Es ist wohl überflüssig, besonders zu betonen, daß die Frankfurter in technischer Beziehung um Klassen besser als der Gegner waren; Mantel, Pfeiffer, Schütz und Kellerhoff gaben vor der Pause manches Kabinettstückchen zum besten (wenn man damit nur Tore erzielen könnte!); bedeutend rascher und eifriger war aber Bieber, dessen moralischer Sieg — um einen solchen handelt es sich doch zweifellos — als Sieg der Natur über Kultur oder Kraft über Technik bezeichnet werden kann.

Ansonsten wäre noch zu sagen, daß das Spiel recht hart durchgeführt wurde, teils dem Uebereifer zuzuschreiben, teils dem ganz natürlichen Bestreben, um jeden Preis siegen zu wollen. Dafür ist Fußball eben ein Kampfspiel. Dölker aus Stuttgart war gut bei der Sache und gab den Kampf keine Minute aus der Hand. — Die Sache mit den vier Toren: Nach zwölf Minuten Spieldauer bereitet Ehmer den ersten Erfolg vor, Leiß braucht nur noch einzulenken. Noch vor der Pause bringt Dochtermanns Schuß den Ausgleich. Nach der Pause naht das Verhängnis: bei der Abwehr eines an sich recht zahmen Balles mißverstehen sich Pfeiffer und Schüler, der Ersatzhüter, so gewaltig, daß Biebers Führungstreffer fertig ist. Schütz geht als Mittelstürmer vor, Angriff auf Angriff rollt gegen das Germanentor, wo Winter prächtig wehrt. Schon glaubt man an eine Niederlage der Riederwälder, da setzt sich fünf Minuten vor dem Abpfiff Kellerhoff, ungedeckt, den Ball wie im Training zurecht, ein blitzsauberer Schuß — das Leder flitzt in die Maschen, der Punkt nach Frankfurt!

Mit der Kritik darf ich mich kurz fassen: Wie bereits erwähnt, war der Eintrachtsturm, besonders das Innentrio, nicht auf der Höhe, auch Goldammer und zeitweise Kübert (Zuspiel) ließen Wünsche offen. Sauber arbeiteten dagegen Mantel, Schütz und Pfeiffer, auch der Hüter zeigte sich von bester Seite. — Die Bieberer Mannschaft mag sich mit einem Gesamtlob zufrieden geben, hier möchte ich nicht einen dem anderen vorziehen mit einer Ausnahme: Winter, der ausgezeichnet das Tor hütete. Erwähnen möchte ich lediglich ganz kurz, daß mich der frühere Nürnberger Arbeitersportler Dochtermann ganz gewaltig enttäuschte, in Anbetracht der riesigen Reklame, die für ihn gemacht wurde.

Beiläufig 3000 Zuschauer wohnten dem Treffen bei, eine für Bieberer Verhältnisse recht stattliche Zahl. Wer wird es ihnen verübeln, wenn sie von außen, je nach Vereinszugehörigkeit, tüchtig mitspielten? Im Grunde genommen waren sie doch ganz zahm. Mächtig freuten sich aber alle Bieberer, das konnte man den Gesichtern ablesen, über den Erfolg „ihrer" Elf, zumal da es gegen den Mainmeister ging! Wir gönnen ihnen diese Freude, denn andererseits war der Eintracht-Anhang ebenso froh, wenigstens noch einen Punkt gerettet zu haben.      Ella. (aus dem 'Kicker' vom 27.08.1929)



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