Eintracht Frankfurt - West
Ham United |
Freundschaftsspiel 1927/28
1:2
Termin: 09.05.1928 im Stadion
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Weingärtner (Offenbach)
Tore: H. Kissinger
Eintracht Frankfurt | West Ham United |
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Trainer | Trainer |
West Ham United in Süddeutschland Gegen Eintracht Frankfurt 2:1 Mag der finanzielle Erfolg dieses Engländerspiels für die Frankfurter Eintracht zweifelhaft sein, der sportliche war unbestreitbar umso größer. War ja der Beweis zu erbringen, daß wir in Deutschland nie und nimmer auf die äußerst lehrreichen Spiele mit englischen Berufsspielermannschaften verzichten können, am Mittwoch abend ist er im Frankfurter Stadion vor etwa 10.000 Zuschauern mit überzeugender Deutlichkeit erbracht worden. Schade, jammerschade, daß die Herren Hädicke, Jersch und confrares nicht zugegen waren, sie hätten aus eigener Wahrnehmung feststellen können, daß deutsche Amateurmannschaften im Kampf mit englischen Profiteams spielerisch ungeheuer profitieren können, ohne hierbei ethisch oder moralisch unter die Räder zu kommen. West Ham United trat in Frankfurt mit einer Elf an, für die der von Mr. E. S. King ganz vorzüglich geleitete Club seinerzeit Lstr. 1500,— aufgewendet hatte. Heute hat er aus den zumeist noch recht jungen Leute so tüchtige Fußball-Artisten gemacht, daß er bereits Angebote von Konkurrenzvereinen für jeden einzelnen Mann von insgesamt Lstr. 25.000,— erhalten hat. Auf den Torwächter Hufton spannen allein 5 Clubs, aber selbst ein Angebot von Lstr. 7000,— hat bei dem nüchternen Direktorium nicht verfangen können. Die „Hammers" sind Fußball-Artisten, die die Balltechnik in allen Feinheiten verstehen. Wunderbar, dieses hyperfeine Ballgefühl, die in die Augen stechende Ballkontrolle. Mehr aber noch stützt sich die Mannschaft auf taktische Klügeleien, die bis dato in Deutschland zwar nicht unbekannt sind, jedoch in praxi gesehen wurden. Das Geheimnis des West Ham Teams besteht in seiner Theorie der ,,Oekonomie der physischen Kraft." Kein unnützer Schritt, keine Körperwendung, auf die verzichtet werden kann. Dafür Stellungsspiel, immer und nur Stellungsspiel mit genauesten passings, meistens sogar ohne vorhergegangenes Stoppen des Balles. „German players are allways in motion", sagte Mr. Davis mit fast verächtlichem Tone. So kam es auch, daß die Engländer mit Gewißheit darauf rechneten, daß die Eintrachtspieler allein auf Grund des bis zur Pause geleisteten Laufpensums völlig ausgepumpt sein mußten. Umsogrößer war dann ihre rückhaltlos ausgesprochene Bewunderung, daß der erwartete Zusammenbruch, der nach der Pause den Weg für ein 4:1 oder 5:1 der Engländer frei machen sollte, ausblieb und die Energie und Frische der Eintrachtleute bis zum Schlußpfiff ungemindert anhielt. Dabei hätten die „Hammers" nach ihrem eigenen Geständnis so herzlich gerne ein paar Tore mehr herausgeholt. Man kommt in Verlegenheit, wenn man die Spielweise West Hams in irgend einer „Schule" rubrizieren soll. Das ist nicht schottisches System, dafür ist die Ballabgabe zu selten engmaschig, nicht immer flach genug. Das ist aber noch weniger die Arbeitsmethode romanischer Teams, die würde die oben erwähnte „Oekonomie des Körpers" sehr bald zu Fall gebracht haben. Vielleicht darf ich einmal das Wort „Intuition der Zweckmäßigkeit" hinhauchen und dabei dem Leser vertrauen, daß er sich das Richtige vorzustellen in der Lage ist. Die Engländer hatten in dem rechten Läufer Collins ihren besten Mann. Bezeichnender Weise war er vielleicht die unauffälligste Erscheinung auf dem Platze. Er bildete mit Barrett und Cadwell eine eiserne Läuferreihe. Im Sturme fiel der Linksaußen Ruffell auf, der mit Recht als größter Könner annonciert war. Ist von dem übrigen Sturme die Rede, dann soll gleich das Manko dieses Spieles erwähnt werden. Das einzige wohl, das dieser Musterveranstaltung anhaftete. Dieser Sturm schoß so wenig, daß Trumpp im Eintrachttor weniger in Aktion trat, als sein berühmter Antipode Hufton, 110 Meter vis-àvis von ihm. Aber die Engländer können schon schießen, einige kleine Kostproben berechtigen zu dieser Vermutung. War es ihre Schuld, daß der geradezu blendend disponierte Schütz und sein treuer Adjunkt Kirchheim ihnen so selten Schußgelegenheit gewährten? A. Earle und Norrington verteidigten mit der eisigen Ruhe englischer Standardbacks. Vorzüglich ihr Kopfspiel, unvergeßlich die flachen Stirnbälle Norringtons an seine etwa 30 Meter vor ihm stehenden Stürmer. Daß Hufton nicht zu Unrecht als großes Torwächtertalent gefeiert wird, bewies gleich seine erste Parade, bei der er einen Scharfschuß Schallers aus 5 Meter Entfernung mit der Stirne abwehrte. Und nun zur Eintracht. Sie übertraf sich selbst in allen Mannschaftsteilen und spielte das Spiel ihres Lebens, das sie mit etwas Glück sogar hätte gewinnen können. Wohl eine Spur von Lampenfieber in einigen entscheidenden Augenblicken. Von dem wirklich ganz hervorragenden Schütz war schon die Rede. Nach ihm muß Döpfer, der Halbrechte, erwähnt werden, der im Begriffe steht Eintrachts bester Srürmer zu werden. Zweifellos hat er die beste Ballführung und fürchtet auch einen Nahkampf nicht. Auch die übrigen Stürmer hatten, jeder auf seine Art, ihre anerkennenswerten Verdienste. In der Läuferreihe erregte die Deckungsarbeit Küberts und die Genauigkeit seines Zuspiels gleich große Bewunderung. Goldammer und Kübert bildeten mit ihm eine äußerst stabile und agile Läuferreihe. Auch Trumpp setzte mit gewohnter Bravour ein. „Der Prophet gilt im eigenen Lande nicht." Der Leser wird gemerkt haben, daß nun von dem Spielleiter die Rede sein soll. Den Engländern gefiel Herr Weingärtner (Offenbach) so uneingeschränkt gut, daß sie ihn ohne weiteres für befähigt erklärten, ein Schluß-Spiel um den englischen Pokal zu leiten, und ihn den besten Pfeifenmännern ihres Landes gleichsetzten. Unter den deutschen Augenzeugen waren viele, die ihm einige verzeihliche Schnitzer durch Johlen ankreideten. Chacun à son aise! „Schweig und trag es", war die Parole der Engländer, und sie war auf alle Fälle sportgerechter. Eintrachts Vereinsleitung und Mannschaft hat eine neue Großtat vollbracht, auf die sie stolz sein darf. Für solche Propagandaspiele ist Frankfurter Fußballwelt jederzeit empfänglich. Ludwig Isenburger. (aus dem 'Kicker' vom 15.05.1928)
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