Bayern München - Eintracht Frankfurt

Süddeutsche Meisterschaft 1927/28 - 8. Spiel

2:2 (1:2)

Termin: 11.03.1928
Zuschauer: 25.000
Schiedsrichter: Speidel (Stuttgart)
Tore: 0:1 H. Kissinger (5.), 0:2 Fritz Schaller (7.), 1:2 Welker, 2:2 Haringer

 

>> Spielbericht <<

Bayern München Eintracht Frankfurt

  • Bernstein
  • Schmid I
  • Kutterer
  • Hofmeister
  • Goldbrunner
  • Naglschmitz
  • Welker
  • Haringer
  • Pöttinger
  • Schmid II
  • Hofmann

 


 

Trainer
Trainer

 

 

Bayern München 2, Eintracht Frankfurt 2

Der Kampf um die Tabellenspitze! Kampf war es, härtester Kampf, der sich auf den Giesinger Höhen vor über 20.000 Zuschauern abspielte. Die Nacht über und den ganzen Sonntag schneite es, so daß der Platz mit ca. 15 Zentimeter nassen, klebrigen Schnee überzogen war, der an die Spieler die höchsten körperlichen Anforderungen stellte. Wer selbst gespielt hat, weiß, wie unendlich schwer die Beine bei solchen Bodenverhältnissen gegen Ende der Spielzeit werden.

Zu Beginn des Spieles erwiesen die Frankfurter dem erstmals wieder spielenden Pöttinger durch Ueberreichung von Blumen eine nette Aufmerksamkeit, wogegen Aufmerksamkeiten, die sich die Spieler im Verlauf des Treffens anhingen, nicht immer gerade nett waren. Der Prozentsatz der Verletzten war unverhältnismäßig groß. Kübert und Schaller waren die Leidtragenden bei Eintracht, und die Bayern hatten Hofmeister und Welker zu betrauern, so daß, mit Ausnahme der ersten Minuten nie 22 Spieler zur Verfügung standen.

Wie so oft, fielen die Tore in der Hauptsache aus Situationen, bei welchen sie nie fallen durften. So waren die beiden Frankfurter Erfolge absolut vermeidbar. Nr. 1: Kutterer spielt zu Bernstein zurück, der Ball bremst im Schnee, und bis Bernstein die Sache erfaßt hatte, war Kissinger dazwischengespurtet, und der Ball saß im Netz. Zwei Minuten später geht Schaller durch, wird von Kutterer knapp vor dem Tore gestoppt, beide kommen zu Fall, und statt daß Bernstein die Gelegenheit klärt, wartet er, bis sich Schaller erhebt und in die Ecke einlenkt. Solche Tore sind für jede Mannschaft, die sie hinnehmen muß, wenig rühmlich. So stand das Spiel nach kaum sieben Minuten 2:0 für Eintracht die daraufhin natürlich munter wurde und den Bayern das Aufholen des Vorsprunges unter allen Umständen unmöglich machen wollte. Unterstützt wurden die Gäste durch die geradezu glänzende Arbeit ihres Tormannes Trumpp, der einfach alles hielt, und dem Schußpech der Bayern, das einfach nicht zuließ, daß die zeitweise drückende Ueberlegenheit der Hausherren ziffernmäßig zum Ausdruck kam. Und als schließlich Trumpp einen Pöttingerschuß nicht mehr erreichen konnte, knallte der Ball an die Latte — Da kann man eben nichts machen! —

Endlich, kurz vor der Pause brachte die vierte Ecke der Bayern eine Aenderung. Von Welker sauber getreten, kam der Ball in einen Knäuel von Spielern, wo ihn einer der Rothosen ins Tor lenkte. Wer es war, und wie das Objekt in die Maschen gelangte, war beim besten Willen nicht einwandfrei festzustellen. Aber es erfolgte ein Anstoß, ergo hatte die Sache diesmal geklappt. Nach der Pause mußten die Bayern fast ausschließlich mit 10 Mann kämpfen, wie vor dem Wechsel die Gäste einen Spieler in der Kabine hatten. Der Ausgleich erfolgte insoferne auf tragische Art, als Trumpp ein einziges Mal den Ball verfehlte, den Haringer dann mühelos einlenkte.

Schön war das Spiel sicher nicht, dazu wurde viel zu hart gekämpft. Es war reiner Kampf um den Erfolg, mit vollem Einsatz des Körpers, wobei die Mittel nicht immer gerade sorgfältig ausgewählt wurden. Es wäre doch zweckmäßig gewesen, wenn der Schiedsrichter Speidel (Stuttgart) etwas härter zugegriffen hätte. Speidel hatte bei diesem Spiel keine glückliche Hand. In der ersten Halbzeit konnte man es den Frankfurtern nachfühlen, daß sie sich durch verschiedene Entscheidungen des Schiedsrichters benachteiligt fühlten, während nach dem Wechsel beide Mannschaften darunter zu leiden hatten. Daß der Schiedsrichter sich redlich bemühte, das Richtige zu treffen, bezweifle ich nicht, aber er hatte diesmal einen schwarzen Tag.

Die Mannschaften spielten: Bayern: Bernstein — Schmidt I, Kutterer — Hofmeister, Goldbrunner Nagelschmitz — Welker, Haringer, Pöttinger, Schmidt II, Hofmann. Eintracht: Trumpp — Schütz, Kirchheim — Kübert, Goldammer, Maurischat — Schaller, Döpfer, Dietrich, Kissinger, Kellerhoff.

Die Frankfurter Eintracht hat sich in dem letzten Jahre bedeutend verbessert, und man kann nach dem heute Gezeigten das gute Abschneiden gegen die Kleeblättler wohl verstehen. Besonders wenn der Tormann Trumpp immer so arbeitet wie gegen Bayern. Er übertraf sich selbst.. Gut auch die Verteidiger, von denen mir Schütz besser gefallen konnte als Kirchheim. In der Läuferreihe überragte der Mittelläufer Goldammer. Kübert war durch eine Verletzung behindert und Maurischat suchte durch erhöhten Einsatz seines Körpers verschiedene Mängel zu überbrücken. Am wenigsten konnte der Angriff imponieren. Am besten der Linksaußen Kellerhoff, Dietrich hing auffallend weit zurück, war mehr in der Läuferreihe, wodurch der Zusammenhang der vorderen Reihe oft gestört wurde. Eintrachts Hauptstärke ist die große Härte, die sie stets zu einem gefährlichen Gegner stempelt. Das Zuspiel ist nicht genau genug und erfolgt meist halbhoch. Schnelligkeit und Ausdauer vervollständigen die nennenswerten Eigenschaften der Eintrachtelf.

Bei den Bayern interessiert in erster Linie das Neuauftreten von Pöttinger. Er führte den Sturm fürs erste sehr gut, wenn er sich auch persönlich eine begreifliche Reserve auferlegte. Am erfolgreichsten kämpfte wieder Schmidt II, wogegen Hofmann nicht recht durchdringen konnte. Haringer fand sich auf halbrechts sehr ansprechend zurecht, doch fehlt ihm noch die Praxis großer Spiele, sonst hätte er heute seinem Verein den Sieg sichern können und müssen. Welker bis zu seiner Verletzung gut. In der Bayerndeckung war Nagelschmitz ohne Tadel, Goldbrunner wird von Spiel zu Spiel besser und auch Hofmeister befindet sich in guter Form. In der Verteidigung lieferte Schmidt ein sehr gutes Spiel, wogegen Kutterer durch sein anfängliches Mißgeschick deprimiert war, nach der Pause durch eine Parade auf der Torlinie aber ein sicheres Tor für die Frankfurter verhinderte, womit er sein inneres Gleichgewicht wieder herstellte und von da ab der alte wurde. Bernstein hatte gute und schwache Momente, welch letztere den Frankfurtern sehr zu statten kamen, da sie sonst keine zwei Tore erzielt hätten.      Kraus.

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Joseph Kirmaier schreibt:

Also, die erwartete Entscheidung in der Runde der Meister ist ausgeblieben. Aber dennoch hat uns das Spiel Bayern gegen Eintracht sehr viel gezeigt und nicht zuletzt einen Weg gewiesen, der uns ein interessantes Urteil über den vermutlichen Ausgang des süddeutschen Championats ermöglicht. Auf Grund der heute gezeigten Leistungen ist Bayern die beste Mannschaft des Verbandsgebietes und Eintracht der berufene Anwärter auf den zweiten Platz. Weder die SpVgg. Fürth noch irgendein anderer Mitbewerber reicht augenblicklich an die Klasse der beiden Vereine heran. Bayern hat gegenüber Fürth durch das Wiedereintreten Pöttingers alle Vorzüge und Eintracht ist viel beweglicher und durchschlagskräftiger wie die Kleeblättler.

Etwa 25.000 Zuschauer kamen bei einem Hundewetter in das Stadion an der Grünwalderstraße. München ist also wirklich eine Fußballstadt geworden. Kopf an Kopf staute sich in dem mächtigen Viereck. Es war ein wundervoller Anblick, diese Menschenmassen eineinhalb Stunden beim Schneegestöber als würdigen Rahmen zu einem großen Kampf zu sehen. Und wie diese Leute mitlebten! Jede Phase verfolgten sie mit gespannter Aufmerksamkeit. Jede Gelegenheit, die Bayern anzuspornen, nützten diese Menschenberge aus. In der Tat, die Rothosen haben sich in die Herzen der Münchner Fußballgemeinde hineingespielt. Eintracht hatte da nichts zu lachen. Die Frankfurter mußten nicht nur gegen die beste Bayernmannschaft, sondern auch gegen 25.000 Zuschauer ankämpfen, die sich nur ganz selten bequemten, auch dem Gast eine Anerkennung zu zollen.

Die Meinungen über das 2:2 gehen natürlich weit auseinander. Der Anhang von Bayern spricht von einem ausgesprochenen Pech, die Frankfurter beanspruchen unter normalen Umständen einen knappen Sieg für sich. Nun, ziehen wir den Mittelweg, dann bleibt das Unentschieden bestehen. Alles in allem war es auch das gerechteste Ergebnis, weil doch jede Mannschaft gewinnen konnte. Die Bayern hatten es natürlich in der Hand, hauptsächlich vor der Pause die Partie für sich zu entscheiden. Aber Eintracht konnte in der zweiten Hälfte zwei bis drei ganz klare Tore erzielen und damit beide Punkte totsicher an sich reißen. Nach den technischen Feinheiten gemessen, war Bayern die absolut bessere Elf. Selbst auf dem schweren Boden wurde der Ball meisterhaft beherrscht. Doch Eintracht ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Die Elf ist kolossal schnell, sie strebt auf denkbar kürzestem Wege zum Erfolge, sie kann kämpfen, sie ist taktisch jeder Mannschaft von Klasse mindestens ebenbürtig. Ein großer Teil des Münchner Publikums war mit der harten Kampfesmethode der Frankfurter nicht einverstanden und protestierte bei jeder Gelegenheit laut und deutlich dagegen. Diese Leute haben keine Ahnung, daß es hier um eine Meisterschaft ging, daß Fußball ein wirkliches Kampfspiel ist. Eintracht repräsentiert den kernigen, unverbrauchten Typ. Ob die Elf auf lange Sicht dieses nervenaufreibende System durchhält, das steht auf einem anderen Blatt. Man darf nämlich nicht vergessen, daß jeder Frankfurter Spieler mindestens die Hälfte mehr gelaufen ist wie die Bayern, denn die fehlende Technik und Kombination muß doch auf irgendeine Weise ausgeglichen werden!

Der Posten eines Torhüters ist schwer, aber unter Umständen auch sehr dankbar. Besonders dann, wenn man so gut ist wie Trumpp von der Eintracht und so viel verdientes Glück auf seiner Seite hat. Trumpp hielt die unglaublichsten Bälle, er war mitunter ein förmlicher Parterreakrobat, der wie ein fliegender Mensch dem Ball entgegenschwebte. Vor ihm standen in Schütz und Kirchheim zwei Verteidiger, die vom Fußball so viel verstehen, daß sie nie in Verlegenheit kommen. Und in der Deckung überragte der „lange" Goldammer, der uns bewies, was ein menschlicher Organismus in eineinhalb Stunden an Arbeit leisten kann. Auf dem linken Flügel der Angriffsreihe strahlte ein kommender Stern - Kellerhoff. Bei ihm klebt das Leder stets am Fuß; wenn er angreift, ist die Geschichte für den Gegner immer kritisch. Leider war Schaller wegen Verletzung von der Mitte der ersten Hälfte an ausgeschaltet. Wie wunderbar ist es doch, wenn eine Elf über zwei glänzende Flügelstürmer verfügt!

Pöttinger führte nun endlich wieder das Quintett der Bayern. Trotz der langen Pause nahezu in alter Meisterschaft. Talent ist eben Talent. Wie er die Flügel bediente, dem Nebenmann zu Torchancen verhalf, den Gegner im Bruchteil einer Sekunde durch eine einzige Bewegung schachmatt setzte, das, mein lieber Leser, macht ihm keiner nach. Freuen wir uns, daß Pöttinger wieder als Aktiver in der Fußballarena steht. Hofmann am linken Flügel zeigte oft und oft seine internationalen Fähigkeiten und sein Schußpech. Schmid II ist die ideale Verbindung von der Mitte nach links. Haringer wird immer mehr ein Stürmer von Format und Welker ist es schon längst. Naglschmitz ist wieder der Flügelläufer, der in keiner Nationalmannschaft vermißt werden kann. Goldbrunners Fleiß in Ehren, Hofmeister müßte doch bald ersetzt werden. Das Schlußtrio zeigte Licht und Schatten. Schmid I war diesmal das Licht, Kutterer in den ersten zehn Minuten — die Eintracht zwei Tore brachten — der Schatten. Bernstein ließ eindrucksvollen Paraden sehr unsichere Abwehraktionen folgen. Aber, nehmt nur immer alles in allem: Bayern ist schon eine Elf, die geschlagen sein will und die unter normalen Verhältnissen in Süddeutschland wohl kein Gegner schlagen kann.

Zu einem großen Kampf gehört natürlich auch ein großer Leiter. Deshalb hat man Speidel (Stuttgart) nach München beordert. Doch ihm erging es wie jenem Bühnenstar, der eine besonders glänzende Partie singen wollte, die ihm dann mißglückte, weil er jede Kleinigkeit beachtete, anstatt die große Linie zu wahren. Auch Speidel sah in den Nebensächlichkeiten sein Steckenpferd, um dann die wichtigen Momente falsch zu beurteilen. Wer jedoch in der Tat so viel von seinem Metier versteht wie der brave Stuttgarter Pfeifenmann, dem verzeiht mau auch ausnahmsweise einen sogenannten „schwarzen" Tag, zumal dann, wenn das Spiel 2:2 endet und jede Mannschaft mit dem sauer verdienten Punktgewinn zufrieden ist ...      Sepp Kirmaier. (aus dem 'Kicker' vom 13.03.1928)

 

 

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