Stuttgarter Kickers - Eintracht
Frankfurt |
Süddeutsche Meisterschaft 1927/28 - 2. Spiel
1:1 (1:1)
Termin: 08.01.1928
Zuschauer: 9.000
Schiedsrichter: Gröschel (Fürth)
Tore: 0:1 H. Kissinger (12.), 1:1 Maneval
Stuttgarter Kickers | Eintracht Frankfurt |
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Trainer
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Stuttgarter Kickers 1, Eintracht Frankfurt 1 Im vorigen Jahre verfolgte die Kickersmannschaft vielfach Pech; in diesem Jahre steht ihr Fortuna um so ausdauernder zur Seite, wenn man von dem durch unglückliche Handelfmeter entschiedenen Spiel in Worms am Neujahrstag absieht. Die Begegnungen der Meister vom Main und Württemberg waren in früheren Jahren eine sichere Sache des alten Südkreises. Aber schon mit dem Fußballsportverein als mehrjähriger Frankfurter Meister wurde dieses Uebergewicht der führenden Mannschaften ausgeglichen und die Eintracht scheint gleichfalls berufen, dem Mainbezirk Gleichberechtigung und Geltung im „Konzert der Meister" zu verschaffen. Dieser Eindruck basiert nicht allein auf den hier gezeigten Leistungen, sondern muß auch als zusammengefaßte Meinung von der ganzen spielerischen Entwicklung der Eintracht in dieser Saison empfunden werden. Denn solche Torzahlen und Siege kommen nicht von ungefähr und die junge und sehr bewegliche Mannschaft scheint noch nicht auf dem Höhepunkt ihres Könnens angelangt zu sein. Dabei darf eine einzelne Niederlage, wie die gegen Bayern München, nicht gleich wieder als Maßstab eines etwaigen Abfallens angesehen werden. Sondern sie ist die notgedrungene Unterbrechung einer Aufwärtsbewegung einer erst in der Entwicklung befindlichen Mannschaft. Die Stuttgarter zeigten sich als sehr objektiv und kargten nicht mit Beifall, als die Frankfurter in einer kaum erwarteten überlegnen Spielweise die Kickersmannschaft für lange Zeit in ihre Spielhälfte zurückdrängten. Von 1 Uhr ab kletterten vollgepfropfte Trambahnwagen die Weinsteige hinauf und entluden Tausende, trotz des Doppelspiels, das unglücklicherweise gleichzeitig auf dem Wasen zwischen VfB. und Phönix Karlsruhe angesetzt war. Etwa 9000 Zuschauer mögen es gewesen sein, als die Reservemannschaften von Kickers und Eintracht, die sich mit einem 7:2 für Stuttgart trennten, vom Spielfeld abtraten. Ein hohes Baugerüst hinter den Stehplätzen zeigte an, daß der Kickersplatz in den nächsten Wochen gewaltig ausgebaut werden soll; etwa 1700 weitere überdachte Sitzplätze will man für die bequemere Unterbringung der Zuschauermassen schaffen. Der Boden war bei leichten Regenfällen etwas glitschig, Verhältnisse, die den körperlich wendigeren Eintrachtleuten dann nachher auch zu statten kommen sollten. Der Spielverlauf gestaltete sich gerade umgekehrt, wie man es von der heimischen Mannschaft eigentlich erwartet hatte: Man glaubte, die Kickersmannschaft bei diesem für sie sonst geeigneten Terrain mit ihrer raumgreifenden Spielweise in Front zu sehen und erfuhr eine gewaltige Enttäuschung, als die Eintrachtmannschaft diesen Umstand für sich günstig gestaltete und ausgerechnet die Spielweise vorführte, für die man sonst die Kickers so besonders prädestiniert hielt. Alle Anerkennung vor diesem Meister vom Main, der seine Würdigkeit sehr überzeugend unter Beweis stellte und nur nicht entsprechend das Verhältnis des Spielverlaufs zum Ausdruck zu bringen vermochte. Daß dieser Sturm mit drei solch gefährlichen Leuten wie Schaller, Dietrich und Kellerhoff nicht mehr Tore zu schießen in der Lage war, war kein Pech, sondern die Auswirkung eines Zuviel an Uneigennützigkeit vor dem Tor, die Schüsse nur selten und dann aus zu weiter Entfernung abgeben ließ. Allerdings war Haarer im Kickerstor in hervorragender Verfassung, in der man diesen Hüter immer antrifft, wenn für seine Beschäftigung Sorge getragen ist. Aber bei einer solchen souverän das Spiel beherrschenden Läuferreihe wie der der Frankfurter, sollte ein Sturm fast automatisch zu Toren kommen. Goldammer bot eine ganz große Leistung als Mittelläufer; er hielt den Kickerssturm in Schach und fand noch genügend Zeit zu famosen Vorlagen. Was die Eintrachtläufer von denen der Kickers unterschied, war die Ueberlegenheit im Abfangen sämtlicher Abstöße vom Kickerstor, von denen man selten einen zum Sturm der Blauweißen gelangen sah. Der Verteidigung der Eintracht liegt das forsche Angriffsspiel ungemein, zumal es erfolgreicher ist als etwa die Taktik, den Gegner lediglich zu stören. Vor allem verfügt jeder einzelne Mann über ein glänzendes Kopfspiel, das allein schon viele Nahkämpfe erfolgreich entschied. Im Verhältnis zu der geringen Beschäftigung des Torhüters Trumpp kann man dessen Können nicht kritisieren; der ihm aus den Händen geglittene scharfe Schuß von Maneval war haltbar. Die Eintrachtmannschaft war nicht komplett, da der Mittelstürmer Ehmer gesperrt war und Egly in letzter Stunde durch Kirchheim ersetzt werden mußte. Kirchheim und Kissinger, der ehemalige Nürnberger, führten sich aber gar nicht als Ersatzleute auf, beide waren sehr wertvolle Stützen Frankfurts. Auch die Kickers hatten Aufstellungssorgen, da Nagel und Lieb seit dem Böckinger Spiel durch Verletzungen ferngehalten sind. Warum man bei diesem Boden den ursprünglich vorgesehenen Flügelstiirmer Walter Müller wieder zurückzog und dafür Baier, der außer einem kräftigen Schuß nicht viel Ligafähigkeit mitbringt, einsetzte, war nicht recht erklärlich. An seiner Langsamkeit schien sich auch Gimpel ein Beispiel zu nehmen, denn der sonst gefährliche Sturmführer war diesmal alles andere denn verderbenbringend. Kam einmal ein Ball zu ihm, wenn er frei stand, so konnte man sicher sein, daß er es mit einem Retourpaß versuchte, der dann bei dem aufmerksamen Gegner landete. Auch Wunderlich lief nicht zu seiner sonstigen Form auf; allerdings dürfte ihm selten ein Bewacher wie der linke Frankfurter Läufer Müller gegenüber zu stehen kommen. Maneval, der ursprünglich als Linksaußen gedacht war, mußte bald den ungefährlichen Baier ablösen und kam dann auch zu seinen Situationen, die immer für den Gegner brenzlig werden. In dieser unzusammenhängenden Stürmerreihe vom Sonntag fand sich auch Grünfeld nicht zurecht; kurz es haperte an allen Ecken und Enden. Die Läuferreihe war immer eifrig, aber zeitweise zu sehr defensiv; in diese Lücken hieb Eintracht ein und schuf sich so das Uebergewicht im Feldspiel. Kurz war zum Glück dritter Verteidiger, was bei den ständigen Eintrachtangriffen und der eigenen Unsicherheit notwendig war. Erst allmählich kam die Kickersverteidigung zu besseren Leistungen und hat schließlich den Hauptruhm an dem glücklichen Unentschieden. In den bisherigen Schlußspielen hört man viel neue Schiedsrichternamen. Auch Herr Gröschel (Fürth) machte in Stuttgart seine erste Aufwartung. Nicht ohne Geschick, vor allem hielt er es mit der Unauffälligkeit, wie sie tatsächlich einem Schiedsrichter am besten zu Gesicht steht. Einige wenige Unsicherheiten fielen nicht weiter ins Gewicht, das Spiel war keine Kraftprobe ersten Ranges, obwohl das Tempo an ihn wie die Mannschaften große Anforderungen stellte. Für die Ausgeglichenheit im Spielverlauf kann nur die erste Hälfte in Betracht kommen, in der Eintracht in den ersten und letzten Minuten durch forsche Angriffe auffiel, während Kickers in der Mitte der Spielzeit ihre Anhänger halbwegs zufriedenstellen konnten. Eintracht kam bereits in der 12. Minute zu ihrem Erfolg: Schaller, übrigens einer der besten Rechtsaußen, den man in letzter Zeit in Stuttgart sah, flankte gewandt und der freistehende Eintrachtsturm brauchte nur einzulenken. Dies besorgte der Halblinke Kissinger. Für Kickers sollte Maneval, wie schon so oft, der entscheidende Torschütze werden. Seine Entschlossenheit brachte einen Fernschuß aufs Tor und Trumpp ließ sich durch die Schärfe überraschen und lenkte vollends selbst ein. Nach der Pause gehörte das Spielfeld in der Hauptsache den Gästen, die zeitweise die Kickersmannschaft nicht aus ihrer Spielhälfte ließen. Aber trotzdem blieben die vielen Angriffe ohne den gewünschten Endeffekt; es fehlte eben auch bei den Leuten vom Main an dem energischen letzten Zug aufs Tor. Erst nach einer halben Stunde wagten die Kickersflügel wieder die ersten Vorstöße und nicht viel hätte gefehlt, so wäre sogar ein Sieg der Kickers im Bereich der Möglichkeit gestanden. Die letzte Viertelstunde brachte halbwegs einen ausgeglichenen Verlauf. Das Spiel trug vor allem durch seinen anständigen Verlauf der Propaganda für den Sport genügend Rechnung. Wingo. (aus dem 'Kicker' vom 10.01.1928)
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