Eintracht Frankfurt -
FSV Frankfurt |
Freundschaftsspiel 1926/27
0:4 (0:0)
Termin: 25.06.1927 im Stadion
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Schneider (Frankfurt)
Tore: 0:1 Brück (48.), 0:2 Brück (65.), 0:3 Wjyk (70.), 0:4 Wjyk (72.)
Eintracht Frankfurt | FSV Frankfurt |
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Spielertrainer |
Trainer |
Das Frankfurter Derby. Die Vorstandsmitglieder der beiden Frankfurter Vereine Fußballsportverein und Eintracht gelangten zu der übereinstimmenden Erkenntnis, daß den Kassen der beiden Vereine Geld fehle. Eine Kasse ohne Geld ist ein unerträglicher Zustand, dem Abhilfe geschaffen werden mußte. Da erinnerte man sich plötzlich, daß aus alten Zeiten noch ein alter Pokal vorhanden war, den beide Vereine unter sich ausmachen sollten. Man holt den Pokal aus der Ecke, bestaunte ihn und sprach einstimmig: Seht, das gibt ein Geschäft. Es gab allerdings ein Geschäft. Die Frankfurter kamen zu etwa 15.000, das Geld strömte reichlich in die leeren Kassen und schlappen Geldbeutel. Aber der finanzielle Erfolg dieses Treffens steht einer sportlichen Pleite gegenüber, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Man kann schon von Konkursverbrechen am Fußballsport sprechen. Die Profitsucht der Vorstände beider Vereine hat sich bitter gerächt. Der Fußballsport hat eine schallende und schmerzhafte Ohrfeige bekommen. Das groß angelegte Geschäft endete in einem sportlichen Skandal. — Hellen Leuten kann man nämlich nicht weiß machen, daß dieses Treffen, dieses sogenannte Freundschaftstreffen, den Beginn eines neuen Zeitalters schalmeienreichen und frühlingshaften Sportfrühlings zwischen beiden Vereinen kennzeichnen sollte. Dies ist bei den gespannten Beziehungen, die sich in den letzen Jahren bedauerlicherweis erheblich und unheilbar vertieft haben, eine Unmöglichkeit.— Vor dem Spiel zirkulierte Bensemanns Telegramm an Dr. Rothschild, das folgenden Wortlaut hatte:
(Man beachte, daß zwischen Eintracht und Sportverein das Wort Presse steht. Eine sehr zarte Anspielung!!) Das einzige falsche Wort in diesem Telegramm ist das Wort: „leider". Sagen Sie: Gott sei Dank, Herr Bensemann! * Zunächst ging das Spiel ganz angenehm von statten. Keine der beiden Mannschaften spielte in vollendeter Equipierung. Bei Eintracht fehlte Dietrich, der den Tod seines Vaters zu beklagen hat. Da auch Egly unabkömmlich und Schönfeld verletzt war, präsentierte sich die Mannschaft in einer sehr schwachen Aufstellung mit Trumpp — Pfeifer, Schütz — Müller, Goldammer, Klaar — Kellerhoff, Stamm, Ehmer, Döpfer, Schaller. Beim Sportverein fehlte Fritz und Völler, so daß die Mannschaft folgendes Gesicht hatte: Krieger — Furch, Heinig II — Hennß, Pache, Frey — Wjyk, Gattermann, Klumpp, A. Strehlke, Brück. — Diese Mannschaft mußte das Spiel gewinnen, sie hätte es auch ganz glatt gewonnen, wenn es nicht zu den unangenehmsten Zwischenfällen gekommen wäre. — In der ersten Halbzeit waren die sportlichen Leistungen höchst mäßig. Man kann die beiderseits gezeigten Kunst- und Heldenstücke in einem kleinen Satz zusammenfassen, der wohl überall Geltung beansprucht: Kickerei ist großer Mist Der Sportvereinssturm hatte mehr und größere Chancen, wußte sie aber nicht auszunutzen. Der Eintrachtsturm andererseits spielte zu wenig durchschlagskräftig. Er war insbesondere dadurch behindert, daß der Mittelstürmer Ehmer wiederholt das Ziel unfairer Angriffe des Schweizer Pache und der Verteidiger war. Ein Foul von Heinig, der dem Mittelstürmer den Stiefel in den Leib bohrte, verdient besondere Erwähnung, da es seiner Natur nach verriet, daß verschiedene Spieler von dem Begriff Freundschaftsspiel wenig durchdrungen waren. Der Spieler Ehmer revanchierte sich in höchst unzulässiger Weise für die empfangenen Tritte. Dadurch wurde die Stimmung selbstverständlich nicht besser. Sie verschärfte sich nach der Pause. Zunächst ging noch alles gut. Brück schoß auf Vorlage Paches das erste Tor. Dieses Tor war zweifellos verdient und ein Ausdruck für die spielerische Ueberlegenheit des Mainbezirksmeisters. Kurze Zeit später schoß Brück das zweite Tor. Es wurde von den Eintrachtspielern nicht stillschweigend hingenommen. Man sah vielmehr Trumpp und den Linienrichter dem Schützen eifrig nachlaufen. Es kam zu erregten Debatten, ohne daß man zunächst wußte, was los war. Nach längerem Debattieren ging das Spiel weiter, nachdem Pfeifer zunächst abbrechen wollte. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer wurde hauptsächlich auf einige grobe Fouls gelenkt, die von beiden Seiten begangen wurden. Pfeifer versetzte Brück einen heftigen Tritt. Pache trat Ehmer, Furch warf ihn zu Boden, dieser trat jenen und jener diesen. Es kam zu fortgesetzten Zusammenstößen der Spieler beider Parteien. Zwischendurch schoß Wjyk 2 schöne, aber belanglose Tore, da die Eintrachtmannschaft völlig durcheinander geriet und an ein ordnungsmäßiges Spiel überhaupt nicht mehr dachte. Der Schiedsrichter beeinträchtigte die Eintracht durch einige sehr komische Entscheidungen. Darob kam es zu neuen Debatten. Bei einem neuen Zusammenstoß kam es zu einer Zusammenrottung sämtlicher Spieler in der Mitte des Feldes. Der Schiedsrichter, der Trumpp gerade noch vor einem halsbrecherischen Angriff Wjyks befreien mußte, eilte herzu. Was gesprochen und getan wurde, war von der Presseloge aus nicht zu erkennen. Man hörte lediglich Paches lautes Organ. Plötzlich sah man, daß Pache zusammenstürzte und sich hinaustragen ließ. (Die Beschädigung konnte nicht schlimm sein, da der Schweizer am Abend schon wieder höchst vergnügt laufen konnte.) Dr. Rothschild stürzte wild gestikulierend auf den Platz. Mehrere eindringende Zivilisten wurden von Spielern vom Platz gescheucht. Pfeifer mußte den Platz verlassen. Der Schiedsrichter pfiff an und ab und aus und an. Das Publikum gröhlte und vollführte einen ohrenbetäubenden Lärm, wobei die Jugend sich mit besonderer Inbrunst beteiligte. Die Spieler verließen nach belanglosem Weitergekick den Platz. Vor der Tribüne, da wo die Sessel der Prominenten stehen, kam es zu erregten und wüsten Szenen. Galeriemob wetteiferte mit besser angezogenen Leuten im Toben und Randalieren. Man verschoß Waggonladungen von Flüchen und brachte Beschimpfungen aus schreienden Mäulern ans Tageslicht, die jeder Beschreibung spotteten und, wenn nichts anderes, so doch den Reiz der Neuheit hatten. Einige besonders schlimme Fanatiker — insbesondere ein als Chauffeur verkleidetes Individuum — wurden handgreiflich. Die Menge wurde hinausgedrängt, so daß es zu einer richtigen männermordenden Schlacht eigentlich nicht kam. Vor der Tribüne warteten mehrere hundert Leute, teils um die Sportvereinsmannschaft zu begrüßen, teils um die Eintrachtsmannschaft mit Mißfallenskundgebungen zu empfangen. Das Durcheinander wurde fortgesetzt. Man stieß Drohungen aus. Hitzköpfe gerieten aneinander. Männer, Kinder, Greise, Frauen gaben ihre Meinungen mit der nicht geringen Kraft ihrer prachtvollen Organe kund. Der Unbeteiligte kam sich in diesem Trubel vor, wie bei einer kleinen Revolution. Es war unheimlich und schaurig schön. Schließlich erschienen drei berittene Schutzpolizisten. Sie drängten die Massen ab, da Pferde keinen Unterschied zwischen Blau-schwarz und Rot-weiß kennen. Nur einige ganz Besessene blieben da. Sie trotzten den Pferdebeinen. Sie beklatschten die Sportvereinsmannschaft und bewarfen die Eintrachtspieler mit Dreck, woraus man schließen kann, daß der Stadtteil Bornheim einige seiner wackersten Streiter in den wüsten Kampf entsandt hatte. Unter den Dreckwerfern waren viele Jugendliche. Die Qualität der Erziehungsarbeit leuchtete in den buntesten Farben. Für diese Rotznasen war der Trubel Orgie. Schlimm, daran zu denken, daß man für diese jugendlichen Maulhelden auch noch ein Jugendheim baut. Langsam ebbte die Erregung ab. Die Randalitierenden verloren sich in ihre Wirtshäuser, wo die Debatten fortgesponnen wurden. — Es war entsetzlich anzusehen. -- Was aber war geschehen? Von der Pressetribüne aus war nichts zu hören und nichts Genaues zu sehen. Bei meinen Nachforschungen nach dem Urgrunde alles Uebels, gelangte ich bis zur Eintrachtmannschaft. Nach den übereinstimmenden Bekundungen sämtlicher Spieler soll sich der Sachverhalt folgendermaßen zugetragen haben und er ist interessant genug hier wiedergegeben zu werden: Brück habe, so behaupten die Eintrachtspieler, bei der Verfertigung des zweiten Tores den Ball, nach dem Trumpp bereits gestartet war, mit der Hand an sich gezogen und dadurch den Torerfolg ermöglicht. Auch der Linienrichter habe diesen Vorfall beobachtet, abgewunken und dem Schiedsrichter seine Beobachtungen gemeldet, Trumpp habe den Spieler Brück gefragt, und zwar auf Ehrenwort, ob er Hände gemacht habe. Dies habe Brück verneint. Nach Ansicht der Eintrachtspieler habe er gelogen. Pfeiffer habe daraufhin das Spiel abbrechen wollen, sei aber daran durch ein Vorstandsmitglied gehindert worden. Schließlich sei es zu der geschilderten Zusammenrottung gekommen. Pache habe sich bei den Disputen durch wegwerfende und verächtliche Bewegungen und Redensarten ausgezeichnet, insbesondere gegen Pfeifer, der ohnehin sehr gereizt gewesen sei. Pache habe plötzlich einen Tritt erhalten, der vermutlich von Pfeifer stammte. Die Spieler selbst hätten nicht beobachtet, daß Pfeifer getreten habe. Dr. Rothschild sei daraufhin in das Spielfeld eingedrungen und habe die Eintrachtspieler mit den freundlichen Worten: „Ich werde euch helfen, ihr Lumpenbande" begrüßt. Den Ausdruck Lumpenbande habe er mehrfach gebraucht. Der Schiedsrichter habe angenommen, daß Pache von Pfeifer getreten worden sei, er habe deshalb Pfeifer vom Platz gestellt. (Angaben von Spielern sind bei allen derartigen Gelegenheiten, wie bekannt, meist ganz subjektiv und mit größter Vorsicht zu genießen. Es ist schade, daß Jockey bei seiner Untersuchung auf diese einzige Quelle angewiesen war. Red.) Dies sind die Angaben der Eintrachtspieler. Es liegt mir fern, mich mit diesen Angaben irgendwie zu identifizieren. Ich habe keine Gelegenheit gehabt, die andere Seite zu hören. Ist es aber richtig, daß Brück die Unwahrheit gesagt, Dr. David Rothschild die Eintrachtspieler mit dem Ausdruck Lumpenbande belegt, Pfeifer insbesondere den Spieler Pache zusammengetreten hat, so ist eine exemplarische Bestrafung dieser drei Personen dringend am Platz. Dies sind die vorläufigen Berichte vom Schlachtfeld. Es war eine Marneschlacht des Frankfurter Fußballsports. Der Kampfleiter Schneider war an den Vorfällen nicht unschuldig. Er erregte die Spieler durch falsche Entscheidungen und war im gegebenen Moment weder taktisch noch energisch genug, um dem Verlauf des Spieles eine andere Wendung zu geben. Es war eine Unklugheit erster Güte, ein solches Spiel von einem Frankfurter Schiedsrichter leiten zu lassen. Die Entscheidungen des Herrn Schneider scheinen einer Niederräder Regel-Vulgata entnommen zu sein. — Den Vorständen beider Vereine aber sei ans Herz gelegt, derartige Experimente zu unterlassen und froh zu sein, wenn die Verbandsspiele dieser beiden Vereine zu Ende sind. Man könnte gerade so gut im überfüllten Saal des Saalbaues Versuche mit einem neuen Sprengkörper veranstalten, wie ein Privatspiel Eintracht gegen Fußballsportverein. Dies ist eine bedauerliche Erscheinung, aber es gibt Schuldige genug. — Jedenfalls haben sich beide Vereine bis auf die Knochen blamiert. Es war zum ..... na, Sternheim hat den richtigen Ausdruck dafür. — Jockey.
Die Katastrophe im Stadion Ich möchte bei diesem „Freundschaftstreffen", das leider einen so fürchterlichen Ausgang nahm, das rein Spielerische vorweg nehmen: Die Hegemonie der letzten paar Jahre im mainischen Fußballsport gehört dem fünfmaligen Mainmeister, dem Fußballsportverein. Trotz der deutlichen Sprache der Spielergebnisse glaubte sich aber Eintracht immer dem großen Rivalen gewachsen und nur durch unglückliche Zufälle um die Gelegenheit gebracht, dieses Selbstvertrauen als berechtigt unter Beweis zu stellen. Der Ehrgeiz des Eintrachtmannes hungerte also nach einer Rache für den 26. Dezember und seine Vorgänger. Alle Hoffnungen hatte er auf den gestrigen Vorabend des Jugendwerbetages im Stadion konzentriert. Wiederum stand das Glück bereits vor Spielbeginn gegen den Riederwaldverein, denn, während Fußballsportverein seine fehlenden Spieler Fritz, Völler und Bretteville durch Heinig, Frey und Gattermann sehr gut zu ersetzen wußte, hatte das Fehlen von Dietrich und Schönfeld als eine merkliche Schwächung der ohnedies recht empfindlichen Läuferreihe der Eintracht zu gelten, denn Goldammer stand nur die ersten 45 Minuten durch und der sehr jugendliche Klar, so tadellos er sich auch hielt ist körperlich noch viel zu schwach für die Strapazen eines ganz großen Tages. Eintracht mag also etwas depremiert auf den Platz gekommen sein, hielt aber bis zur Pause auffallend gut Widerstand und konnte das Treffen offen gestalten. Dank der Zuverlässigkeit der Hintermannschaft lautete Halbzeitergebnis 0:0. Trotzdem machte Sportverein den gediegeneren Eindruck, seine Vorstöße waren zahlreicher, seine Torgelegenhelten besser und häufiger, die Einheitlichkeit der Mannschaft etwas augenfälliger. Technisch erwies sich die Gegenseite als reifer. Sie erfocht bis zur Pause zweifellos einen Achtungserfolg, den man ihr unter den obwaltenden Verhältnissen kaum zugetraut hätte. Daß es später zu einer hohen Niederlage kam, will rein spielerisch recht wenig besagen, denn man darf das erste Tor des Sportvereins als maßgebend betrachten Es war ein Prachtschuß von Brück und dem Spielverlauf nach verdient. Trotzdem kam es so kurz nach der Pause etwas verblüffend. Wiederum dauerte der Widerstand der Eintracht fast 20 Minuten, als Brück durch Handspiel ein weiteres Tor erzielte, das für die eine Seite den bis dahin noch nicht ganz sicheren Erfolg endgültig unter Dach und Fach brachte, die Gegenpartei aber zur Verzweiflung brachte, das nutzten die Bornheimer selbstredend aus und erzielten 5 bzw. 7 Minuten später durch Wijk und Gattermann zwei weitere sehr schöne Tore Die große Frage bleibt also und auf sie ist man in der Tat nach Spielende recht oft gestoßen: Wäre der Zusammenbruch der Eintrachtmannschaft auch ohne die Fragwürdigkeit des 2. Tores eingetreten? Und nun „Wie sage ich's meinen Lesern?" Wenn man Jahre hindurch im Mitglieder- und Anhängerkreise die Gehässigkeit bis zur Siedehitze getrieben, zum mindesten zu ihrem Verschwinden nicht die geringste Hand gerührt hat, so kann man von der Masse Mensch von heute auf morgen keine vollkommene Umwandlung der „sentiments" verlangen. Man darf also die blutjunge, eben angebahnte Freundschaft, so fern man überhaupt beiderseits den ernsten Versöhnungswillen hatte, nicht gleich auf eine solch harte Kraftprobe stellen. Ich habe im Laufe der Jahre so manches Aussöhnungs- und Verbrüderungsspiel gesehen, sie sind samt und sonders verunglückt, mußten es, weil nach den vorausgegangenen Jahren der Nebenbuhlerschaft der Boden, auf dem die neue Aera gedeihen sollte, nicht sorgfältig und aufrichtig genug präpariert war. Das hätten sich die beiden Vereinsvorstände sagen sollen, ehe sie die beiden feindlichen Brüder auf einander losließen. Zum mindesten hätten sie aber einen Spielleiter mit zwei eisernen Fäusten bestellen sollen, der sich im klaren sein mußte, daß die Harmonie der ganzen Veranstaltung von Anfang an auf des Messers Schneide stand. Herr Schneider von Union Niederrad war niemals der gesuchte Mann mit der unerbittlichen Strenge, schon ehe das ominöse 2. Tor fiel. Er bleibt also in nicht unerheblicher Weise für den Riesenfehlschlag mitverantwortlich. Und nun, der unerhörte Zwischenfall selbst. Der mehr als blamable Verlauf des Spieles, ausgerechnet am Vorabend des "Jugendwerbetages" darf und kann durch nichts beschönigt werden. Die Propagandaabsicht des Sonntags hat zweifellos durch die Zwischenfälle des Samstages schwere Einbuße erlitten, und da gibt es keine Entschuldigung. Der Hauptschuldige ist Pfeiffer, der sich zu vollkommen unsportlichem Betragen hinreißen ließ. Hierbei spreche ich zunächst von seinem foul gegen Brück, weil ich sein Vergehen gegen Pache infolge der Spieloransammlung auf dem Platze unmöglich sehen konnte. Pfeiffer muß als Sportmann wissen, daß er sich beherrschen muß, und wenn er dies nicht kann, selbst die Folgerung daraus ziehen. Daß er reichlich provoziert worden sein soll, kann nur eine Erklärung, niemals eine Rechtfertigung bedeuten. Gerade in den mißlichsten Lagen des Kampfes muß die sportgerechte Denkungsweise in die Erscheinung treten, das ist doch gewißlich bis zum Ueberdruß schon gepredigt worden. Nun ist Pfeiffer selbstredend nicht der allein schuldige Teil. Neben der großen Verantwortung, die ich oben schon den Vorständen beider Vereine und dem Spielleiter zugeschoben habe, muß auch, schon um die Lage psychologisch ins rechte Licht zu setzen, zunächst gesagt werden, daß auch beim Fußballsportverein durchaus nicht nur Unschuldsengel spielten, man muß sogar feststellen, daß die Derbheiten gegen den Eintrachtmann Ehmer den dicken Entgleisungen Pfeiffers vorangingen. Das ist bei der Beurteilung der Pfeifferschen Mentalität durchaus nicht ohne Belang. Die Provokationen lagen zweifellos vor, nur hätte sie Pfeiffer zu einem untauglichen Versuch mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt werden lassen müssen. Ludwig Isenburger.
Schlechtes Saisonende Wir hatten uns in Frankfurt alle auf dieses Saisonende im Fußballsport gefreut und jeder hatte gedacht, daß ein „Derby" die Fußballzeit würdig beschließen könne, ein Kampf unserer beiden Meistermannschaften, die von letzten Erfolgen her frische Lorbeeren trugen. Die Vereinsleitungen waren zusammengekommen und hatten ausdrücklich ein Freundschaftsspiel in kameradschaftlicher Form beschlossen, Kampfspiel um den Pokal, nachher gemeinsames Fest in den Blumensälen. --- Was ist daraus geworden? Zahlreich hatten sich die Frankfurter in Erwartung eines Großkampftages eingefunden, nicht in der Menge, wie sie ein großes Punktspiel der beiden Gegner an einem Sonntagnachmittag gebracht hätte, aber für ein Wochenabendspiel dennoch überaus stattlich. Die Zusammensetzung der beiden Mannschaften war in einigen Teilen neu, ersatzgeschwächt. Dennoch standen viele in Reihen, die schon seit Jahren diese Rivalenschaft mit durchfechten, diesmal besonders hitzig trotz des kühlen Abends, der an sich wundervolles Spielwetter bot. Es hat noch niemand geglaubt, daß Fußball ein Kinderspiel ist, zumal nicht die Kampfesweise der Bornheimer. Der alte Heinig erstaunlich schnell und zuverlässig in der Sportvereinsdeckung hatte wohl Ursache, bald nach Beginn einige Male wegen an Unfairneß grenzenden gefährlichen Spiels mit schlechtem Gewissen herumzulaufen. Furch war hart, härter noch Frey als linker Läufer. Das Spiel bot die erste Halbzeit hindurch Durchschnittsleistungen fast ohne spannende Momente, es wurde gekämpft, zäh und robust gekämpft. Die Waffen des Sportvereins sind in solchen Fällen geschliffener als die der Eintracht. Man sah aber kein unfaires Spiel. Durchbruchsversuche des mit langen Beinen nach Harderart vorgehenden Ehmer mißlangen an der Bewachung Paches und der Verteidiger. Ehmer ist der intelligenteste im Eintrachtsturm, die Nebenleute kamen nicht mit, die Außen auch nicht. Kellerhoff zappelte und Schaller wurde von Frey mehr und mehr kaltgestellt. Auf der Gegenseite ein anderes Bild. Hier brachten Paches Vorlagen die Außenstürmer in Fahrt, herzhaftes Stürmen der beiden gewitzigten Jungen Wijk und Brück. Gattermann als Innenstürmer unmöglich, dann Klump in keiner Meisterschaftsform. Arno Strehlke zuverlässig und fleißig wie in den letzten Spielen immer. Diese Außenstürmer des Sportvereins haben dann auch das Spiel entschieden, als Brück durch einen Schrägschuß nach der Pause das Führungstor schaffte und moralischen Rückhalt den nun erst recht kämpfenden Bornheimern gab. Gefährlich wie immer war der Sportverein. Eintracht nahm sich nun auch zusammen, spielte aber schön und tückisch zugleich. Brück hatte ein zweites Tor geschossen. Der Schiedsrichter gab es trotz erregter Proteste. Hatte Brück vorher Hand gemacht? Im Moment des Torschusses nicht. Trumpp im grünen Sweater, Pfeiffer außer sich, gestikulierten auf den unsicheren Blusenmann Schneider aus Niederrad ein. Der verpaßte den psychologischen Moment, stockte und überlegte, war vorher schon nicht straff genug. Kühl handelnde Männer brauchen wir bei solch schweren Spielen. Schneider verlor die Nerven und einige Eintrachtleute auch. Das Publikum teilte sich in ein klatschendes und ein pfeifendes Lager. Die Bornheimer drängten. Wijks Schüsse knallten unaufhörlich. Zwei Prachtschüsse waren der Lohn. Eintracht rafft sich auf. Ehmer leistet sich abgesperrt unliebenswürdige Revanche (man benimmt sich doch besser, Herr Ehmer, zumal man jüngst erst vom Lande gekommen ist). Da — Pfeiffer im Sturm. Man sieht ihm an, daß er glüht vor innerem Zorn. Ach Pfeiffer, seit Jahren schon so unbeherrscht und bösen Erregungen ausgeliefert, wie sehr schädigt der sonst so verdiente Mann den Fußballsport! Er tritt den erfolgreichen Brück, der nicht im Besitz des Balles ist, er tritt schließlich den Bornheimer Mittelläufer Pache fern vom Ball zusammen. Welch ein Abgang vom Spielfeld, vom Schiedsrichter fortgewiesen und unter Bedeckung abgeführt! Fußballsportverein hat 4:0 gewonnen, verdient gewonnen, da gibt es keinen Zweifel, nun ja — aber ist ein verlorenes Spiel solche Entgleisungen wert? Die Massen stauten sich noch vor den Umkleideräumen, die Sensationslüsternen wollten noch mehr genießen. Hochrufe und Pfuischreie! Ein brausender Jubel nach Karl Wilhelm Wijk. Der Schwede reitet „frech wie Oskar" auf den Schultern enthusiasmierter Bengels -- Dr. P. L.
Die ersten Pressemeldungen Die Frankfurter Zeitung berichtet Das sogenannte „Freundschaftsspiel", auf das man so große Hoffnungen gesetzt hatte, nahm bedauerlicherweise einen sehr unschönen Ausgang, der den Frankfurter Fußballsport überaus stark diskredieren wird. Nach einer fairen ersten Spielhälfte, die ausgeglichen und torlos verlief, setzte sich nach der Pause das größere Stehvermögen des Bezirksmeisters durch. Sportverein ging durch Brück in Führung und als derselbe Spieler darauf ein zweites Tor schoß, protestiert die Eintracht heftig, weil Brück nach ihrer Ansicht den Ball mit der Hand berührt haben soll. In sehr kurzen Abständen schoß dann Wijk, der zuletzt halbrechts spielte, zwei weitere sehr schöne Tore. Die Stimmung wurde sowohl bei den Spielern als beim Publikum immer aufgeregter, und da auch der Schiedsrichter Schneider (Union Niederrad) nicht energisch genug durchgriff, kam es zu einer bedauerlichen Katastrophe. Der jähzornige Pfeiffer konnte sich nicht beherrschen und verletzte ohne Grund den Mittelläufer Pache durch einen Tritt. Darauf brach ein ungeheurer Tumult los und Pfeiffer mußte unter starker Bewachung auf Geheiß des Schiedsrichters den Platz verlassen. Das Spiel selbst hatte bewiesen, daß der Fußballsportverein nicht nur den gefährlicheren Sturm, sondern auch das größere Stehvermögen besitzt. Bei dem Sieger waren Brück, Wijk, Strehlke, Pache, Henß und Heinig die besten Leute. Eintracht hatte ihre Hauptwaffe in der Verteidigung sowie in dem Außenläufer Müller. Goldammer hielt das Tempo nicht durch und der stark abgedeckte Ehmer konnte sich nicht durchsetzen. Es läßt sich leider nicht leugnen, daß die Schuld an der bedauerlichen Entgleisung in erster Linie der Spieler Pfeiffer trägt. Auch der Schiedsrichter hätte schon vorher wesentlich energischer durchgreifen müssen. Eine große sehr erregte Menschenmasse hatte sich nach dem Spiel vor der Haupttribüne des Stadions aufgestellt und mußte schließlich durch berittene Polizei auseinandergetrieben werden. Sport-Expreß Frankfurt meldet Die zweite Halbzeit beginnt mit einem Ansturm des Fußball-Sportvereins. Schon in der dritten Minute gelingt es dem Linksaußen Brück, nach einer Vorlage von Pache einen Alleingang zu unternehmen der zum erfolgreichen Ende, zum ersten Tor geführt wird. Die Eintracht versucht den Ausgleich herzustellen, es gelingt ihr aber nicht. In der 20. Minute hält Brück im Strafraum wieder einen Ball, überläuft Trumpp und drückt das zweite Tor ein. Daraufhin reklamieren Trumpp und Pfeiffer beim Schiedsrichter; scheinbar hatte Brück den Ball mit den Händen berührt, jedoch läßt sich der Schiedsrichter trotz größter Reklamationen nicht beeinflussen und gibt das Tor. Daraufhin bricht die Eintracht-Mannschaft vollständig zusammen. In der 25. Minute schießt Wijk wundervoll aus 40 Meter Entfernung das dritte Tor. Zwei Minuten später gelingt es Wijk noch einmal nach einer Flanke des Rechtsaußen das vierte Tor zu erzielen. Die Eintracht stellt ihre Mannschaft um, ohne aber zum Ziele zu kommen. Als der Torwächter mit Brück zusammenprallt, tritt Pfeiffer ganz unsportlich im Strafraum nach ihm, was ihm schon den Platzverweis hätte einbringen müssen. Aber der Schiedsrichter kann sich nicht aufraffen, durchzugreifen und verwarnt ihn. Dies erwies sich als ein großer Fehler; denn ein paar Minuten später tritt Pfeiffer auf gemeinste Art und Weise bei einer Reklamation eines anderen Eintrachtspielers nach Pache, der vom Platz getragen werden muß. Da erst rafft sich der Schiedsrichter dazu auf, Pfeiffer vom Platz zu verweisen. Da Pfeiffer nicht Folge leistet, will der Schiedsrichter das Spiel abbrechen, aber die Sache kann noch in Ordnung gebracht werden. Pfeiffer verläßt das Spielfeld und das Spiel wird zu Ende geführt. Der Fußballsportverein hätte auch ohne die geschilderten Szenen das Spiel gewonnen, da seine Mannschaftsleistung besser war als die der Eintracht, die dem technisch zeitweise sehr guten Spiel des Mainmeisters doch nicht gewachsen war. Dieses „Freundschaftsspiel" ist zu Ende. Von Freundschaft war nicht viel zu spüren. Es war das schlimmste Spiel zwischen den beiden Vereinen, das jemals geliefert worden ist. Die Hauptschuld an dem unglücklichen Ausgang trägt Pfeiffer, der die Niederlage nicht verwinden konnte und sich zu Ausschreitungen hinreißen ließ, die ihm hoffentlich die schon längst verdiente Strafe einbringen werden. Wir möchten nicht der Eintracht-Mannschaft die Schuld geben, die auf dem Spielfeld deutlich von Pfeiffer abrückte. Der Schiedsrichter Schneider von Niederrad war dem Spiel nicht gewachsen. Er versuchte zwar streng nach den Regeln zu pfeifen, versündigte sich aber oft wider den Geist und es kamen in der zweiten Halbzeit Szenen zustande, deren sich der Fußballsport schämen muß. Das Extrablatt des Sonntag-Sport Frankfurt sagt In der zweiten Minute bricht Brück auf Vorlage von Pache durch und schießt mit einer Bombe das erste Tor. In der 19. Minute kommt Brück wieder durch und erzielt den zweiten Treffer. Die Eintrachtler protestieren, aber es nützt nichts. Darauf tritt Pfeiffer den Spieler Brück von hinten, ohne daß dieser den Ball hatte. In der 25. Minute zieht Wijk aus 30 m unerwartet scharf in die Ecke. Eine Minute später verwandelt Wijk eine Flanke von Gattermann zum 4. Tor. Nunmehr ist Sportverein vollkommen überlegen. Doch das Spiel artet jetzt aus, Pfeiffer ist sehr unfair und tritt Pache zusammen, als ganz wo anders gespielt wurde. Pfeiffer wird vom Platz gestellt. Somit endet das Spiel mit einem höchst unerfreulichen Ausgang. Das Vorgehen Pfeiffers muß als ganz unglaublich bezeichnet werden. * Wir haben uns bemüht, unsern Lesern durch die verschiedenen Schilderungen bekannter Journalisten ein übersichtliches Bild der Vorgänge im Frankfurter Stadion zu geben. Ob dies gelungen ist, müssen wir unsern Lesern überlassen; wir selbst sind vollkommen im Bilde. Es liegt uns allerdings weniger daran, ein Urteil zu fällen, als sofortige Klärung der Verhältnisse herbeizuführen. Gewöhnlich gehen derartige Fälle zuerst vor Gau und Bezirk, ehe sie vor das Verbandsgericht kommen. Wir würden eine solche Verschleppung der Rechtsprechung in diesem Fall für verkehrt halten. In Anbetracht der Umstände, insbesondere der schweren Schädigung, welche der Gedanke des Sports am letzten Samstag in Frankfurt erlitten hat, richten wir die Anregung an den Verbandsvorstand, eine Kommission des Verbandsgerichts bereits am Samstag nach Frankfurt zu entsenden, welche auf Grund von Zeugenaussagen den Tatbestand aufnehmen und, falls dies angängig ist, sofort recht sprechen wird. Unzweifelhaft ist inzwischen auch der Bericht des Schiedsrichters eingetroffen, so daß die Basis für die Verhandlung gegeben ist. In England ist es bei der Football-Assocation Usus, ebenfalls bei ganz schweren Fällen eine Kommission an den Tatort abzuordnen, und die Verfahren möglichst schnell durchzuführen. Auch in unseren Satzungen (Mainzer Fassung) ist für derartige Fälle gesorgt, und zwar, durch den § 88 Abs. 2 bis 4. Wir sind es uns und der Oeffentlichkeit schuldig, hier sofort und mit aller Strenge einzugreifen; jede Verzögerung wäre verfehlt. Red. (aus dem 'Kicker' vom 28.06.1927)
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