SV Wiesbaden - Eintracht Frankfurt

Freundschaftsspiel 1925/26

2:1 (2:0)

 

Termin: 12.06.1926
Zuschauer: 1.500
Schiedsrichter: Eigelsheimer
Tore: 1:0 Schäfer II (5.), 2:0 Goßmann, 2:1 Karl Döpfer (65.)

 

>> Spielbericht <<

SV Wiesbaden Eintracht Frankfurt

  • Rischer II
  • Lehmann
  • Seck
  • Maurer
  • Rischer I
  • Wolfsohn
  • Schäfer II
  • Rühl
  • Goßmann
  • Ries
  • Schäfer I

 


 

Trainer
Spielertrainer

 

Wiesbaden

Herrliche Zustände. Heilige Ordnung. Wo bleibt die sportliche Erziehung, wo bleibt die Autorität des Schiedsrichters?

Die von Sieg zu Sieg schreitende "Eintracht" Frankfurt strauchelt in Wiesbaden und muß dem SVW. eine 1:2-Niederlage quittieren.

Das ursprünglich auf Sonntag anberaumte Rückspiel musste infolge des Schlußspiels um die "Deutsche" auf Samstag verschoben werden und lief unter ungünstigen Boden- und Witterungsverhältnissen abends um 7 Uhr vom Stapel. Der in den letzten Wochen niedergegangene Regen hatte den Boden in eine morastische, schlüpfrige Masse verwandelt, so daß es heute unmöglich schien, ein einwandfreies Spiel zu sehen. Und dennoch wurde überraschenderweise beiderseits teilweise ganz hervorragend gespielt. Es standen sich zwei ebenbürtige Gegner mit gleicher Spielauffassung, gleichem System, guter Technik und Ballbehandlung gegenüber. Der Ausgang des Kampfes hing lediglich davon ab, wie sich die Mannschaften mit dem glatten, aufgeweichten, lehmigen Gelände abfanden. Und hierin bestand das Plus der hiesigen Elf, die sich bedeutend besser und mit größerer Ausdauer, als die Gäste, aus der "dreckigen" Affäre herauszogen. Die Wiesbadener haben eben bei der schlechten Verfassung der Platzverhältnisse die größere Routine, während die Eintrachtelf, Morast, Lehm und sonstige unangenehme Bodenverhältnisse bei der einzigartig gepflegten Rasenfläche am Riederwald nicht kennt.

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Vor ungefähr 1500 Zuschauern entwickelt sich ein Spiel, das trotz der Glätte des Bodens eine reichhaltige Abwechslung bietet. Es wird rasch gespielt, das Tempo gleichmäßig durchgehalten, die Torleute sind gut beschäftigt, es wird teilweise lebhaft geschossen, oft auch das Ziel nicht treffend, mit einem Wort also — ein spannendes Spiel von Anfang bis Ende. Zuerst stürmen die Hiesigen und sind leicht überlegen, die Ballführung ist erstaunlich sicher, aber der Ball wird im Sturm zu lange gehalten, besonders Rühl und Schäfer I laufen viel zu lange mit dem Leder, anstatt bei dem schlüpfrigen Boden sofort abzuspielen. Die verhältnismäßig körperlich wuchtige Läuferreihe der Gäste kann den mit großem Eifer spielenden leichten Wiesbadener Sturm nur mit Aufbietung der gesamten Energie halten ohne aber verhindern zu können, daß Trumpp schon bereits in der 5. Minute zum ersten Male kapitulieren muß. Schäfer I, auf dem linken Flügel stürmend, hat im Einzelkampf den rechten Läufer überwunden, legt an den erstmals auf halblinks spielenden Ries vor, der in uneigennütziger Weise zu Schäfer II flankt. Kirchheim streckt sich nach der Flanke. Vergebens. Er verfehlt den Ball und schon ist der behende Wiesbadener Rechtsaußen zur Stelle und ...ein saftiger Schuß aus 3 Meter Entfernung für Trumpp unhaltbar zappelt, von den Enthusiasten freudig begrüßt, im Netz. Noch einige Minuten gibt Wiesbaden an und dann beginnt auch im Gästesturm das Leben, in herrlichen Kombinationszügen wandert das Leder von Mann zu Mann, um dann, kurz vorm krönenden Torschuß, wieder vor den Füßen des sympathischen, schußgewaltigen Dietrichs zu liegen. Dieser täuscht famos, kommt auch ab und zu zum Schuß, meistens aber von der aufmerksamen Hintermannschaft noch in der letzten Sekunde gestört und bedrängt gehen seine Schüsse knapp am Ziel vorbei. Dann folgt wieder eine kurze Drangperiode der Wiesbadener. Egly, der schwere Mittelläufer der Gäste, tut sich bei dem aufgeweichten Boden sehr schwer, er kommt nicht frühzeitig genug aus dem Start und ehe er angreift, hat ihn Rühl umspielt, jetzt wirft sich ihm Schütz entgegen, der Ball wandert zu Goßmann, Schütz und Kirchheim eilen ihm nach, erreichen ihn auch, und dennoch gelingt Goßmann der Sologang, und der verdiente Treffer klatscht unter ohrenbetäubendem Beifall in den Maschen. Das Spiel imponiert, es wird fair, von Frankfurt sehr fair gespielt. Der gelungene Durchbruch Goßmanns, der mit der Verteidigung kämpfend sich durchsetzte, stellte der Frankfurter Hintermannschaft vor der gesamten Zuschauermenge das Zeugnis ritterlichster Fairness aus. In diesem Punkt war die Eintracht ihrem Gegner überlegen. Welch anderer Verteidiger hätte in einer solch vornehmen Weise, wie Schütz, versucht, abzuwehren. Diese Leute sind leider zu zählen. Die Frankfurter Elf, durch den zweiten Erfolg der Platzherren etwas verduzt, bläst zum Generalangriff. Die hiesige Läuferreihe ist gezwungen, ihr Spiel defensiv auszubauen. Döpfer schickt eine Bombe nach dem Tore. Rischer scheint schon geschlagen, aber rettend erweist sich die Torlatte als letztes Hindernis und macht den verheißungsvollen Schuß zu nichts. Ein weiterer Frankfurter Angriff bringt den zweiten Eckball, gegen den die Wiesbadener, Publikum sowohl als Spieler, scharf protestieren. Und aus diesem ganz hervorragend getretenen Eckball fällt durch Döpfer in der 20. Minute das Gegentor der Gäste. Döpfer verstand es großartig, dabei aber mit erlaubten Mitteln, den Wiesbadener Tormann an der Abwehr zu hindern um dann den Ball platziert einzulenken. Der weitere Spielverlauf ändert nichts mehr am Resultat. Beiderseits werden bis Spielende 6 Ecken herausgearbeitet, von denen eine zu einem Abseitstor der Gäste führt, das auch von dem Unparteiischen nicht gegeben wird. Der Wiesbadener Sturm hat noch in unmittelbarer Toresnähe die besten Chancen, die aber infolge des immer noch mangelnden Schußunternehmens unausgewertet bleiben. Der Kampf ist offen, spannend und fair bis zum Schluß. Die Hiesigen sind in ihren Aktionen etwas eifriger, wuchtiger und härter.

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Herr Eigelsheimer leitete in gewohnter Ruhe und Sicherheit. Vielleicht mag ihn bei den Eckbällen ein kleiner Fehler unterlaufen sein. Seine Leistung sonst kann als sehr gut. bezeichnet werden.

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Die Frankfurter hinterlassen den besten Eindruck. Es war vielleicht in der diesjährigen Saison der beste Gegner des SVW., der sich leider unter den mißlichen Umständen aber nicht zu seiner Bestform entwickeln konnte. Es wäre sehr Interessant, die beiden Mannschaften nochmals auf trockenem Boden zu sehen. Trumpp, Döpfer und Dietrich sind Spieler von überragendem Können, Ersterer zeigte sich selbst den schwierigsten Situationen gewachsen und legte bei der drei mal so starken Inanspruchnahme seiner Person seinem vis-à-vis gegenüber größte Sicherheit an den Tag. Dietrich ist der Dirigent, bei dem im Effekt wieder alle Fäden zusammenlaufen, es ist eine Lust seinen Attraktionen zuzusehen. Auch als vierter Läufer zum Schlusse gefiel er restlos. Der schnellste Läufer der Elf ist Döpfer, gewandt, biegsam, elastisch. Schaller, der sonst vorzügliche Rechtsaußen laboriert an einer alten Verletzung und konnte nur ab und zu eine hervorragende Leistung vollbringen. Am Schluß wurde er durch einen Ersatzmann seiner Qualen entledigt. Der übrige Mannschaftsteil ist guter Durchschnitt. Im großen ganzen eine sehr beständige Elf, die in Technik und Ballbehandlung ihr bestes Rüstzeug hat.

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Die Wiesbadener konnten bis auf Seck, Rühl und Schäfer I teilweise gefallen. In der Läuferreihe fiel vor allem Maurer auf, der sich in starker Aufwärtsbewegung befindet und heute das produktivste Läuferspiel zeigte. Sein Zuspiel wird zusehends besser, nur am Kopfspiel haperts noch. Im Sturm mußten Rühl und Schäfer I dem schlüpfrigen Boden Rechnung tragend, viel viel schneller abspielen. Schäfer war in der zweiten Hälfte der schlechteste Mann am Platz, sein Zuspiel war sinnlos. Ries, der jugendliche linke Innenstürmer, bestand seine Feuertaufe gegen den großen Gegner überraschend gut. Seine Einzelkämpfe mit Egly, die er meistens für sich entschied, verrieten außer gediegenem Können, guter Ballbeherrschung und -behandlung Ehrgeiz und Tatendrang. Jugend!! Aus diesem Spieler kann was gemacht werden! Ein ausgeprägter Linksspieler, unter den seitherigen fünf "Rechtsstürmern" ein "weißer Rabe". Rischer im Tor verriet bei den drei oder vier, teilweise tollkühnen Paraden wieder große Ruhe und Formverbesserung. Ohne Rauch spielend, hat sich die Elf tapfer geschlagen.      Mattiacus. (aus dem 'Kicker' vom 15.06.1926)

 

 


 

aus den Vereinsnachrichten 06-1926:

 

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