SC Bürgel - Eintracht Frankfurt

Bezirksliga Main 1923/24 - 7. Spiel (Wiederholung)

2:0 (0:0)

Termin: 20.01.1924
Zuschauer:
Schiedsrichter:
Tore: 1:0, 2:0 (Eigentor)

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SC Bürgel Eintracht Frankfurt

  • Feyh
  • Belle



 

Trainer
Trainer

FRANKFURT a. M.

Ein ernstes Wort an alle!

Im Mainbezirk herrscht eine außerordentlich schwüle Atmosphäre, wie wir sie lange nicht erlebt haben. Es liegt in der Natur der Bezirkseinteilung, daß die Ligakämpfe schärfer als früher ausgetragen werden, es liegt auf der Hand, daß die Spannung und das Interesse des Publikums am eigenen Verein dadurch größer geworden sind, und daß es gelegentlich zu Ausbrüchen kommt, die über das Maß der Sportlichkeit weit hinausgehen. Im Mainbezirk aber kommt noch als weiterer Übelstand hinzu, daß man nicht mehr mit durchaus ehrlichen Mitteln kämpft und sich untereinander Schiebungen vorwirft, ja, auch die Behörde auf das schärfste angreift und sie der Beihilfe verdächtigt. Da man nicht absehen kann, wohin diese Bewegung unseren sowieso etwas über die Achsel angesehenen Mainbezirk treiben wird, ist es unbedingt an der Zeit, Klärung in die ganze Sache zu bringen.

Die Spannung liegt hauptsächlich zwischen Fußball-Sportverein und Eintracht; sie begann mit der abermaligen Niederlage des Bezirksmeisters gegen die immer noch recht starke Eintracht und wurde verschärft durch das üble Verhalten des Publikums bei dem Spiel Eintracht geg. Hanau 93. Die Eintracht-Elf führt ihre überraschende Niederlage in diesem Treffen, in dem sie stark überlegen war, auf die Zermürbung ihrer Energie durch die gehässigen Zurufe und das Schreien und Johlen eines gewissen Publikumsteils zurück, in dem sie einen großen Prozentsatz Anhänger ihres derzeit stärksten Rivalen erkannt haben will. Die ganze Affäre endete mit dem Bruch eines jahrelangen, segensreichen Bündnisses der im Interesse unseres Sportes gar nicht genug bedauert werden kann. In diesem Falle kann ich über den Schuldigen nicht zu Gericht sitzen, weil ich nicht „dabeigewesen" bin und Aussagen gegen Aussagen stehen.

Nun kam weiterer Zündstoff in die Menge der Fußballinteressenten. Im Spiel Eintracht — Hanau 93 war der Eintrachtler Weber wegen grober Unsportlichkeit herausgestellt worden, die Bestrafung bzw. Entscheidung der Behörde ist heute, trotzdem bereits gut drei Wochen seit der Verhandlung verflossen sind, noch immer nicht amtlich bekannt. Eine hiesige Sportzeitung brachte nun die falsche Nachricht, Weber sei vollkommen straflos ausgegangen. Was diese Notiz für Unheil anrichtete, ist nicht zu glauben. Nicht nur durch die Blume, nein, ganz unverhüllt wurde hier der Behörde unter Anziehung ähnlicher Fälle und Erinnerung an eine gewisse Amtsführung vor dem Krieg Schiebung zugunsten, sozusagen auf Bestellung der Eintracht, vorgeworfen. Die Behörde schwieg, sie schweigt noch immer! Und dabei war es doch so einfach, eine Entspannung herbeizuführen: Die Behörde brauchte nur den Tatsachen entsprechend zu erklären. Die Sache Weber wurde vertagt, weil der Schiedsrichter zwecks näherer Aufklärung des Falles persönlich vorgeladen, wurde! Statt dessen sah sie untätig mit zu, wie der Konflikt immer stärker wurde und die Gemüter sich immer mehr erhitzten. Das ist und bleibt einfach unverständlich!

Nebenbei bemerkt, trug der Protest Sportverein geg. Eintracht und seine eindeutige, vorauszusehende Ablehnung gerade nicht zur Verstärkung freundnachbarlicher Beziehungen bei. Jetzt kam eine weitere Verschärfung. Bürgel hatte in Frankfurt gegen Eintracht anzutreten. Der Schiedsrichter mußte den Platz für nicht spielfähig erklären, wovon sich jeder Klardenkende überzeugen konnte; soweit ist aber der Fanatismus schon, daß diese einzig und allein richtige, auch von Bürgel voll und ganz anerkannte Entscheidung als „Mache" bezeichnet wurde. Daß dann das Spiel Offenbacher Sp.V. — Eintracht statt in Offenbach am Riederwaldplatz ausgetragen wurde, schlug dem Faß den Boden aus. Auch hier ergingen wieder versteckte Angriffe gegen Behörde und Eintracht wegen Begünstigung. Auch hier wieder schweigt die Behörde. Und wie leicht ist auch dieser Fall erledigt. Infolge gänzlicher Vereisung seines Platzes schlug Sportverein Offenbach der Eintracht (nicht umgekehrt!) vor, das Spiel in Frankfurt auszutragen, und bot der Eintracht einen gewissen Prozentsatz der ihm zustehenden Einnahme an, falls sie das gestatte. Eintracht willigte ein, die Behörde gab ihre Genehmigung. Weshalb hätte sie sie auch versagen sollen, und welcher andere Verein hätte an Stelle von Eintracht nein gesagt?

Ein weiterer Vorfall bedarf der Klärung. Eintracht spielte seinerzeit gegen Bürgel und verlor dabei vier Mann, zumeist durch Folgen von Unfällen, hervorgerufen durch den spielunfähigen Boden, so daß der Schiedsrichter das Spiel beim Stand 2:0 für Bürgel zwölf Minuten vor Schluß abbrach. Es war dies allerdings gegen die neuen Bestimmungen. Die Behörde entschied: Das Spiel ist ungültig und muß wiederholt werden. Ein Teil des Publikums verlangt nun Umstoßung des Urteils und Gültigerklärung des für Eintracht verlorenen Spiels. Darunter sind tatsächlich alte Sportsleute und Spieler! Wie sagen doch die Regeln? „Ein Spiel dauert 2x45 Minuten." Also ist alles, was weniger als 2x45 Minuten gedauert hat, eben kein gültiges Spiel und demnach unter keinen Umständen zu werten. War diese Logik so schwer, meine Herren?

Und nun die Krönung des Ganzen: Am vergangenen Freitag erklärt ein hiesiges Sportblatt und eine große Tageszeitung „nach Mitteilung des Spielausschusses (welches?) Fußballsportverein zum Meister des Mainbezirkes. Das erste Endspiel fände am 3. Februar hier statt gegen 1. F.C. Nürnberg." Es hat also für Eintracht keinen Zweck mehr, gegen Bürgel anzutreten oder aber sich noch besonders anzustrengen. Wenn die Nachricht stimmt ! Was soll die Behörde veranlaßt haben, ohne daß die Zeit drängt, den Meister zu ernennen? Soviel ich weiß, findet das erste Endspiel am 10. Februar statt, also ist noch Zeit genug zur Austragung aller Spiele. Mindestens konnte man warten, bis Eintracht einen Punktverlust hatte. Insoweit wäre also der Schritt der Behörde unverständlich, zumal auch andere Bezirke noch ohne Meister sind. Ich glaube aber nicht, daß die Nachricht stimmte. Und das läßt tief blicken. Auch hier wäre Aufklärung sehr schnell möglich gewesen, denn der Herr Bezirksvorsitzende ist doch leicht telephonisch zu erreichen.

In unserer überhasteten, ruhelosen Zeit sollte es Aufgabe von Behörde und Presse sein, alles zu tun für Aufrechterhaltung der Ordnung. Beide haben hierin gesündigt, die Behörde durch allzu große Schweigsamkeit, sozusagen Ignorierung der öffentlichen Meinung, die Presse durch künstliche Aufmachung des bestehenden Konflikts. Statt Öl ins Feuer zu gießen, wäre es besser gewesen, alles zur Klärung zu tun, was doch wahrhaftig nicht schwer war. Ganz richtig ist übrigens größere Öffentlichkeit der Verhandlungen gewünscht worden, denn nur aus der großen Heimlichtuerei entstehen die Gerüchte, die allmählich zur Lawine anwachsen und den Bau zu beschädigen drohen, an dem ernste Sportsleute ein Menschenleben gearbeitet haben. Weg mit aller Sensationsmacherei, weg mit dem widerlichen Fanatismus, kämpft und handelt ehrlich und sportlich, denkt an das eine großeZiel, das über allem stehen muß, die Wiedererlangung unserer Kraft, die Wiederaufrichtung unseres Vaterlandes, und dann werdet Ihr das kleinIiche Gezanke, die blödsinnige Selbstzerfleischung endlich bleiben lassen!                                                         Cincinnatus.

Der Meister vom Main.

Nun steht die Meisterschaft des Fußballsportvereins unbestreitbar fest und, soweit ich meine Pappenheimer kenne, werden sich auch jetzt die erhitzten Gemüter viel leichter beruhigen lassen! Zuerst dem Fußballsportverein 99 Frankfurt zur abermaligen Erringung der Bezirksmeisterschaft den herzlichsten Glückwunsch! Hoffen wir im Interesse unseres Bezirks, daß er in den kommenden Kämpfen gegen die süddeutsche Elite eine qute Rolle spielt und soviel als möglich seinen Gegnern das Nachsehen gibt. Der dazu nötige Ehrgeiz ist vorhanden, und auch sein Können ist ein respektables. [...]

Trotzdem Fußballsportverein zum zweiten Male Bezirksmeister ist und auch früher in Frankfurt immer in nächster Nähe des Meisters landete, genießt er in Deutschland nicht die Popularität, wie z. B. Eintracht oder Germania. Hierin trägt die Hauptschuld die allzu engherzig denkende Leitung, der scheinbar ein guter Kassenerfolg gegen mittlere Gegner lieber ist als ein Defizit gegen Mannschaften von kontinentalem Ruf. Noblesse oblige, meine Herren! Ihre Pflicht ist es jetzt, mit Ihrer Mannschaft zu repräsentieren, Spiele auszumachen gegen die besten Vereine Deutschlands, gegen gute Auslandsklubs, nicht auf Ihren Lorbeeren sitzen bleiben! Oder soll es so bleiben, daß Ihre Elf die Meisterschaft macht und die anderen repräsentieren? [...]

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Eintracht hat also gegen Bürgel 2:0 verloren! Das Spiel fand im strömenden Regen auf knietiefem Boden statt und wurde von Bürgel gewonnen durch bei diesen Verhältnissen einzig erfolgbringendes halbhohes Spiel mit weiten Vorlagen und nicht zuletzt durch Anwendung der größeren Körperkraft. Eintracht spielte wohl technisch entschieden besser, aber viel zu weich. Bis zur Pause blieb das Spiel torlos, dann ging Bürgel nach schönem Durchspiel Feyh-Belle durch unhaltbaren Schuß in Führung. Ein Selbsttor des rechten Eintrachtläufers verhalf den kampfesfreudigen Bürgelern zum zweiten Erfolg. Das Publikum spielte wieder kräftig mit, die Spielleitung hätte besser sein können. Die beste Leistung bot der Eintrachttormann Trumpp. [...]

Im großen ganzen ein recht magerer Sonntag, naß und kalt, und trotzdem hat er uns Sein und Nichtsein entschieden. Ein markantes Beispiel dafür, wie sehr das Glück im Fußballsport eine Rolle zu spielen pflegt, aber auch dafür, daß die Auswahl der Bezirksligavereine keine schlechte war, denn so scharf als in dieser Saison war der Kampf noch nie gewesen, eben durch die Gleichwertigkeit der Mannschaften.                                         Citus. (aus dem 'Fußball', Ausgabe 04/1924 vom 24.01.1924)

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