Eintracht Frankfurt - 1.
FC Nürnberg |
Süddeutsche Meisterschaft, Nordgruppe 1920/21 - 4. Spiel
0:1 (0:0)
Termin: 10.04.1921
Zuschauer: 15.000
Schiedsrichter: Niederberger (Stuttgart)
Tore: 0:1 Popp
Eintracht Frankfurt | 1. FC Nürnberg |
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Der knappste aller Siege In Frankfurt schießt der Deutsche Meister gegen die tapfere Eintrachtmannschaft nur 1 Tor. Unter dem strahlend blauen Himmel zogen von frühester Mittagsstunde ab Tausende und Abertausende an den mit Blüten überschütteten Gärten und Hügeln im Osten der Stadt und dem in der sommerlich heißen Sonne glitzernden Ostparkweiher vorbei zum Eintrachtplatz, der, inmitten schimmernden, jungen Grüns gelegen, die Massen kaum zu fassen vermochte. Galt es doch, den Vertreter des Nordmainkreises, dessen Spielstärke sich in letzter Zeit stark gehoben hat, im Kampfe mit Deutschlands bewährtem Meister zu sehen, den die Frankfurter im Vorspiel nach schwerstem Kampf unter ganz außerordentlich ungünstigen Verhältnissen unterlegen waren. Wer wirds heute machen? Die große Mehrzahl glaubt an einen knappen Sieg der Nürnberger, die Eintrachtleute sind recht zuversichtlich und siegesgevviß und nur bei einem kleinen Teil fanatischer Gegner ist der Wunsch, Eintracht möge ,,die Kiste voll bekommen", der Vater des Gedankens. Die Nürnberger Elf ist sich der Schwere des Treffens bewußt und wird alles daransetzen, um den vom letzten Kampf in Mannheim entstandenen Eindruck der Schwäche zu verwischen. Aut dem Platz drängt sich die Menge Kopf an Kopf; die am Dienstag schon ausverkaufte, äußerst praktisch gebaute Tribüne, die sich rings um den Platz ziehenden Terassen und eine ganze Reihe großer Wagen sind voll besetzt und noch immer strömen die Menschen ohne Ende. Manche haben sich die interessantesten Sitz- und Stehgelegenheiten geschaffen, andere haben entschieden Talent zum buddhistischen Säulenheiligen oder zum „stürzenden Willy" aus Großfrankfurt. Erfreulich ist zu sehen, daß unser schöner Sport auch unter den Damen recht viel Anhängerinnen gefunden hat; wohl der vierte Teil des Publikums gehörte dem schöneren Geschlecht an und manches „abseits, foul und bravo" kam aus schönem Frauenmund. Etwas fiel unangenehm auf: die außerordentlich teueren Eintrittspeise. Es möge daher gleich gesagt werden, daß dem Platzverein noch nicht einmal die Hälfte davon verbleibt. Ein Fünftel stehen dem Verband zu, womit man sich ja noch abfinden kann, denn das Geld kommt restlos dem Fußballsport wieder zugute; ganze dreißig (30) Prozent aber entzieht die Stadt Frankfurt, die schon riesige Einnahmen aus dem Trambahnverkehr von und nach dem Platz zieht, der Ertüchtigung der Jugend. Kein Wort ist scharf genug gegen diese Sünde am Volkskörper; keine Verurteilung dieses verächtlichen Gebarens der Stadtverwaltung treffend genug; verächtlich deshalb, weil man den Sportvertretern gelegentlich des Spielplatzwerbelaufes die schönsten Versprechungen gemacht hatte, die man auf solche, den Sport ungeheuer schädigende Art und Weise in die Tat umsetzte. Sehen unsere Stadt"raben"väter denn nicht, daß unsere großen Sportvereine im schwersten Kampf ums Dasein stehen? Es wäre endlich an der Zeit, daß dieser rückständigen Behörde von Reichs wegen der richtige Weg gezeigt wird. Vorläufig macht mans aber noch wie die Schlange, die aus Nahrungsmangel anfing, sich selbst aufzufressen!! Spielverlauf. Vorerst spielt die Ligaersatzmannschaft der Eintracht gegen die erste Elf des Fußballvereins Darmstadt und gewinnt nach etwas schleppendem Spiel das vorbildlich fair durchgeführt wurde, 2:1. Die Spannung der allmählich auf ungefähr 18003 Personen angewachsenen Zuschauermenge wurde immer größer und löste sich erst, als die Meistermannschaften den Platz betraten. Zuerst kamen die Nürnberger, in nicht mehr ganz neuem Dreß, dann die weißen Frankfurter. Körperlich schienen die Gäste stark im Vorteil zu sein; die Riesen Stuhlfauth, Kalb und Riegel wurden besonders ehrfurchtsvoll bestaunt, Die bekannte hellblaue Hose verriet uns den Schiedsrichter: Herrn Niederberger vom Sportklub Stuttgart! Allgemeine Befriedigung; man sollte sich in ihm nicht getäuscht haben. Beide Mannschaften waren vollzählig. Frankfurt spielt an, den Wind im Rücken und gegen
die Sonne. Gleich von Anbeginn sehr schnelles Tempo, etwas aufgeregtes
Spiel. Sofort auffallend ein bei Nürnberg sonst nie gesehenes hohes
Zuspiel! Anfangs ausgeglichenes Spiel, zumeist im Feld, recht wenig Torchancen.
Vorübergehend drückt Nürnberg während einiger recht
banger Minuten, wobei sich besonders Riegel hervortut. Die Frankfurter
lassen in aussichtsreicher Stellung einen Ball (Strafstoß) aus,
auf der anderen Seite setzt Popp darüber. Ein weiterer Strafstoß
geht zu Dornbusch, dessen Schuß wird von Stuhlfauth zur Ecke gelenkt,
diese von ihm weggefaustet. Fast sollte Eintracht ein Tor erzielen, als
Böttcher knapp hinter der Torraumgrenze zum Schuß ansetzt;
Reklamieren der Nürnberger beirrt ihn, so daß er nicht schießt
und den Ball verliert. Einen aus Abseitsstellung begonnenen Flankenlauf
Sutors kann Gmelin nur durch Herauslaufen unschädlich machen, einen
„Bombenschuß" Popps lenkt er übers Tor. Dornbusch
kann noch einen schönen Schuß anbringen, doch Stuhlfaut hält
ganz selbstverständlich. Bis zur Pause bleibt das Spiel völlig
offen bei gleichwertigen Leistungen beider Mannschaften und das unentschiedene
Resultat 0:0 entspricht voll und ganz den gezeigten Leistungen. Hatte das Tempo vorher ein klein wenig nachgelassen, so folgen nun beiderseits recht wuchtige Vorstöße. Nürnberg hat nochmals etwas mehr vom Spiel, doch Frankfurt gewinnt immer mehr Boden. Und schließlich gehen die Nürnberger Läufer sowie Träg zurück, um in der Verteidigung zu helfen. Dreimal hat Frankfurt Gelegenheit zum „verdienten" Ausgleich, als Stuhlfaut einmal den Ball fallen läßt; ein zweites Mal beim Wegtreten des Balles diesen an lmke abprallen läßt und kurz darnach Imke beim Herauslauten den Ball überlassen muß. Jedesmal kann er noch mit unerhörtem Glück retten. Nachdem beiderseits noch einige recht schöne Torgelegenheiten nutzlos vorübergehen, macht sich die hohe Temperatur und der überaus schwere Boden bemerkbar und langsam flaut das Spiel ab. Beim Schlußpfiff bleibt Nürnberg glücklicher Sieger! Das Spiel selbst Ein Spiel um zwei Punkte! Nicht unfair, auch nicht besonders
zart, zeitweise recht körperlich, doch niemals roh. Flott, eifrig,
ein richtiger Meisterschaftskampf! Erstaunlich hoch, auch bei Nürnberg!
Ganz gewiß konnte das Resultat auch umgekehrt lauten, wenn Frankfurt
mehr Glück gehabt hätte. Nürnberg hatte ein kleines Plus
in dem besser ausgebildeten Deckungs- und Stellungsspiel, auffallend schlecht
war die Kombination im Sturm, vorzüglich die Läuferarbeit, außerordentlich
geschickt die Verteidigung. Bei Frankfurt ganz genau dasselbe Bild! Gmelin brauchte nicht viel einzugreifen; etwas weniger sicher als sonst. Am Tor nicht schuld! Im Fausten sowie Fußabwehr sehr gut. Pfeiffer-Brandt taten vollauf ihre Schuldigkeit und ließen die Nürnberger nicht zum Schuß kommen. Die Läuferreihe sehr gut, Jockels Spiel eine prachtvolle Leistung, oft Kalb übertreffend. Schneider hatte viel Mühe mit Strobel, dagegen stellte Schönfeld seinen Flügel meist kalt. Der Sturm wie bei Nürnberg in der Gesamtleistung recht schwach: Szabo zuweilen lustlos, ohne viel Energie, gut abgedeckt. Böttcher weich, aber in Technik ganz ausgezeichnet. Imke?? Gute Momente, dann wieder zögernd, planlos, unentschlossen. Dornbusch in großer Form, manchmal unschön spielend. Köster war schon besser, wurde von Riegel ständig abgedeckt, der ihm keine Luft ließ. sehr gut; einige wenige Abseitsfehler, unbeirrbar, ruhig. Das Spiel lag bei ihm in guten Händen. Er zog die Zügel recht fest an und blieb Meister von Anfang bis zum Ende. Das Publikum verhielt sich im großen ganzen musterhaft und dürfte auf seine Kosten gekommen sein. Peka. Randbemerkungen eines Neutralen Es ist nicht leicht, mit einem provisorischen Presseausweis eine so scharfe Kontrolle glatt zu passieren, und man wird nicht immer gerade mit Glacehandschuhen angefaßt (schließlich kann nicht jeder ein Kavalier sein), aber mit Hilfe maßgebender Herren, denen Höflichkeit Grundsatz ist, gelingt es doch, und man sitzt bald an Ort und Stelle. Diese Menschenmenge! Ich glaube, sie war größer wie im vorigen Jahr bei dem Deutschen Meisterspiel auf den Sandhöfer Wiesen. Da die Frankfurter Stadtväter den Sport immer noch durch Abzug der 30prozentigen Lustbarkeitssteuer weitestgehend „unterstützen" (armes Deutschland!), mögen sie wieder ein feines Geschäft gemacht haben. Aber dieses Mittel, dem städtischen Dalles beizukommen, ist für die Herren so einfach, daß auf die Abschaffung nicht zu hoffen ist, selbst dann nicht, wenn die Leute die Notwendigkeit der Unterstützung des Sportes erkannt haben, was teilweise vielleicht schon jetzt der. Fall ist ... * Die Diskussion über das vermutliche Resultat des Spieles war die ganze Woche über sehr lebhaft. Zwar berechtigte die gute Form der Eintrachtmannschaft und ihre Resultate gegen Mannheim-Waldhof und Offenbach zu Hoffnungen, aber andererseits mußte man damit rechnen, daß Nürnberg nach dem unentschiedenen Resultat in Mannheim alles hergeben würde, um diesmal die zwei Punkte zu holen. Dies ist dem Meister auch gelungen, obwohl der Ausgang des Spieles bis zum Schlußpfiff fraglich war. Aber die überaus forsche, wuchtige und aufopfernde Arbeit der gesamten Meistermannschaft ließ Eintracht nicht in dem Maß gefährlich werden, wie es bei einem schneidigen Mittelstürmer, der Imke bei weitem nicht war, der Fall hätte sein können. Im Eintrachtsturm konnte auch Köster, dem Riegel schwer zusetzte, gar nicht entfalten. Bei Beurteilung des Sturmes muß man allerdings in Betracht ziehen, daß Läufer und Verteidiger von Nürnberg nicht nur viel technisches Können aufweisen, sondern auch außerordentlich scharf ans Zeug gehen. Die gesamte Hintermannschaft des Nordmainkreises war sehr gut und hielt sich gegen den starken Sturm ausgezeichnet. Jockel und Schönfeld seien mit einem 25prozentigen Lobaufschlag bedacht. Im Sturm, des Siegers gefielen besonders Popp und Strobel, während Träg, unheimlich eifrig und ausdauernd, für die Mannschaft ungeheure Arbeit leistet. Er ist überall, holt den Ball immer wieder heraus und bringt ihn nach vorn. Nur spielt er sehr robust — fast so robust, wie der eine tüchtige Ordnungsmann, der immer Ordnung schafft, dabei allerdings seine Methode dem schönen Spruch „Der Zweck heiligt die Mittel" unterlegt... (aus dem 'Fußball', Ausgabe 15/1921)
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