Frankfurter Fußball-Verein - FC Hanau 93

Nordkreis A-Klasse 1911/1912 - 16. Spiel

3:3 (1:2)

Termin: 21.01.1912
Zuschauer: 2.000
Schiedsrichter: Knab (Stuttgart)
Tore: 1:0 Dr. Paul von Goldberger (5.), 1:1, 1:2 Haseneier, 1:3 Hoffmann (Elfmeter), 2:3 Karl Reich, 3:3 Dr. Paul von Goldberger

>> Spielbericht <<

Frankfurter Fußball-Verein FC Hanau 93

 


  • Schnellbacher
  • Heck
  • Henning
  • Warner
  • bieba
  • Mülhause
  • Leissing
  • Haseneier
  • Hoffmann
  • Jonas
  • Möller

 

Frankfurt a. M.

FV — Hanau 93 3:3

Unentschieden endete das Treffen, das die Spannung, wer wird Meister, lösen sollte. Noch ist die Lage nicht geklärt und der Favorit muß noch manch eine Prüfung bestehen, will er sich die Meisterehren sichern. Wie scharf das Treffen geführt wurde, geht daraus hervor, daß beiderseits je 2 Elfmeter verhängt wurden.   (aus 'Süddeutsche Sportzeitung', Ausgabe 07/1912 vom 22.01.1912)

 



F. F.-V. — Hanauer F.-C. von 1893 3:3 (1 : 3)

Nun ist auch das Hauptereignis der Verbandswettspiele um die diesjährige Nordkreismeisterschaft an uns vorübergegangen. Wieviel Debatten im engen und weiteren Kreis hat der Kampf vorher gezeitigt! Wie wurden die Aussichten der beiden Vereine nicht nur in unserem Kreise, nein auch bei den anderen Vereinen erwogen. Die Spannung in der Frankfurter Sportgemeinde hatte einen derartigen Höhepunkt erreicht, dass nicht weniger als 2000 Zuschauer unseren Platz umsäumten, als Herr Knab (Stuttgart) das Spiel anpfiff.

Die Mannschaften traten sich in folgender Aufstellung gegenüber:

Hanau 93

Schnellbacher
Heck      Henning
Warner       Bieba       Mülhause
Leissing       Haseneier       Hoffmann       onas       Möller

Schulze       Pickel      Becker      Dornbusch      Fortura
Jockel       Reich       Gilly
Bertrand       Thélin
Chaboud

F. F.-V.

Der Anstoss brachte Hanau sofort in sehr gefährliche Nähe unseres Tores. Beide Verteidiger waren bereits überspielt, als Jockel im letzten Momente herangesaust kam und dem Hanauer Stürmer den Ball von den Füssen nahm. Unsere Mannschaft fand sich in den ersten Minuten nicht recht zusammen. Sie kombinierte zu langsam im Vergleich zu Hanau, dessen Vorstösse mit Wucht durchgeführt wurden. Dass dabei unsere lieben Gäste von ihrer Körperkraft nach bester Möglichkeit Gebrauch machten, wird nicht weiter Wunder zu nehmen.

Nach einigen Minuten machten wir uns etwa frei und kamen durch den linken Flügel gut vor. Hanau verschuldete dabei einen Eckball, der von Schulze genau getreten wird. Bertrand, als unser linker Verteidiger, hatte es sich bei seinem stürmischen Tatendrang nicht nehmen lassen, vor dem Hanauer Tore zu stehen. Er versuchte dann auch, den Ball einzuköpfen, geriet aber dabei in Kollission mit Henning, der den kürzeren zog. In dem momentanen Gewirr erhielt Gilly den Ball vor die Füsse und schoss ein. Nach 5 Minuten führten wir bereits mit einem Tor. Aber es sollte nicht lange dauern.

Hanau, das keine Entmutigung kannte, geht sofort wieder forsch vor. Bieba gab den Ball in guter Berechnung zu Möller, der Gelegenheit zum Flanken fand. Der Ball wurde von der Mitte scharf gefasst und aufs Tor geschossen. Er prallte unten gegen die Querlatte, hatte angeblich eine Umdrehung innerhalb des Tores gemacht und der Ausgleich für Hanau war da. Der Anstoss misslang. Hanau bemächtigte sich sofort wieder des Balles und die Stürmerreihe ging gut unterstützt von den Läufern, vor. Unsere Läuferreihe hatte schwer zu arbeiten, um einigermassen die gegnerische Stürmerreihe zu decken. Unsere beiden Verteidiger waren, was ja auch nicht Wunder nahm, vorerst sehr unsicher. Namentlich der liebe Alfred, der es besonders auf Leissing abgesehen zu haben schien, ging mit einer wahren Wut an den Ball, meistens allerdings mit dem Ergebnis, ihn nicht zu bekommen.

Jockel, der bereits vor Halbzeit durch Deckung Leissings hervorragendes leistete, verstand sich noch nicht mit Bertrand, sodass, wenn Hanau diese Schwäche unserer Verteidigung vor Halbzeit mehr ausgenützt hätte, viel mehr gefährliche Lagen vor unserem Tore entstanden wären. Hanau erzielte verschiedene Eckbälle, die sämtlich schlecht getreten wurden. Unsere Stürmerreihe, der die richtige Unterstützung vor Halbzeit fehlte, war nicht im Stande gegen die Hanauer Hintermannschaft aufzukommen. Allerdings kamen die beiden Flügel ab und zu vor. Schulze beging dabei einem Verteidiger wie Heck gegenüber den Fehler, zu spät zu flanken. Ein vom rechten Flügel zu Pickel gespielter Ball bot eine günstige Gelegenheit, wurde aber übers Tor geschossen. Hanau 93 erzielte das zweite Tor durch einen scharten Schuss Haseneiers aus ungefähr 20 m Entfernung. Chaboud war meines Erachtens nach nicht darauf gefasst, sonst würde er bei seiner Schnelligkeit den Ball noch bekommen haben. Hanau erzielte noch einige Ecken, die teils ausgetreten, teils glücklich abgewehrt wurden. Dann war Halbzeit.

Die Stimmung unter unseren Anhängern war nicht gerade rosig, aber auch nicht niedergedrückt, Der Kenner hatte doch gesehen, dass unsere Leute im technischen Können ihrem Gegner trotz dessen merkbarer Ueberlegenheit vor Halbzeit nicht viel nach standen. Es keimte in mancher Brust der Gedanke, ob nicht vielleicht doch der Ausgleich möglich wäre, wenn die beiden Verteidiger, die bereits Ende der ersten Spielhälfte sicherer geworden waren, nach Halbzeit diese Sicherheit noch vervollständigen würden.

Der Beginn der zweiten Hälfte war allerdings nicht viel verheissend, denn leider sah sich der Schiedsrichter veranlasst, wegen angeblich unfairen Behinderns Leissings durch Jockel einen Elfmeterstoss für Hanau zu geben, den Hoffmann auch unhaltbar verwandelte. Hanau führte mit 3:1! hatte aber in diesem Augenblick sein Pulver verschossen. Unsere Leute legten jetzt einen Feuereifer an den Tag der tatsächlich voll und ganz anerkannt werden muss. Mir als altem Spieler lachte das Herz, als ich sah, mit welcher Energie unsere 5 Stürmer an die schwere Hanauer Verteidigung herangingen. Volles Lob verdienen auch die Läufer, die sämtlich aussergewöhnliches leisteten. Gilly war wie immer gut im Zuspielen. Jockel leistete schwere Arbeit in der Deckung Leissings. Die beiden Verteidiger Bertrand und Thélin waren wie ausgewechselt. Bertrand zeigte, dass er immer noch nicht zum alten Eisen gehört, wenn es gilt, dem Verein im harten Kampfe auf dem Rasen beizustehen. Er machte von seinem Kopfspiel ausgiebigen Gebrauch.

Alle Angriffe unserer Leute führten bis 15 Minuten vor Schluss zu keinem greifbarem Ergebnis. Ein von Dornbusch wunderschön getretener Eckball wurde von Reich knapp daneben geköpft. Kurz darauf wurde Reich hart an der Grenze des Strafraumes unfair behandelt. Der gegebene Strafstoss wurde von einem Hanauer Spieler mit der Hand abgewehrt. Elfmeterball ! Reich, der sonst so sichere, placierte schlecht und Schnellbacher fing den Ball ab. Man meinte, alle guten Geister hätten sich gegen uns verschworen. 5 Minuten darauf wurde Becker im Strafraum zu Fall gebracht. Reich trat wiederun den Elfmeter und zwar derartig scharf auf den Torwächter, dass der Ball abprallte. Reich erfasste ihn zum zweitenmal und ein Tor war aufgeholt.

Mit aller Macht gingen unsere Leute jetzt vor, um den Ausgleich zu erzwingen. Hanau zog bei den gefährlichen Lagen, die jetzt fast ständig vor seinem Tor vorkamen, die ganze Mannschaft zurück. Es war unmöglich für unsere Stürmer durchzukommen. Reich schoss aus ca. 30m hart über den Pfosten. Da lief der Hanauer Torwächter, der den Ball gefangen hatte, mehr wie 3 Schritte... Freistoss. Die elf Mann von Hanau deckten ihr Heiligtum. Es schien ausgeschlossen, durchzukommen, aber Gilly brachte es doch, allerdings mit einer gehörigen Portion Glück, zu Wege. Er schoss aufs Geradewohl in den Wald von Beinen hinein! Irgendwo und an irgend Jemand prallte der Ball,ab und sass im Hanauer Netz. Die Zuschauer und Freunde unseres Vereins gaben ihren Gefühlen durch einen nicht enden wollenden Beifallssturm Ausdruck.

Unsere Jungens hatten aber scheinbar mit dem unentschiedenen Resultat noch nicht genug, Angriff auf Angriff erfolgte noch in den letzten Minuten auf das Hanauer Tor, nicht viel hätte gefehlt, und das siegbringende Tor wäre gefallen. Henning verursachte noch hart an der Grenze einen Strafstoss, den Gilly gut vors Tor gab. Dornbusch schoss an den Pfosten und Becker köpfte den Ball an die Latte. Es sollte nicht sein! Noch einiges Geplänkel, dann war Schluss.

Von den Spielern ist noch Chaboud zu erwähnen, der mit der einen Ausnahme wieder den Beweis seiner unbedingten Zuverlässigkeit erbrachte. An einem Ereignis war er noch beteiligt! Er hielt in der zweiten Hälfte einen gefährlichen Schuss Möllers und beförderte den Ball mit der Faust zur Ecke. Wir waren allerdings in dem Moment in Verlust, aber anerkannt soll doch werden, dass Hoffmann sowohl wie Möller von Hanau 93 Chaboud zu diesem energischen Retten beglückwünschten. Die beiden Verteidiger habe ich bereits erwähnt. Thélin hatte in der zweiten Hälfte einen prachtvoll sicheren befreienden Stoss. Von den Stürmern ist bereits oben gesprochen worden. Es klappte in der zweiten Hälfte, als Dornbusch neben Fortura spielte, bedeutend besser. Erwähnenswert ist noch, und das erlaube ich mir als einen Erfolg der diesjährigen Saison zu betrachten, das genaue Treten der Eckbälle. Dornbusch sowohl wie Schulze schaffen dadurch jedesmal sehr gefährliche Lagen vor dem Tore des Gegners, die uns schon manches Tor eingebracht haben.

Hanau rechtfertigte seinen guten Ruf. Besonders hervorzuheben ist von der Läuferreihe Warner, der vor Halbzeit glänzend disponiert war. Auch die beiden Verteidiger waren gut. Die Stürmerreihe fiel nach Halbzeit vollständig ab. Sie bemüssigte sich, die Bälle hoch in die Luft zu treten und verriet keine Neigung zur Kombination. Allerdings wurde auch, wie schon erwähnt, der gefährliche Leissing hervorragend gehalten.

Nun noch eins! Hanau hatte in der vorletzten Nummer der Verbandszeitung einen Artikel über das Spiel gegen den Sportverein in Hanau gebracht, der mit rechtem Tamtam in die Welt hinausposaunte, dass der kommende Meister Hanau 93 sei. Es wurde uns in dem Artikel zum Vorwurf gemacht, dass wir nur durch beneidenswertes Glück in die führende Stellung gekommen sind. Die Herren nennen es beneidenswertes Glück, wenn man durch einen Elfmeterball gegen seinen Lokalrivalen verliert, wenn man in der letzten Minute in Hanau gegen 94 durch einen Eckball, der in der Dunkelheit getreten wird, einen Punkt verliert. Sie nennen es Glück, wenn man in einer Saison mit 6 Verteidigern spielen muss und sie nennen es Glück, wenn ein Spiel, wie das gegen Britannia, 12 Minuten vor Schluss abgebrochen wird.

Hanau ,,zweifellos die beste Mannschaft im Nordkreis", wie sich der Herr Artikelschreiber ausdrückt, hatte nur Pech. Totsichere Proteste wurden oder werden verloren. Man kann zwischen den Zeilen lesen, dass nur der böse Fussballverein schuld ist, dass die 93er nicht an erster Stelle stehen. Wir waren etwas weniger laut und haben auch den Kampf etwas weniger leicht genommen. Dass wir ihn mit Ehren bestanden haben, wird kein Mensch bestreiten, dar ihm beigewohnt hat. Unsere Mannschaft hat dieses Mal gezeigt, was Energie vermag. Würde sie auch vor Halbzeit so gearbeitet haben, wäre das Spiel gewonnen worden.      Henry Bergner. (aus der Vereinszeitung des Frankfurter Fußball-Vereins vom 01.02.1912)

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